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Saufnix  
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Dieses Thema hat 9 Antworten
und wurde 1.843 mal aufgerufen
 Deine eigene Alkoholkarriere
Katzenprinzessin Offline




Beiträge: 31

15.01.2011 01:17
RE: Mein Leben im Rausch Zitat · Antworten

Wie schon an anderer Stelle erwähnt, habe ich meinen 1. Vollrausch mit 14 Jahren erlebt. Alkohl war bei uns zuhause ein ständiger Begleiter. Für mich war es bereits als Kind völlig normal, dass die Erwachsenen Alkohl trinken, lustig, komisch, verwirrt oder auch weinerlich werden. Oma rief verlangte schon immer gleich nach der Ankunft bei ihrem wöchentlichen Besuch nach ihrem Bier.

Als Kind galt ich als schwierig als Teeni war ich sehr gehemmt oder schlicht und einfach verklemmt. Ich machte mir über alles viele Gedanken und konnte nie so fröhlich und unbeschwert herumalbern wie die anderen. Dadurch rutschte ich natürlich auch in eine Außenseiterrolle.

Dann kam der 1. Vollrausch mit 14 und auf einmal fühlte ich mich frei, beschwingt und unbeschwert und das war toll. Plötzlich konnte ich auch so albern sein wie all die anderen. Am nächsten Tag war mir nur schlecht, aber die Erfahrung dieser wunderbaren Leichtigkeit blieb und sollte mich die nächten 28 Jahre begleiten.

Schnell lernte ich schon mit 16, 17 Jahren, wenn ich Angst hatte oder wieder mal gehemmt war, einfach ein Glas oder 2 und schon geht es besser und das kam immer öfter vor.

Dann Abi und Start ins Studium und wieder die Angst vor der Ungewissheit. Ich lebte zum 1. Mal allein und kaufte mir zum 1. Mal alleine Alk und trank ihn alleine und schon war sie wieder da, die Unbeschwertheit und Leichtigkeit. Leider nicht lange.

Ich studierte brav und ging viel aus und der Alk war immer dabei. Danach der Start ins Berufsleben und wieder die Angst, was ist, wenn ich Fehler mache und die mich rausschmeißen. Also gewöhnte ich mich damals mit 26 Jahren an das abendliche Bier bzw. 2. Zum Entspannen nach Feierabend. Am Wochenende natürlich mehr. Es folgten die üblichen Abstürze und irgendwann 1993 setzte sich der Gedanke fest "da könnte was nicht stimmen". Also ging ich zu den Anonymen Alkoholikern. Aber das war doch nichts für mich. Ich wollte lieber etwas weniger trinken und dann kontrolierter.

Es folgte das Ende einer langen Beziehung und ich lebte alleine, konnte tun und lassen was ich wollte und was tat ich saufen. Jeden Abend und jedes Wochenende und immer mehr zuhause alleine, denn meine Studienfreunde und Saufweggeher von einst hatten sich alle in Beruf und Familienleben etabliert.

Überhaupt lief bei allen alles wie am Schnürchen. Die heirateten, bekamen Kinder hatten einen Partner nur ich war allein. Mit Ende 20 Anfang 30 tickte die biologische Uhr und die Panik kroch hoch. Ich sollte noch 4 Jahre solo bleiben und hatte immer mehr Angst davor.

Ich soff immer mehr und zog mich immer mehr von allem zurück. Bald hatte ich keine Freunde mehr, wie denn auch, wenn ich alles absagte um in Ruhe zuhause und an den Wochenenden alleine saufend in meiner Wohnung sitzen zu können. Was sich an Beziehungen anbahnte ging schief - es gab endlose Telefonate im Suff und dadurch noch mehr Grund zum Saufen, die Welt war doch nur gegen mich und alle waren blöd und gemein.

Zunehmend mehr fing ich an, mich krank zu melden, weil ich immer öfter Montags die Kurve nicht bekam und gleich nach dem erlösenden Anruf beim Arbeitgeber Hoch die Tassen.

