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Saufnix  
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Dieses Thema hat 48 Antworten
und wurde 4.034 mal aufgerufen
 Deine eigene Alkoholkarriere
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minitiger2 ( gelöscht )
Beiträge:

03.09.2004 21:57
RE: Schlaglichter Zitat · Antworten

Hi Allerseits,

ich mach mir hier jetzt mal ein eigenes Thema auf. Ich weiß noch nicht so genau, was ich da reinschreibe und wie das weitergehen wird.

..Jetzt hätt ich zu verschiedenen Leuten hier was posten können. Aber mit meiner manchmal mehr, manchmal weniger spürbaren Lebensunzufriedenheit bin ich zu dem Schluß gekommen, daß ich ne Zeitlang besser bei mir selbst bleibe. Ich möcht manchmal einfach erzählen, was mir durch den Kopf geht.

Eine meiner Schwierigkeiten..ich kann gar nicht greifen, was mit mir los ist. Ich merk, irgendwas passt nicht...Kopfmensch, der ich bin, laß ich mein Hirn arbeiten, sich zermartern und Erklärungen (er?-)finden.

Ich hatte mal ne Zeit, da hab ich auch hinter so ner Art innerer Mauer gelebt, wie Hoffnung es beschreibt. Meine ersten Freundinnen haben sich sehr dran gestört, daß ich innerlich immer so distanziert und kalt war. Ich konnte nur aus mir raus, wenn ich richtig besoffen war.
Auch wenn die Gefühle, die ich im Suff erlebt habe, vielleicht nicht die waren, die ich nüchtern hatte....nüchtern konnte ich lange überhaupt keine Gefühle erleben.
Ich glaub, der Punkt ist der, nüchtern waren mir meine Gefühle nicht zugänglich, und im Rausch sind sie mir schnell ausser Kontrolle geraten.
Also ich war einerseits distanziert und zombiehaft, und andererseits unfähig, meine Gefühle zu steuern, wenn ich sie mal hatte. Fast unnötig zu erwähnen, daß ich auch verschiedene Ausraster hatte.
Jedenfalls, meine Gefühle waren was, was mir Angst gemacht hat. Genau diese Angst hätte ich mich , ganz wilder junger Hund, gar nicht zu spüren getraut...womit sich wohl ein Teil meines Kreises schließt.

Natürlich ist das mit den Jahren nicht besser geworden. Und, unterm Strich, ich hab natürlich in meinem Zorn und meiner durchgeknallten Weltsicht auch ein paar Sachen gemacht, die mir viel Ärger bereitet haben. Ausserdem war ich völlig unfähig, mich über längere Zeit irgendwo einzugliedern oder gar unterzuordnen und auch mal was zu Ende zu bringen. Immer wenns irgendwo anstrengend wurde oder Konsequenzen erfordert hätte, wußte ich immer, warums grad nicht ging. Ich Wirklichkeit war ich meist zu faul, zu feige oder trotzig.
Wobei ich für meinen eigenen Dickschädel und meinen eigenen Blödsinn allerdings jede Energie der Welt hatte..

Na ja, und heute? Da hab ich auch nüchtern Gefühle, aber manchmal komm ich immer noch nicht so recht damit klar.

Mir passiert auch immer wieder, wenn ich unzufrieden bin, dann kommt unweigerlich der Gedanke: wenn Du damals diesen Mist nicht gemacht hättest, wärst Du dann heute da wo Du gerne wärst? (ich hab ne ganze Menge Mist gebaut, nicht nur das mit meiner Firma. In 25 Jahren zwischen erstem und letzem Vollrausch kann man sich schon was versauen)
Es passiert da was, das ich längst hinter mir geglaubt hab: ich dacht mal, ich hätte mein Vergangenheit hinter mir gelassen. Daß ich sie nicht mehr ändern kann, das weiß ich sowieso...Aber wenn mein Leben nicht rund läuft, fang ich an, nach Ursachen zu suchen, und in meiner Vergangenheit werd ich fündig. (das könnte allerdings auch eine bequeme Ablenkung vom "grade hier" sein)"

Und noch etwas: wenn mein Leben grad irgendwie kompliziert ist, dann lauf ich irgendwie auseinander. Ich kann mich dann schlecht beieinander halten. Dann, ein zwei Flüchtigkeitsfehler, ich verzettle mich, das verstärkt dann das Gefühl, daß mir mein Leben aus dem Ruder läuft...und das Gefühl, daß es gar nicht mehr mein Leben ist, was ich lebe.
(der Angsthase, der Angst vor der Angst hat, der steckt immer noch in mir. Diesen Teil des kleinen Jungen hab ich nie ganz hinter mir gelassen..was für meine Eltern schlicht nicht akzeptabel und einfach lächerlich war. Aber Versagensängste sind tatsächlich ein wichtiger Punkt bei mir..und ich hab eben ein Leben geführt, daß diese Ängste lebendig halten konnte..:gruebel

(an dieser Stelle hatte ich grade angefangen, was aus meinem Elternhaus zu verblubbern. Im Lauf meines Lebens hab ich mein Elternhaus aber schon an vielen Stellen angeführt und verantwortlich gemacht, und jetzt hab ich grad das Gefühl, daß mich das momentan nicht weiterbringen würde. Habs gelöscht.)

Und wieder ins Heute .... diese Woche hab ich mir alle paar Minuten bewußt gemacht, wo ich mich grade befinde, und daß das in dem Augenblick mein Leben ist. Zu mir selber kommen, da wo ich grade bin...ich erschreck manchmal, wie schwer mir das fällt. Auch jetzt. Eine interessante Übung. Ich nehm mein Leben wieder zu mir, wörtlich.

So in etwa

der minitiger

PS: heut war mal wieder ne Betriebsfeier. Es hat einer Einstand gegeben. Ich, trocken, zwischen einigen bekennenden "ich trink schon immer gern und viel"-Kollegen..Es wird da zwar während der Arbeitszeit nicht getrunken, von solchen Feiern abgesehen, aber es ist Dauerthema in den Gesprächen.

..irgendwie bin ich dort ein "Ausserirdischer.."


