„Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.“
Wenn ich mir so manche Beiträge anschaue, dann ist da was Wahres dran, auch und ganz besonders, was unser aller Thema anbelangt.
Aber es geht auch anders.
Man kann jederzeit den Krug nehmen und gegen die Wand schmeißen. (Dann braucht er nicht mehr brechen gehen, :grins2
So oder so, danach steht man vor einem Haufen Scherben. Splitter eines ganzen langen Lebens, bunt durcheinander geworfen, aber bei näherem Hinsehen sind einzelne Teile sogar ausgesprochen hübsch, ja geradezu schön, gut, manche müssen etwas geputzt werden, manche haben eine weniger schöne Seite, die muss man ein wenig drehen und wenden, um ihnen etwas abgewinnen zu können und manche passen irgendwie überhaupt nicht mehr dazu.
Aber jedes einzelne Bruchstück ist es Wert, dass man es in die Hand nimmt, ansieht, ein wenig hin und herdreht und es in ein neues Puzzle einfügt oder zur danach Seite legt.
Das möchte ich in diesem Thread machen. Blitzlichter von einzelnen Szenen aus meinem Leben, bunt gemischt, wichtig, nebensächlich, lustig, traurig, Impressionen eines Lebens. Und ich bleib einfach hier, in der akuten Hilfe, weil's egal ist, gewohnt ist und weil sich auch "Neue" leichter angsprochen fühlen, wie ich gesehen habe, die zuerst kaum in den Tiefen anderer Themen suchen.
Irgendwie bin ich einfach Exhibitionist genug, um euch teilhaben lassen zu können. Ich denke mir, ich hab mein Leben ja auch quasi öffentlich gelebt und nicht ohne jede Interaktion, warum soll ich jetzt nicht quasi öffentlich darüber reden. Nichts kann mir eigentlich mehr peinlicher sein, als das, was schon gesagt wurde. Auch schäme ich mich kein Bisschen für meine Gedanken, Wünsche, Vorstellungen, Handlungen, was auch immer. Mir hilft’s, wenn ich hier drauflos schreibe und wenn ich das richtig verstanden habe, gibt es doch einige Menschen, die gerne lesen, was ich so schreibe und denen genau meine Sicht der Dinge oder meine Erfahrungen, Erlebnisse, Erkenntnisse, Qualen, Freuden, mein Weg etwas bringen, für sich selber.
In diesem Sinne,
Ich freue mich auf unsere weitere Unterhaltung. Und danke an alle. Hier hereingestolpert zu sein, war so ziemlich mein wichtigster Schritt seit sehr, sehr langer Zeit.
Na dann fang ich mal an mit den Blitzlichtern, einfach ein wenig Stimmungsmalerei. So wohn' ich:
Kommend vom nächstgelegenen Kleinstädtchen, fährt man zuerst eine Weile durch Felder und Kiefernwälder, um dann eine Autobahn zu überqueren, die an dieser Stelle, als hätten die Fahrzeuge eine Furche hinterlassen wie einst die Karren auf den Römerstrassen, tief in einer Schneise liegt. Dann führt die Strasse jäh bergauf, der Wald umgibt sie fester, obwohl in letzter Zeit Forstarbeiter tiefe Wunden geschlagen haben.
Und dann, auf halbem Weg zum nächsten Dorf, blinzelt zu dieser Jahreszeit bereits unser Haus linker Hand durch die entblätterten Bäume, und folgt man einem Feldweg entlang einer Pferdekoppel, gesäumt von Birnbäumen, die im Herbst ganz köstliche Lagerbirnen tragen, noch etwa 200m weiter in den Wald, sieht man bald unser Haus neben zwei kleinen Teichen an einem sanften Hang unauffällig ins Gelände geduckt, beschützend bewacht von einer Unzahl alter, majestätischer Bäume.
Man gewinnt den Eindruck, es sei sich recht eins mit der Natur, Moos macht sich am Dach breit, Gebüsche und Brombeerranken schmiegen sich an die Mauern, im Sommer strecken sie neugierig ihre Triebe bei den Fenstern herein und der Zahn der Zeit lässt an einigen Stellen das alte Steingemäuer durch den Verputz blicken.
Mit diesen Eindrücken bleibt man bei uns stehen, hält auf einem kleinen, geschotterten Platz vor dem Haus, überrascht von der Größe, deren Ausmaße das Anwesen erst jetzt freigibt. Das Haus liegt vor einem, wie ein großes L, wie Liebe, wie Lust am Leben, (wie Lang halt’ ich’s hier nicht aus, wie Leider doch nichts für mich, wie Lauf’ um dein Leben), aber auch wie Lass’ es uns doch einfach versuchen.