Ich vereinsamte total, zog mehrmals um und dachte immer ich brauche nur den Neuanfang, mir fehlt einfach der passende Mann, ich führe das falsche Leben ....

Telefonate führte ich viele, natürlich nur unter Stoff und treffen konnte ich keinen, denn ich war ja voll. Die Krankmeldungen häuften sich, ich viel zunehmend auf. Nur in der Arbeit habe ich nie gesoffen und deshalb war ich doch kein Alki, sondern hatte einfach nur Probleme mit meinem falschen Leben als ewiger Single.

Trotzdem lernte ich meinen Mann kennen und machte gleich Nägel mit Köpfen. Er liebte mich sehr. Ich kündigte, wurde schwanger, zog in eine andere Stadt, heiratete und konnte erst mal den Alk wegen der Schwangerschaft stehen lassen - na prima dachte ich geht doch, war doch nur das falsche Leben. Alles hinter sich lassen und neu beginnen. Aber den Alk habe ich mitgenommen.

Ich fing bald nach der Geburt meiner Tochter an, mich abends mit Bier zu belohnen nur 2 bis 4, wenn mein Mann weg war und das fand ich gut auch mehr, aber heimlich, dann immer schnell ins Bett, denn morgens mußte ich ja wegen der Kleinen früh raus. Ich tauchte ein in die Mütteszene und dachte doch manchmal "wenn ihr wüßtet".

Dann wollte ich ein 2. Kind und das klappte nicht so wie ich mir das vorstellte. Wieder mal der Gedanke bei allen klappt alles nur bei Dir nicht und wieder verbunden mit Minderwertigkeitsgefühlen. Also trank ich abends zunehmend mehr um dann 2003 während des Ultraheißensommers mal wieder vormittags anzufangen. Und es steigerte sich schnell und ich war schnell wieder da, wo ich vor der Heirat aufgehört hatte.

Jetzt pendelte sich ein bestimmter Rhytmus ein, 3 Vormittage arbeiten, dann abends saufen. 1 freien Tag wenn der Mann auf Arbeit war schon früh mit dem Saufen anfangen und den ganzen Tag durchläppern. Tags darauf mußte ich mich auch wieder immer öfter krank melden.

Mein Mann schimpfte und ich schwor Abstinenz, laß viel in diversen Foren, kaufte mir Bücher und trank dabei weiter.

An den Wochenenden wurde immer öfter durchgesoffen. Ich brach Streit vom Zaun um zu Verabredungen nicht mitzumüssen um dann in Ruhe saufen zu können und war wieder beim alten Vereinsamungsmuster angelangt.

Jeden Morgen nahm ich mir vor, ab heute nie mehr und spätestens um 16:00 h relativierte ich das ab heute nie mehr in nur noch heute und dann ab morgen nie mehr bzw. ab Neujahr, meinen Geburtstag u.s.w..

Ende 2006 suchte ich dann eine Selbsthilfegruppe auf und die sprachen doch tatsächlich von einer LZ. Aber wie sollte ich das meinem Umfeld erklären. Nein lieber heimlich still und leise. Dann kam Anfang 2007 die Kündigung und ich soff nur noch vor mich hin, versteckte den Alk überall und war zu nichts mehr zu gebrauchen. Einzig meine Tochter wurde einigermaßen versorgt. Bekam immer ihre Mahlzeiten, ihr Pausenbrot wurde ins Bett gebracht aber ansonsten vor dem Fernseher geparkt. Selten hatte ich Zeit mit ihr zu spielen oder etwas zu unternehmen ich mußte ja saufen und konnte dann die Wohnung nicht mehr verlassen.