Alexandra1392 Offline




Beiträge: 57

04.09.2004 08:47
#2 RE: Schlaglichter Zitat · Antworten

Hallo Minitiger,

Ich habe gerade mit "Begeisterung" deinen Tread gelesen und mich in eingen Punkten auch gefunden.
Meine Gedanken dazu:

Eine Frage, die ich mir ab und zu stelle ist, ob man seine Vergangenheit "aufgearbeit" haben sollte/muss um die Zukunft zu gestalten.
Naja, ich versuchs parallel und stelle mir gerade wenn ich lebensunzufrieden bin die Fragen: wie sollte es sein? Wie kann ich hinkommen? (Die Antworten bei mir sind dann eher so, dass ich kämpfen muss nicht wieder in Trübsal zu versinken)
Gleichzeitig arbeite ich an mir. Auch ich konnte lange Jahre nicht "fühlen". Nur wenn mir der Kopf zum Beispiel sagte: "jetzt bist du traurig", gestattete ich mir dieses Gefühl.
Ich versuche seither oft einfach mir selbst zu sagen, was ich fühle und dann erst die Hirnkontrolle einzuschalten. Da kommen erstaunliche Dinge zutage, weil meinn Gefühlssensor viel schneller Situationen erfasst als mein Verstand.

o, das wär es fürs erste. Schönes Wochenende, Alexandra


Lisl Offline




Beiträge: 1.980

04.09.2004 09:22
#3 RE: Schlaglichter Zitat · Antworten

guten Morgen Minitiger

ich denke auch oft wenn ich unzufrieden bin, dass es besser ist, dass ich bei mir selbst bleibe...doch dann bemerke ich auch, dass es gut tut zu schreiben... da ich erst dadurch Klarheit bekomme...Klarheit was sich da in meinem Kopf abspielt...und meist findet sich auch eine Erklärung oder eine Antwort auf meine eigenen wirren Gedanken und Fragen.


Du schreibst Dinge, die bestimmt fast jeder kennt hier im Forum:
>>>> Ich konnte nur aus mir raus, wenn ich richtig besoffen war.
Auch wenn die Gefühle, die ich im Suff erlebt habe, vielleicht nicht die waren, die ich nüchtern hatte....nüchtern konnte ich lange überhaupt keine Gefühle erleben. <<<<<

Deshalb habe ich z. B. getrunken
oder auch getrunken, damit ich gewisse Gefühle nicht spüren musste

Und genau deshalb geht es ja...trocken zu sein um diesen Gefühlen eine Chance zu geben, dass sie sich auch melden dürfen...dass sie auch leben dürfen.
Es ist nicht einfach, ich weiss...doch sie gehören nun mal zu uns und sie wollen beachtet werden

Üblicherweise bezeichnet man jene Menschen als gefühlskalt, die anderen nicht freundlich und warm entgegenkommen.
Genau genommen bedeutet Gefühlskälte aber die Unfähigkeit, überhaupt ein intensives Gefühl - sei es nun positiv oder negativ - zu entwickeln.
Auch kann es sein, dass sich jemand, der sich zu ehrgeizig in ein abstraktes, lebensfremdes Ziel verbeisst, Gefahr läuft, zur seelen- und gefühlslosen Maschine zu werden und den lebendigen Kontakt zur Welt verliert.

Du schreibst dass du unfähig warst, deine Gefühle zu steuern.
Ich selbst denke, meine Gefühle lassen sich nicht steuern...sie wollen beachtet werden und vielleicht auch ausgelebt werden
Ich denke wenn ich sie steuern würde, dann hätte ich auch verschiedene Ausraster

Gefühle wenn man sie nicht kennt...machen Angst!
Diese Angst kann auch dazu führen, dass man sich falsch einschätzt oder sich selbst Verleugnet.

Das mit dem nicht Eingliedern und unterordnen können, kenne ich von mir auch.
Ich hatte jedes Jahr ne andere Arbeit...war voller Ideen...war voll drin, bis ich dann keine Lust mehr hatte das zu Ende zu bringen
Jetzt mit den Jahren, hatt sich das so weit beruhigt, dass ich mir nun sage, ich mache das was ich kann und ich stelle nicht mehr soooo grosse Ansprüche an mich.

Ich denke nicht, dass es daran liegt, wie du schreibst:
>>>> Immer wenns irgendwo anstrengend wurde oder Konsequenzen erfordert hätte, wußte ich immer, warums grad nicht ging. Ich Wirklichkeit war ich meist zu faul, zu feige oder trotzig.<<<<

Ich denke du hast dich überfordert...du kanntest deine Grenzen nicht!
Du hast deine Fähigkeiten im falschen Ort angewandt.

Ich habe auch sehr viel Mist in meiner Vergangenheit gebaut.
Minitiger es war mein Weg....ohne diesen Weg wäre ich nicht hier
Meine Schuldgefühle kennst du ja...sie nutzen keinem


Du schreibst:
>>>> Aber Versagensängste sind tatsächlich ein wichtiger Punkt bei mir..und ich hab eben ein Leben geführt, daß diese Ängste lebendig halten konnte..<<<<

Natürliche Bescheidenheit und grosser Erfolgswille ergibt: "Perfektionszwang"...und dadurch kommt es auch zu einem Überforderungsgefühl
Angst vor dem Versagen!

Bei mir war es so, dass ich ein Bedürfniss nach guten und perfekten Leistungen hatte.
Ich neigte auch dazu, dass ich meine Aufgaben über- und meine Leistungsfähigkeit unterschätzte, was dann zu Überforderungsgefühlen und Versagensängste führte.
Wenn ich dann die Arbeit trotzdem machte, bemerkte ich, dass ich eigentlich den Belastungen gewachsen war...ich konnte sie machen...doch ich war sehr unzufrieden mit mir.

Es waren aber meist Arbeiten und Aufgaben die ich erfüllen musste, die mir aber von Natur aus nicht lagen....und denen ich nicht gewachsen war....und eigentlich nicht machen wollte.

Heute heisst mein Spruch:
Freude und gerne tun, statt Pflicht und Zwang!