4500 m² dazugehörige Gartenfläche, primärer Raum für gestalterische Freiheit, breiten sich davor aus, dahinter vier Hektar Felder, jahrzehntelang nur biologisch bebaut mit Obst, Hackfrüchten und Korn, und nochmals rundum Quadratkilometer zu erforschendem Freiraum für kindliche Neugier und erwachsenes Ruhebedürfnis. Auch im Garten finden sich Kirschbäume, Apfelbäume, Birnbäume, Zwetschkenbäume, diverse Sträucher, Brombeerranken, Kräuter, aber auch seltene Blumen und Unmengen Freiheit. Eine Feuerstelle lässt die Feste erahnen, die hier im Sommer stattfinden können, ungestört durch nachbarliche Interventionen.
Kann das bewohnt sein? Ja doch, und die Spuren finden sich überall. Der Garten ist übersät von Spielzeug, hinter dem Haus steht ein Raumschiff (eigentlich ist es ein Autowrack, aber meine Kinder sehen das anders) und die vielen sonstigen Kleinode, in der Regel als Sperrmüll bezeichnet, zeigen, dass hier einiges an Leben herrscht.
Solchermaßen beeindruckt, betritt man nun unser Haus durch eine alte Holztüre, die immer allen offen steht und durchquert den Vorraum, so man nicht über Kinderschuhe, Schultaschen, Anoraks oder ähnliches stolpert, und landet geradewegs im zentralen Raum des Anwesens, in der Küche.
Ein kleiner, alter Holzherd verbreitet wohlige Wärme, gleich daneben findet sich aber auch ein Hightech-Herd der neuesten Generation. Einer von Papas fleißigsten Helfern spült gerade Geschirr und die auf den Küchenkästen aufgestapelten Lebensmittel warten darauf, zu einem schmackhaften Essen verarbeitet zu werden, was der Hausherr auch (fast) tagtäglich gerne macht, weil es eines seiner Hobbies ist. Wenn dann noch der große, schwere Esstisch von Frühstücksgeschirr, Schulheften, Spielzeug und sonstigem Kram befreit ist, steht einem guten Essen nichts mehr im Wege.
Rechts vom Eingang kommt man in ein Zimmer, das dereinst den Namen „Wohnzimmer“ trug, jetzt aber unser Kommunikationszentrum mit der Außenwelt darstellt und außerdem von einem meiner Kinder zum zentralen Raum seiner Lebensinteressen auserkoren wurde. Besonders dieser Raum vermittelt eine interessante Spannung zwischen althergebrachten Lebensformen und neuester Technologie, eiserne Kerzenleuchter an den Wänden, eine Sitz- und Schlafgruppe kurz vor den Zerfall, ein gemauerter Kaminverbau und eine alte Kredenz aus Kiefer natur teilen sich den Raum mit modernster Elektronik und ein wenig Computerschrott sowie Bügelwäsche, einem Bücherregal und einem Solarium. Noch weiter nach rechts gelangt man zu den Sanitärräumen, wo Papas weitere unentbehrliche technische Helferleins tätig sind, Waschmaschine und Wäschetrockner. Noch nicht am Ende angelangt in diese Richtung, findet sich dann noch ein Kinderzimmer mit Stockbett, Schreibtischen, Rutsche, Computer und Chaos, alles auf Lärchenschiffboden und mit Einzelöfen, sowie deutlich sichtbaren Spuren, verursacht durch das Bewohnen durch Kinder.
Einigermaßen beunruhigt vom bisher Gesehenen, wendet sich der Besucher nun auf die andere Seite, die vom Vorraum aus begangen werden kann, um auch noch den Rest der Wohnräume zu besichtigen, vielleicht getrieben von einer gewissen Hoffnung, dort nach der Regel: „zuerst die schlechte, dann die gute Nachricht“, wieder beruhigt den in der Zwischenzeit bereiteten Kaffee trinken zu können, um sogleich feststellen zu müssen, dass dem nicht so ist.
Zuerst betritt er ein weiteres Kinderzimmer. Genauer gesagt, er versucht, beim darüber Steigen kein Spielzeug kaputtzumachen, das am Boden liegt und nicht unnötig auf das frisch gebügelte Gewand drauf zu treten, das beim letzten Suchen von schulfähigem Gewand wie immer auf dem Boden gelandet ist. Nach einem kurzen Blick auf die Wand- und Möbelmalereien, die zweifellos von frühkindlichem Expressionismus zeugen, wendet er seine Schritte durch einen Vorhang in ein zur Zeit verwaistes Zimmer, das eigentlich meinen Arbeitsbereich darstellen sollte, jetzt aber einer neuen Bestimmung harrt.