Im April kam dann der Zusammenbruch. Ich kam in die Entgiftung in eine Klinik blieb dort 3 Wochen, inzwischen wurßten alle Bescheid und ich kam heim und dachte ernsthat. Die LZ brauche ich gar nicht mehr, das habe ich jetzt gepackt. Aber schon 10 Tage später fing ich wieder mit dem Saufen an und kam erneut in die Klinik. Diesmal war ich auf der Alkoholikerstation, davor war es die Psychatrie, weil bei den Alkoholikern kein Platz war. Das war ein heilsamer Schock. Ich kam nach diesmal nach einigen Tagen heim und weil der Antrag für die LZ schon lief, dort relativ schnell einen Platz. Zuvor hatte ich ja die Ausrede, ich hätte keine Betreuung für mein Kind, wenn ich weg wäre. Aber die Krnakenkasse und die BfA untertützten mich und so gab es kein Zurück mehr.

Ich blieb noch 1 Woche zuhause. Mein Vater kam und paßte auf mich auf und dann ging es der ungewissen Zukunft LZ entgegen. Ich hatte kaum Vorstellungen davon und wenn waren sie völlig daneben. Jedenfalls hätte ich von 80 % der Frauen dort nie gedacht, dass ich die dort treffen würde.

Das waren doch genau die, von denen ich dachte, bei denen klappt alles wie am Schnürchen und was ich dann so hörte in den Gruppengesprächen. Die hatten ja alle ähnliche oder gar gleiche Probleme für mich.

Es sollte die schönste Zeit meines Lebens werden. Der Sonner 2007 in Hutschdorf und ich bin immer noch dankbar dafür.

Im Herbst 2007 kam ich zurück und ließ erst mal alles langsam angehen. Richtete mich zuhause neu ein, machte eine Fortbildung und fand im Herbst 2008 einen Ganztagsjob ganz in der Nähe meiner Wohnung. Die Arbeit gibt mir einen festen Rythmus uns somit Stabilität.

Aber das Wichtigste, ich lernte und lerne täglich neu wieder zu leben.

Ich mache mehr Sport, laufe, wenn mir danach ist und gehe wöchentlich in die SHG. Unser Freundes, Bekannten und Verwandtenkreis ist voll im Bilde und unterstützt mich. Deshalb laufe ich nicht mit dem Schild auf dem Rücken herum, aber wenn z.B. jemand den ich nicht gut kenne bzw. jemand aus der Arbeit davon erfährt gut was solls davor habe ich keine Angst mehr, denn jetzt kann ich dazu stehen.

Ich sehe das Leben als tägliche Arbeit und Aufgabe für mich selbst an auch als täglich Herausforderung an mich und freue mich über jeden Erfolg, vor allem über mein neues Bewußtsein.

Während meiner LZ habe ich mir ein Blatt geschrieben, auf dem ich genau geschildert habe, wie ich mich nach einem Sauftag morgens und vor allem nachts wenn ich zitternd und schwitzend aufwachte und nicht einschlafen konnte fühlte und welche Gedanken in meinem Kopf herumspukten. Dieser Zettel liegt in meinem Kalender und wenn ich schlecht drauf bin, oder an Alk denke, lese ich ihn durch und der Sauffilm läuft vor mir ab, mit all den negativen Gedanken beim bitteren Aufwachen. Das hat mir bisher geholfen auf dem Teppich zu bleiben und das denke ich mir auch manchmal "Bleib mal schön auf dem Teppich" wenn ich wieder mal auf die Überholspur ausweichen will.

Vor allem versuche ich jetzt auszusprechen und zu schreiben, was mir aufstöst bzw. wie es mir geht und dabei hilft mir die SHG sehr. Dort habe ich Freunde gefunden ebenso wie in der LZ wo ich viele wertvolle Menschen kennenlernen durfte.

Und dafür bin ich einfach nur froh und dankbar - jeden Morgen und Abend aufs Neue


Katzenprinzessin Offline




Beiträge: 31

15.01.2011 01:39
#2 RE: Mein Leben im Rausch Zitat · Antworten

Sorry habe ich versehentlich 2 x gepostet. Kann man das 2. rausnehemen ???