Auch das was du schreibst:
Ich nehm mein Leben wieder zu mir, wörtlich.
mit allen Gefühlen und höre was sie mir sagen möchten


Biene2 Offline




Beiträge: 4.231

04.09.2004 09:33
#4 RE: Schlaglichter Zitat · Antworten

Hi Minitiger,

auch ich finde mich in deinem Post wieder.

Ich hab meine Mutter als "nur-fühlende-Heulsuse" erlebt und bin daraufhin dazu übergegangen,alles immer verstandesmässig erfassen zu müssen.
Liebe,Freude,Wut,Hass ectpp. fühle ich zwar,aber ich "denke" sie auch gleichzeitig.Weil diese,meine Mutter immer so masslos überzieht,bin ich heute noch am basteln,was denn "angemessene" Gefühle überhaupt sind.

Aber ich denke mal,das lerne ich auch noch

Wut und Aggessionen,überzogene Trauer,Heulkrämpfe im betrunkenen Zustand sind mir auch nicht fremd....nur wenn ich dicht war,kam alles zum Vorschein....

"faul,feige,trotzig" jo,auch mein's...dachte ich .

Aber wer um Himmels Willen hat denn ein 5.Evangelium geschrieben,in dem steht,was wir gefälligst gut zu finden haben?
Ich kann mich 24Std am Tag an einer Sache hochziehen,die mir wirklich am Herzen liegt....kriege aber Würgereiz,wenn ich was tun soll,wo drauf ich keine Lust habe.
Ich hab auch schon oft die Brocken in die Ecke geschmissen,weil ich keinen (mehr) Bock hatte.Ich denke aber mal,das lag wohl an der Sache selbst.

Und im Endeffekt bin ich nicht schlechter dabei gefahren.Z.B. hab ich mal eine vielversprechende Karriere bei einem deutschen Discounter als Filialleiterin dem Bezirksleiter vor die Füsse geschmissen.
Ich hatte zwar partout absolut keine Ahnung,was ich danach tun würde,aber das wollte ich definitiv auch nicht....
Im Moment scheint sich unser Laden wieder zu bekrabbeln...aber auch das ist nicht (mehr) mein Ding...überlebt er,nehm ich's hin,aber ich werd mir wohl ein neues Spielfeld suchen.
Ich könnte auch niemanden mehr abverlangen,was ich selber nicht mehr will...tagaus,tagein im gleichen Trott stecken
"Eingliedern und unterordnen" krieg ich auch nicht hin.

Und schon mal gar nicht für längere Zeit.
Bei mir ist es soagr noch schlimmer.Ich schaffe es noch nicht einmal über Jahre hinweg Freundschaften oder Ähnliches aufzubauen.Das liegt aber nicht daran,daß ich so ungenießbar wäre,sondern daran,daß mich diese Freundschaften eher einengen würden.
Ich bin immer auf dem Sprung,weiter laufen...schauen,gegebenenfalls die Spur wechseln...
Das kann man nicht,wenn man zuviel im Gepäck hat.
Freundschaften sind eine tolle Sache,aber welcher Freund würde denn nur auf Abruf bereit stehen,wenn ich gerade mal Zeit und Lust habe,mich mit meiner Aussenwelt zu befassen?

Ich glaube auch,wenn ich immer in der gleichen Tretmühle stecken würde,die meine ganze innere Energie vereinnahmen würde...ich würde wahrscheinlich durchdrehen...oder wieder saufen...

Ich hab für mich erkannt,was mir gut tut,egal was andere darüber denken.Das Buch meines Lebens muss ich selber schreiben....und niemand Anderes,und wenn ich nicht so kann,will und tue,wie andere Leute,ist das mein Bier und nicht das von Anderen.
Und meine Eltern bzw. meine Mutter sollen auch nach ihren eigenen "Leitfäden" leben.

Such dir deinen eigenen Weg.Wer weiß,vielleicht steckt in dir ein verkanntes Künstlergenie und du weißt es noch gar nicht.

Übrigens,ich werd' wohl nach Abi und Studium in die brotlose Schriftstellerzunft wechseln....


Beachen Offline




Beiträge: 3.654

04.09.2004 11:44
#5 RE: Schlaglichter Zitat · Antworten

Hi Alexandra !
( Ich hoffe ich darf Minitigerles thread dazu benutzen dir zu antworten )

Zitat
Eine Frage, die ich mir ab und zu stelle ist, ob man seine Vergangenheit "aufgearbeit" haben sollte/muss um die Zukunft zu gestalten.



...genau diese Frage beschäftigte und beschäftigt mich auch immer wieder. Anfänglich sogar mit dem Gedanken daran, eine Therapeutin auzusuchen ( hallo Roswitha ) wenn es denn nicht klappen sollte mit mir alleine, sprich, wenn ich merke, ich komme so nüchtern mit mir und meiner Vergangenheit nicht klar, oder ich suche mein Heil wieder im Trinken.
Heute glaube ich, daran kann ich im Prinzip sowieso nichts verändern - an der Vergangenheit. Und genau diese Vergangenheit hat mich doch auch zu dem gemacht, die ich heute bin - wie zb glaube ich von mir, das ich auch über meinen Tellerrand hinausschauen kann, kenne ich doch auch meine Abgründe.
Und die Zukunft liegt doch auch an dem, wie ich heute bin - also quasi durch die Abstinenz sehr verändert. Und nichts kann schlimmer sein oder werden, als diese alkoholisierten Jahre, die verplemperte Zeit, in der ich dachte ich bin die Allerärmste.
Was bei mir das leidige Thema Mutter angeht, so denke ich heute, mir "reicht" es schon, wenn ich mich nicht ständig mit ihr reibe - mich aufreibe - und einen nahezu "normalen" Umgang mit ihr habe, ohne dieses ständige Oppositionsverhalten, ohne jetzt natürlich ein Duckmäuser zu sein. Ich will mich nicht mehr zerfleischen, das macht mich kaputt.
Mir ist es heute lieber, ich lebe ohne diese alkoholtechnisch hochgepuschten "ach ist die Welt schlecht" Gedanken, oder diesen hochgepuschten schönen Alkoholgedanken. Lieber halte ich mich im "Mittelmaß" ( ohne Alkohol empfinde ich auch "normal"), denn damit kann ich ganz gut leben.