Links abgebogen, findet sich nun das Schlafzimmer. Fürs erste macht es den Eindruck einer Saunakammer, Holz an Fußboden, Wänden und Decke und, bei näherem Hinsehen, ist dieser Eindruck auch notwendig, um dort schlafen zu können. Die fehlende Raumwärme – es gab dort bis vor kurzem keine Heizung – musste einfach durch diesen optischen Eindruck kompensiert werden, sonst hätte man glatt gefroren im Winter.
Jedoch, unter dem Eindruck, den objektive Temperaturmessungen hinterlassen haben, hatte ich mich dazu entschlossen, eine Zentralheizung einbauen zu lassen. 130 m² müssen erwärmt werden und das möglichst ohne täglich mehrere Stunden mit Einheizen zu verbringen. Der Behaglichkeitsgewinn war überwältigend!
Nun interessiert den Besucher auch der Rest des Anwesens, wenn er nicht schon die Flucht in Unverbindlichkeiten angetreten hat.
Am anderen Ende des L’s befindet sich eine weitere Wohneinheit von 120 m², zur Zeit noch Baustelle, aber nahezu unerschöpfliches Betätigungsfeld für kreativen Zeitvertreib Dazwischen liegen etwa 300m² ehemaliger Stallungen, jetzt Werkstatt bzw. Chaos pur.
Nach diesem Rundgang gibt es jetzt zwei Möglichkeiten der Reaktion, die der erstmalige Besucher zeigt:
„Ist ja schrecklich, wie kann man so nur leben“, oder: „Toll, phantastisch, was da für Möglichkeiten darin stecken, ideal für die Kinder, ein Paradies!“.
war alles zugeschüttet, mohnfeld, im wahrsten Sinne des Wortes, grab ich jetzt wieder aus und es macht unheimlich Spaß! Bei solchen Formulierungen hätte ich mir vor Kurzem noch die Gehirnwindungen verrenkt. Es ist wirklich unglaublich, was alles nüchtern besser geht!
dann geht es dir so wie mir. Auch alles nur runtergeschüttet, die Hobbys nicht mehr gepflegt. Bei mir hat es noch viele andere Gründe, aber der Alkohol war mit Sicherheit einer davon.
Ich bin heilfroh den gestrigen Tag geschafft zu haben. Und habe grade einen riesigen Vogelkäfig alleine zusammengebaut. Da hätte ich vor ein paar Wochen nur Blut und Wasser geschwitzt und geflucht dabei.
Hab zwischendurch Pause gemacht, Kraft gesammelt, die Fingerchen sich erholen lassen, und zack war die letzte Spange dran.
Erstaunlich wie ruhig man wird..........
Ein schönes WE wünscht die Deprimaus
[f1][ Editiert von Depri am: 12.11.2004 12:37 ][/f]
Paradiesisch! Schönes Stillleben, das du da gezeichnet hast. Selbst Reich-Ranitzki würde wohl nicht viel zu bekritteln finden.
Regelmäßig Datensicherung von deinem Computerschrotthaufen machen! Wäre schade, wenn das bei einem Plattencrash verloren ginge. Äh, das war jetzt vielleicht etwas profan...
Respekt, Waldschreiber! (BTW Mir fiel grad auf, daß in "schreiben" ja "Schrei" steckt...:gruebel
Deine exhibitionistische Ader in allen Ehren, aber ich glaube nicht, dass jemand "neues", der ein akutes Alkoholproblem hat, die Wegbeschreibung zu deinem Haus lesen möchte.
Das hat nichts damit zu tun, dass ich Deine Art zu schreiben und diese nachfühlbare und vor allem spürbare Weise des Beschreibens richtig toll finde!! Man sieht sich beim Lesen wie in einem kleinen Film, wo auch immer wieder Überraschungen warten, seien sie auch manchmal schmerzlich oder ein wenig wehmütig, ob der Dinge, die vielleicht schon verloren sind oder es zu sein scheinen.
Schreib auf jeden Fall weiter! ...vielleicht bei"positives"!?
es mag ja sein, daß Du sehr viel Talent hast, mit Deinen Worten ein wenig Stimmungsmalerei in die Blitzlichter zu bringen, aber ich frage mich doch wirklich, ob das das richtige Thread an der passenden Stelle ist.
Es handelt sich um die erste Rubrik in einem Saufnix - Alkoholikerforum, unter der Überschrift: "Akute Hilfe",
bei allem Respekt für Deine wie immer gearteten Talente, die ja auch offensichtlich viele Menschen hier sehr ansprechen - aber glaubst Du wirklich, daß das so seine Richtigkeit hat???
(oder wer auch immer das machen kann) Kannst du bitte diesen Thread nehmen und als Ganzes in die Rubrik "Positives" stecken????
Helena und beed und wahrscheinlich noch einige andere, stille Leser habe sicher Recht, dass dieser Thread an doch sehr häufig erster Stelle in der "Akuten Hilfe" nichts verloren hat. War mein Fehler, sorry.
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