Bin noch nicht so Forensicher

Danke und Grüße


Bea60 Offline




Beiträge: 2.438

15.01.2011 07:43
#3 RE: Mein Leben im Rausch Zitat · Antworten

Danke für Deine ausführliche Geschichte.
Ich habe mich in Vielem wiedergefunden und bin froh, dass ich früher "aussteigen" durfte.

Weiterhin alles Gute
Beate


Lauralisja Offline




Beiträge: 1.674

15.01.2011 13:09
#4 RE: Mein Leben im Rausch Zitat · Antworten

Hallo Katzenprinzessin,

danke fürs aufschreiben. Auch ich finde mich in vielem wieder.

Liebe Grüße
Uta

"Großer Gott, laß meine Seele zur Reife kommen, ehe sie geerntet wird!" Selma Lagerlöf


Jolina Offline




Beiträge: 2

15.01.2011 14:15
#5 RE: Mein Leben im Rausch Zitat · Antworten

Zitat Katzenprinzessin:
"Jeden Morgen nahm ich mir vor, ab heute nie mehr und spätestens um 16:00 h relativierte ich das ab heute nie mehr in nur noch heute und dann ab morgen nie mehr bzw. ab Neujahr, meinen Geburtstag u.s.w."

Wie kommt mir das bekannt vor!
Und man glaubt es jeden Tag aufs Neue........

Alles Gute für dich, Katzenprinzessin

Moni


Callysta Offline




Beiträge: 8.240

15.01.2011 15:31
#6 RE: Mein Leben im Rausch Zitat · Antworten

Zitat
Gepostet von Jolina
Und man glaubt es jeden Tag aufs Neue........



Viel schlimmer: Ich habe mir das jahrelang nicht mehr geglaubt und hab trotzdem den Absprung nicht gepackt

Wenn die Musik beginnt, dann dreht sich der Tanzbär...


funkelsternchen Offline



Beiträge: 3.824

15.01.2011 16:40
#7 RE: Mein Leben im Rausch Zitat · Antworten

hallo katzenprinzessin,
danke fürs erzählen. jo, dieser ewige kräftezehrende kreislauf! ääätzend. gut, dass wir da raus sind.

funkelsternchen


Katzenprinzessin Offline




Beiträge: 31

16.01.2011 19:20
#8 RE: Mein Leben im Rausch Zitat · Antworten

Hallo Ihr Lieben,

danke für die Antworten. So etwas aufzuschreiben, bringt mir sehr viel, denn dann läuft nochmal der Film vor mir ab und das hilft mir, den Suff und Alk gar nicht erst schönreden zu wollen.

Vor allem muß ich mich jetzt nicht mehr dafür schämen wie früher, wenn ich so etwas aufschreibe. Es erleichtert mich eher und anderen hilft es vielleicht, wenn sie es lesen, so wie mir die vielen ehrlichen Aussagen hier auf dem Board, in meiner LZ und in meiner Gruppe sehr geholfen haben, die alte Scham abzulegen und sich endlich zu befreien.

Worte, ob gesprochen, geschrieben oder gedacht sind für meine Befreiung einfach sehr hilfreich, denn geschwiegen und geschämt + verheimlicht, gelogen und verschleiert habe ich lange genug.

Euch alles Gute und noch einen schönen Sonntagabend - bei uns war es heute ein bißchen wie Frühling, voll klasse.

Katzenprinzessin


Ruby Offline



Beiträge: 2.697

16.01.2011 19:34
#9 RE: Mein Leben im Rausch Zitat · Antworten

Katzenprinzessin,
danke für deine Geschichte.
lg Ruby

es sind die kleinen Dinge im Leben...


pueblo Offline




Beiträge: 2.288

16.01.2011 19:39
#10 RE: Mein Leben im Rausch Zitat · Antworten

schön das es dir besser geht

___________________________________________________
muss es immer erst zappenduster werden,bevor uns ein licht aufgeht


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