Grüßle
Bea


Saftnase Offline




Beiträge: 1.206

04.09.2004 12:20
#6 RE: Schlaglichter Zitat · Antworten

Hallo Zusammen,

leider UND zum Glück finde ich mich in vielen Aussagen eurer Beiträge wieder.

Gefühle zulassen, Vergangenheit aufarbeiten, im richtigen Moment das Richtige machen, das sind Prozesse, an denen ich lange Zeit, ab einem bestimmten Punkt der Trockenheit arbeiten musste und teilweise noch dran arbeite.

In meiner nassen Zeit wurden diese Dinge vom Alkohol gesteuert. Das heißt, Vergangenheit aufarbeiten oder drüber nachdenken ist mir gar nicht in den Sinn gekommen, weil mir gar nicht BEWUSST war, was in der Vergangenheit geschehen ist und dass dort der Grund vergraben liegt, warum ich gefühlsmässig in einem Chaos lebte, was ich wiederum mit Alkohol "geordnet" habe.
Das richtige Handeln im richtigen Moment basierte auf eingeimpften Verhaltensweisen durch die Erziehung. Das Ganze führte zu einem unzufriedenen Kreislauf, den ich durch Alkohol am Laufen hielt.

Dann kam die Trockenheit und es setzte ein Denkprozess ein, wo ich feststellen musste : Was du bisher gemacht, gedacht oder gefühlt hast, das warst du gar nicht. Du warst manipuliert, um zu gefallen, um "richtig" zu sein, um die absurden Lebensregeln und Normen zu erfüllen, die meine Mutter in einer unglaublichen Form, mit unterschwellig eingeredetem Schuldbewusstsein, mir vorgeschrieben
hatte.

Von meinen früheren Jobs möchte und werde ich keinen mehr ausüben. Ich habe es getan, weil es laut meiner Mutter ordentliche und angesehene Tätigkeiten waren, auf die ich stolz sein musste, dass ich sie machen durfte, weil eine gesellschaftliche Ehrbarkeit dahintersteckte. Über dieses Gedankengut meiner Mutter könnte ich heute noch die Wände hoch gehen.
Aber was nützt es mir? Nichts! Ich kann die vergangenen Fehlentscheidungen nicht mehr korrigieren, sondern nur für die Zukunft versuchen nach meinen wirklichen Interessen zu agieren.
Es gibt keine perfekte, reibungslose Lebensgestaltung.
Irgendwelche Hürden müssen immer bewältigt werden. Aber ich bewältige sie nach MEINEM Gutdünken und nicht, wie es Andere erwarten.

Außerdem sollte ich so werden, wie meine Mutter gerne geworden wäre und gleichzeitig wollte sie mir "mein männliches Lebensglück" aussuchen, was sie selbst nicht bekommen hat. Bei jedem Freund, den ich anschleppte, war ich voller Angst und Schuldgefühle, ob er MEINER Mutter passen könnte - es passte ihr fast keiner. Und die zwei Typen, die ihr passten, entpuppten sich als Chaoten für mich - was meine Mutter wiederum nicht verstehen konnte, weil ich so undankbar war und diese "guten Partien" sausen lies.
Ich glaube, es kann sich keiner vorstellen, in was für Zwickmühlen ich war und wie schuldig ich mir mit meiner "Undankbarkeit" vorkam. Das Wort "Liebe" hat meine Mutter im Aussuchen eines Partners nie benutzt. Die Fassade und der Lebensstandard waren ausschlaggebend, um einen Partner zu suchen. Das alles habe ich mit Alkohol ertragen und verschönert.

Gefühle zulassen, war auch so eine Sache. Lachen war bei meiner Mutter erlaubt - aber nur über Andere. Über sie durfte man nicht lachen oder mal einen Scherz machen, da war sie beleidigt. Heulen vor Anderen und überhaupt, hat sie mir als peinliche Schwäche eingeredet und sich furchtbar mokiert, wenn jemand z. B. auf einer Beerdigung laut schluchzte......sie hat sich immer beherrscht. Und ich sollte das auch. Aber ich konnte es nicht.
Dieses Gefühl eine Jammertante zu sein, was ich ganz bestimmt nicht bin, hat mein Handeln und Denken geprägt und deshalb war ich nur mit Alkohol gelöst, locker und
frei.
Nüchtern war ich wieder ganz anders.

Mit Freundschaften habe ich auch so meine Probleme, weil man die laut meiner Mutter nicht braucht. Ich komme mit Menschen recht gut in Kontakt, aber ich kann zuviel Präsens oder Nähe von Leuten nicht ertragen, wenn eine Verpflichtung daraus wird. (Ich MUSS da jetzt hin, weil es erwartet wird usw.) Deshalb habe ich nur EINE gute Freundin, die genauso denkt wie ich.
Wir kleben nicht zusammen und erwarten vom Anderen nichts, ohne großes Lamento. Aber in brenzligen Lagen, sind wir füreinander da und sei`s mal,um nachts um 1.00 Uhr Kummer los zu werden.

So, wenn ich das alles mal zusammen fasse, dann bin ich erziehungsmäßig auf eine Schiene gelotst worden, auf der ich einfach nicht fahren konnte und was dann nur mit Alkohol funktionierte.

Ohne Alkohol kam das Erkennen und Begreifen, warum ich fast 30 Jahre so war, wie ich war und warum der Alkohol eine solche Macht bei mir ausüben konnte.
Ich möchte nie mehr so verbogen und verlogen leben und deshalb habe ich um meiner Selbstwillen die radikale familiäre Trennung vorgenommen.
Warum sollte ich den aussichtslosen Versuch starten um meiner Mutter mein neues Verhalten und Denken zu erklären, wo sie mich erst Anfang des Jahres als komisch, seltsam und unbegreiflich tituliert hat, weil sie mit mir nicht mehr klar kommt? Sie lebt in ihrer seit 50 Jahren unveränderten Welt und ich in meinem ständig wechselnden
Tagesablauf.

Alle Gefühle, wie Freude, Wut, Trauer, Enttäuschung, Liebe, Lust und Leidenschaft lasse ich zu, ohne Schuldgefühle zu haben oder im Hinterstübchen zu denken, ob das jetzt richtig oder irgendwelchen Normen entspricht.
Ich mache mir auch keinen Kopf mehr, wenn ich in einer Situation etwas ablehne, wo erwartet wird, dass ich es machen würde. Warum sollte ich gegen meine innere Überzeugung handeln? Wem will ich damit gefallen und was würde es mir nützen? Nichts!
Außer einer Unzufriedenheit, die ich mir selbst eingehandelt habe, bleibt dann nichts
übrig.

Ich habe das Recht zufrieden zu sein und gleichzeitig muss ich trotzdem die Würde eines anderen respektieren. Wohlgemerkt: die Würde!!!
Das heißt nicht, dass ich der Trollo bin, der Anderen die Kastanien aus dem Feuer holt, oder dessen Lebensumstände erleichert oder verbessert, nur weil er selbst zu faul, unfähig oder nicht lernbereit ist.

Das soll jetzt nicht heißen, dass ich jeden Tag gut drauf bin und mich nichts umhauen kann. Das bestimmt nicht. Aber ich nehme alles wie es kommt und ich weis, dass mir Alkohol nie geholfen hat und helfen wird - denn diese Brühe hat verhindert, dass ich so werden konnte, wie ich IMMER sein
wollte.

Ich kann jedem nur raten, die Finger vom Alkohol zu lassen und den Mut zu haben, sich selbst zu achten - mit allen Facetten. Nur wenn man sich selber uneingeschränkt annimmt, so wie man ist, und nicht, wie es andere wünschen, werden Alkohol oder sonstige Drogen überflüssig.
Das ist nicht unbedingt einfach, aber man kann es
lernen.

Für mich ist die alkoholische Vergangenheit eine Erfahrung, die so negativ war, dass ich künftig locker darauf verzichten kann.
Das "negativ" bezieht sich nicht auf den Alkoholgeschmack (der mir teilweise sehr gut gefallen hat) sondern einzig auf die Wirkung (egal ob 2 oder 20 Gläser), weil ich damit "verdreht" war.
Das leichte alkoholische Wegbeamen ist mir noch sehr gut in Erinnerung. Aber ich kann mir nicht vorstellen, WARUM ich mich noch mal wegbeamen soll bzw. WER die Macht hat, um mich dahin zu bringen?
Wenn ich noch mal trinken müsste, dann hätte ich rein gar nichts begriffen und würde mich selbst nicht achten.

Ich denke auch, dass gerade die gelegentliche Umstimmigkeit mit dem ICH (und sonst nichts) Saufdruck auslöst und dass das, neben Leichtsinn, auch nach Jahren zu einem Rückfall führen kann.

Macht euch nicht soviele Gedanken, um "ungelegte Eier".
Lasst euch nicht von Anderen leiten oder führen, sondern nehmt euch SELBST an die Hand - schließlich kennt sich jeder(trocken) selbst am besten und WEIS, was ihm WIRKLICH gut
tut.

Allen ein schönes Wochenende
wünscht
Laila


minitiger2 ( gelöscht )
Beiträge:

04.09.2004 17:42
#7 RE: Schlaglichter Zitat · Antworten

...Wenn ich eure Beiträge so lese, dann poppen Schlaglichter aus meiner Vergangenheit auf..kann sein, daß es genau das ist, was ich suche.

Könnte passieren, daß meine Schlaglichter unzusammenhängend sind. Ist kein Lebenslauf.

...

Als Kind wurde ich oft bei meiner Patentante, der ältesten Schwester meiner Mutter, "geparkt". Dabei hatte ich wohl mal meinen ersten Rausch. Hat sie mir erzählt. Mit mir als Kleinkind auf dem Schoß hat sie Kreuzworträtsel gelöst...ein Glas Kirschlikör neben sich. Ich wurde immer lustiger, bis sie gesehen hat, daß ich mit dem Schnuller den Kirschlikör tunke.
Als ich so gut 4 war, haben meine Eltern angefangen, den Hausbau zu planen. Ich wurde wieder bei meiner Tante geparkt, und sie hatte einen Haufen populärwissenschaftliche Bücher. Erdgeschichte, Saurier, Sterne...da hab ich mir das Lesen beigebracht.

Dann sind wir nach Oberschwaben gezogen, zur Familie meines Vaters, weil meine Eltern dort gebaut haben.
Mein Vater, Ober-Oberschwabe, schaffa, schaffa, Heisle baua. Tagsüber ganz normal als Handwerker, abends und nachts in der eigenen Baustelle. Später, als das fertig war, schwarz arbeiten, um die Schulden zu begleichen. Meine Mutter mußte der bigottischen Schwiegermutter beweisen, daß sie als Schlesienflüchtling überhaupt wert war, Mitglied der Familie zu werden...und schaffa, schaffa..

Weils ja sonst keine Möglichkeiten gab, mußte ich selbst im November mit auf die Baustelle. Ich durfte aber nix anlangen, denn für meinen Vater war ich der Bücherwurm mit den zwei linken Händen. Ein Mamakind, ein Taugenichts. Das blieb auch so, als ich längst in der Schule Klassenbester war.

Für die Oma waren meine Mutter und ich Menschen zweiter Klasse. Ich bekam zu Feiertagen immer genau ein zehntel von dem, was mein gleichaltrige Cousine bekam. Schön, daß die Oma dann bei uns einzog. Ihr Weltbild erstreckte sich auf: "der Pfarrer hat gesagt"..ich war das Flüchtlingskind. So ne Art Asylant.

Jedenfalls, ein rechtschaffenes Leben war für mich keine Option. Ich wollte auf gar keinen Fall so werden wie meine Eltern

1966 kam ich in die Schule, und dann kamen zum Glück die 68ger. Für meinen Vater absolute Hassobjekte, langhaarige Nixtuer, nutzlose Tagediebe, die mindestens Arbeitslager verdient hatten. Ich konnte mich sofort mit ihnen identifizieren.


Als ich 10 war, hat mir mein Vater eröffnet, daß er es nun aufgibt, mich zu erziehen, da es eh sinnlos war. Die Schläge hatten nicht die gewünschte Wirkung. Mit meiner Mutter war er schon längst wegen meiner Erziehung über kreuz, sie wollte eine akademische Laufbahn, er einen Handwerker, und in Verbindung mit diversen Szenen zwischen ihnen, war das längst nicht mehr lustig. Im gleichen Jahr hat mir meine Mutter eröffnet, daß ich das Gymnasium allein schaffen muß, weil mein intellektuelles Niveau das der anderen Familienmitglieder längst überstiegen hat. "da kann Dir keiner helfen"...wenigstens gabs nach der Schule bald die Schnäpschen zum Entspannen, so mit 13, glaub ich..

Das hieß aber auch, daß ich mehr oder weniger machen konnte, was ich wollte. Als erstes hab ich aufgehört, Hausaufgaben zu machen, und das hab ich während meiner gesamtem Gymnasialzeit auch nie wieder angefangen. Am Ende hat sich das Baden-Württembergische Kultusministerium mir mir beschäftigt, weil ich so viele Fehlzeiten hatte, daß man mir von Gesetzes wegen hätte die Prüfungszulassung verweigern müssen. Trotzdem hab ich das Abi, ohne daß ich irgendwas widerholen musste.

Berufswunsch hatte ich lange überhaupt keinen. Am liebsten wollte ich mit dem Leben gar nix zu tun haben. So mit vielleicht 15 bin ich dann aber in so Freak-Kreisen galandet, und Aussteigertum hat mich dann doch faszininert. Irgendwie war ich ja eh in höheren Sphären...wegen der Streitereien mit meiner Oma hatte ich Bibel und Koran gelesen, und außerdem hab ich mich sehr für Astronomie interessiert, also ich hatte keinerlei Bedürfnis, mit beiden Beinen im Leben zu landen.

Es wurde gut(oder schlecht:gruebel gesoffen und gegiftet in diesen Freakkreisen, und irgendwie konnte ich mir da schnell einen Namen machen. Ich hab angefangen, in der Schule zu dealen, ich war für viele Leute interessant, und plötzlich hatte ich auch einen Berufswunsch. Drogenhändler...wenig Arbeit, schnelles Geld.

Nun denn...ich konnte schon damals nicht richtig über Leichen gehen, und ich hatte auch zu wenig inneren Abstand, um das wirklich cool durchzuziehen. Sprich, mein Eigenverbrauch war einfach zu hoch, und mein Kopf war nicht klar. Ich hab sogar mein erstes Studienfach mit dem Hintergedanken ausgewählt, in Deutschland "bessere" Drogen anzubauen bzw welche chemisch herzustellen oder abzuwandeln. Aber einerseits hatte ich dann nur noch mit kaputten Leuten zu tun, wo Selbstmorde´, Psychiatrie und Knast eher alltäglich waren..und mich konnten dann verschiedene Gerichtsverhandlungen überzeugen, daß das für mich keine wirkliche Alternative zum bürgerlichen Leben darstellt. Zwischen den Frauen aus diesen Kreisen und mir lief das auch regelmäßig schief, und irgendwann mit 24 war ich dann so richtig am Ende.

Ich wußte wirklich nicht mehr, wie weiter. Jedenfalls hab ich das Studium geschmissen, mich monatelang eingegraben und versucht, mir ein Ende zu setzen.

Nachdem ich das dann überstanden hatte, hab ich beschlossen, mir ne "Auszeit" zu gönnen. --Ausser Cannabis haben mich fortan kein illegalen Drogen mehr interessiert. Das und Alk und Nikotin, das ist mir erst mal geblieben--
Ich war einfach zu fertig, um irgendwas in die Wege zu leiten. Aber ich war irgendwelchen Leuten aufgefallen, die mich irgendwie nicht untergehen lassen wollten.
Jedenfalls, war ich dann über lange Zeit immer irgendwo eingeladen, und ich hatte einen Freund, der jeden Tag eine Flasche Bakkardi für mich geklaut hat, im Supermarkt. Er hatte auch noch ein Buch "999 Cocktails"...dafür hat er dann auch die Zutaten zusammengeklauft. Jedenalls sind wir jeden Tag zusammengesessen, zwei gescheiterte Studenten, haben Wasserpfeifen geraucht, ich den Bakkardi reingesüffelt, die 999 Drinks dazu. Und dann, zum kotzen oder in die Kneipe, oder beides. Das ging so ein paar Monate.


Irgendwann hat mir jemand seinen Studentenausweis zugesteckt.
...in München gibt es ein Arbeitsamt nur für Studenten. Dort gibt es Jobs für zwei Stunden, für einen halben Tag, für drei Tage oder auch für ein paar Monate. Damals eine Art legalisierte Schwarzarbeit, denn Studenten zahlen kaum Abgaben. Kontrollen, wieviel jemand so nebenbei verdient hat, gab es damals nicht, und die Firmen waren froh, wenn sie keinen Papierkram hatten. Und Studenten, halbwegs intelligent und geschickt, waren begehrte Aushilfskräfte.

Jedenfalls, die Jobs bis zu einer Woche, die wurden zweimal täglich ausgelost. Jeder erhielt eine Nummer, wer vorn war, hatte die ganze Auswahl, undsoweiter.
Da gab es eine Clique von Langzeitstudenten, Leute die sich immer wieder für irgendwelche Orchideenfächer eingeschrieben hatten, und mit über 50 immer noch als ein Art bessere Tagelöhner in diesem Studentenarbeitsamt existiert hatten. Ich war auch bald dabei, bei dieser Hinterbank. Diese Hinterbank nannte sich sinnigerweise "Geisterbahn"..ein Haufen gescheiterte Existenzen, schwere Alkoholiker dabei. Viele längst gestorben.

Trotzdem war ich wieder in etwas geordnetere Bahnen gekommen. In diesem Arbeitsamt hatte ich mir durch Zuverlässigkeit und entsprechende Rückmeldungen einen Namen gemacht, und ich bekam einige lukrative Jobs (und auch einige völlig verrückte Jobs, die ziemlich lustig waren). Jedenfalls war ich einer der weniger Abgestürzten, und ich hab sogar nochmal ernstlich angefangen, zu studieren. Dann kam allerdings irgendwann der Job, aus dem dann meine Firma wurde. Und wieder wars nix mit dem Studium. In dieser Zeit bin ich mit meiner Partnerin zusammengegangen.



Das bleibt jetzt erst mal so unfertig

irgendwie ist der Mensch, der ich heute bin, diesem Menschen, den ich da beschreibe, gleichzeitig nah, und sehr fern..

der minitiger



[f1][ Editiert von minitiger2 am: 04.09.2004 19:15 ][/f]


Lisl Offline




Beiträge: 1.980

04.09.2004 20:21
#8 RE: Schlaglichter Zitat · Antworten

Hi Minitiger

ich habe grad eben, rein zufällig was in einer Zeitschrift gelesen.

Da steht:
Viele Menschen die in ihrer Kindheit schlechte Erfahrungen gemacht haben, werden erst, wenn das Leben geregelt und sicher läuft, von diesen Erinnerungen eingeholt.

Aus psychologischer Sicht vermutet man Folgendes:
Solange man in seinem Leben in einer schwierigen Lage steckt, muss man alle seine Kräfte mobilisieren, um das eigene Leben zu meistern.
Erst wenn die Lebensumstände gesichert sind, hat die Seele genügend Kraft, sich mit Unerledigtem zu befassen.

Ich denke auch, dass man das nicht nur für die Kindheit sehen kann, sondern auch für das Leben danach
Das Leben danach ohne Alkohol!

Deshalb nimmt das kein Ende


Saftnase Offline




Beiträge: 1.206

04.09.2004 21:07
#9 RE: Schlaglichter Zitat · Antworten

Hallo Lisl,

das hört sich interessant an: solange man in einer schwierigen Lage ist usw..... (hab mal abgekürzt)

Es gibt aber sehr viele Menschen, die trotz einer schweren Kindheit, ohne Alkohol klar gekommen sind und auch sonst ihr Leben ohne Alkohol, oder zumindest in minimalen Mengen, meistern.

Wenn ich an die Kindheit meines Mannes denke und was ihm sonst noch alles widerfahren ist, dann wundert es mich, dass er so gut wie keinen Alkohol trinkt.

Mein Mann ist der Älteste von 6 Kindern. Der Vater hat die Familie tyrannisiert. Mein Mann musste am Hausbau immer schwer mithelfen und zum Dank hat der Vater nach dem Abendbrot die Küche abgeschlossen, damit mein Mann zu späterer Stunde nicht noch mal was essen konnte.

Seinen Lehrlingslohn hat ihm der Vater, bis auf DM 20,00, komplett abgenommen.
Mein Mann hat mit 10 Jahren beim Bauern geholfen, um sich von dem Geld was vernünftiges zum Essen kaufen zu können oder er hat in den Pausen Topflappen gehäkelt, damit Geld da war, um Brot zu kaufen.
Der jüngere Bruder meines MAnnes war der Liebling und der Kleine hat abends am Hoftor auf den Vater gewartet und ihm erzählt, dass der große Bruder ihn gehauen hat. Ohne die Gründe oder den Wahrheitsgehalt zu überprüfen, wurde mein Mann daraufhin verprügelt.
Bis zu dem Tag, als der Vater meinen Mann mit einem Nägel gespickten Brett verdreschen wollte.....da gab es einen Kinnhaken und der Alte folg durch die Glasscheibe in der Küchentür. Ab da hatte mein Mann seine Ruhe.

Dazu kam die katholisch vereinnahmte Mutter, die jeden Sonntag in die Kirche rannte und überall das Böse sah.....aber ihren Kindern nicht geholfen hat.
Mein Mann hat dann vor Verzweiflung (um zu Hause raus zu kommen) mit 2o Jahren eine Frau geheiratet, die im 8 Monat von einem anderen schwanger war
und zusätzlich eine traumhafte Schwiegermutter bekommen....die war ständig auf der Matte und hat Ratschläge erteilt.
Meinem Mann ist der Kragen geplatzt und er hat sie vor die Tür gesetzt.
Das führte dazu, dass die Schwiegermutter die Tochter aufgehetzt hat und als mein Mann von der Arbeit nach Hause kam, war die Ehefrau mit den mittlerweile 2 Kindern und der kompletten Wohnungseinrichtung (nur ein Stuhl war da) unbekannt verschwunden.....und dann wurde mein Mann schwer krank und obendrein arbeitslos....

Das sind nur ein paar Auszüge dessen, was er erlebt hat. Aber Alkohol war für ihn nie ein Thema........bis ich richtig kräftig an der Flasche hing.

Ich weis , dass ich mit Alkohol nichts verbessern kann und ohne Alkohol stark genug bin, um mich
allen Herausforderungen zu stellen.

Die Herausforderungen hat man in unterschiedlicher Ausprägung bis zum Lebensende. Und ich denke, dass man mit wachsender Trockenheit, die Dinge gefasster und gelassener in Angriff nimmt.


LG Laila


Rosalie ( gelöscht )
Beiträge:

04.09.2004 21:10
#10 RE: Schlaglichter Zitat · Antworten

minitiger

Lis, Roswithas und Lailas Beiträge sind absolute Spitzenklasse, da stehen so viele Wahrheiten und Gedankenanregungen drin.

Mir kommen ein paar Schlagwörter zu Deinen Schlaglichtern spontan in den Sinn. Jedoch muss ich nochmal ne Nacht drüber schlafen...vielleicht gehen mir da noch ein paar Lichter für dich auf...

Ich kann natürlich auch voll daneben liegen... hier so spontan mal, was mir so zu Dir in den Sinn kam:

Vernachlässigung in der Kindheit

Abschieben zu anderen Personen anstatt liebevolles teilhaben deiner selbst an den Planungen und vorhaben deiner eltern

mangelnde liebe, dafür übermässige strenge und erziehung zum "gut sein" mit nachfolgendem "aufgeben", da ja angeblich "hopfen und malz" verloren ist...

übermässige masslose strenge verbunden mit schlägen um das Kind zurechtzubiegen, wie es sich nach vorstellung der (Eltern/buckligen verwandtschaft) gesellschaftlichen umwelt zu sein, zu fühlen und sich zu verhalten hat

entstehen von masslosen ängsten, nicht "gut" genug zu sein, sich nicht angemessen zu verhalten

aufbauen einer schutzmauer aus angst vor verletzungen, eigenen gefühlen, die nicht "gesellschaftlich" erlaubt waren, daher distanziertes wirken auf die aussenwelt, durch gefühlsmäßiges abschotten von der aussenwelt

aufbauen von selbstschützendem Trotz versus der übermächtigen angst (auch versagensangst), dem wunsch nach andersartigkeit und dem intuitiven empfinden und starken berechtigtem wunsch, sich selbst zu sein und kollision mit der aussenwelt und familiär eingeprägten verhaltensmustern

ständigem inneren kampf zwischen diesen inneren welten (dem eigenen ich, den eigenen gefühlen, die vielleicht ganz anders waren als) und den "eingeimpften" anforderungen der aussenwelt, gesellschaft...

Lösen dieses inneren konflikts im alkohol...
was zu keiner dauerhaften befriedigenden lösung führte...

lösung? vielleicht so...
zeigst du dich selbst...löst du dich von der jahrelangen (ein)impfung... verschwindet die distanz... wirkst du weniger distanziert...wirst mehr du selbst...menschlicher und gefühlsbetonter gegenüber anderen und stellst fest, dass die anderen vielleicht auch aus eingeimpften fassaden bestehen, die sie vor ihre eigenen gefühle stellen...
das wir am ende alles nur menschen sind, mit ängsten, wünschen und sehnsüchten

und dann beginnst du zu lächeln...du bist nämlich nicht allein damit... das geht sogar ganz vielen so... nur das es keiner zeigen will, weil es irgendwie ein "universelles" *GUT* geben soll, was gar nicht existiert... viele sich jedoch bemühen, dieses "universelle gut sein" zu leben...und sich selbst dabei und darin verlieren...

Naja, vielleicht lieg ich ja auch voll daneben... wollt es nur mal gesagt haben...

Grüsse
Rosalie


Rosalie ( gelöscht )
Beiträge:

04.09.2004 21:15
#11 RE: Schlaglichter Zitat · Antworten

Ich nochmal...

habe übrigens gerade einen heftigen Rückfall, rauche eine nach der anderen vor mich hin... nach 7 Tagen...hätte doch nicht auf diese party gehen sollen, wo alle rauchten und hoch die tassen, bier aus allen zapfhähnen...

bis jetzt hatte ich durchgehalten...schmeckt einfach nur widerlich...

Nun ja... bin also auch menschlich...

Also morgen auf ein neues...

Grüsse
Rosalie

[f1][ Editiert von Rosalie am: 04.09.2004 21:18 ][/f]


Lisl Offline




Beiträge: 1.980

04.09.2004 21:20
#12 RE: Schlaglichter Zitat · Antworten

Hi Laila

mir scheint dann hast du den Part deines Mannes übernommen

Nun die Psychologin schreibt ja auch bei vielen Menschen und nicht bei allen Menschen

ich kann das was die Psychologin da schrieb, sehr gut bei mir auch beobachten




[f1][ Editiert von Lisl am: 04.09.2004 21:21 ][/f]


Saftnase Offline




Beiträge: 1.206

04.09.2004 22:04
#13 RE: Schlaglichter Zitat · Antworten

Hallo Rosalie,

ich habe dir und Randolf so die Daumen gedrückt.....war wohl nicht kräftig genug.

Aber vielleicht hast du gemerkt, wie schwer es ist nach nur 7 Tagen rauchfrei, plötzlich im Kreise von Rauchern zu sein.
Da ist das Verzichten seeeehr schwer und kaum
durchzuhalten.

Nicht umsonst raten wir den ganz frisch Trockenen alle Festivitäten mit Alkohol zu meiden. Vielleicht kannst du jetzt ein bisschen mitfühlen - obwohl rauchen und trinken nicht direkt zu vergleichen sind.

Also Rosalie, auf ein Neues....

Ich bin allerdings kein "seriöser" Ratgeber, weil ich selber noch qualme.


LG Laila


minitiger2 ( gelöscht )
Beiträge:

04.09.2004 22:34
#14 RE: Schlaglichter Zitat · Antworten

Hi,

nur mal zur Klärung.
Ich schreib das nicht, um einen Grund zu finden, wie ich zum Alkohol gekommen bin. Alk und Drogen sind mir einfach passiert...das heisst, über den Weg gelaufen, waren überall wo ich hinkam, im Elternhaus angefangen. Und anfänglich hatte ich einige viele positive Erlebnisse damit, gefühlsmässig, und in meiner sozialen Rolle.. Hat halt gewirkt, oder so.
Gut, vielleicht war ich besonders anfällig, ich war zuerst ein ziemlich weiches Kind, und hab empfindlich auf alle möglichen Verletzungen reagiert, auf körperliche und auf andere. Das hab ich dann halt verborgen, weils mir ja auch nix geholfen hat, und dann hab ichs nicht mehr gespürt...da gehts wohl lang.

Alles weitere waren vielleicht nur Versuche, diese anfänglichen positiven Erlebnisse zu widerholen...was zunehmend zwanghaft wurde, als es nicht mehr einfach so gefunzt hat. Vielleicht wars wirklich nur die Suche nach diesen anfänglichen Erlebnissen..

Ich schreib das auch nicht, weil ich mit meiner Alkoholkarriere hadere, oder gar trinken wollte...das ist schon länger weit weg.

Ich will das einfach nur aus mir rausplätschern lassen. Damit es davontreibt, damit ich ein paar Kommentare lese, oder so. Ich bin mir nicht sicher, ob ich Ratschläge haben will...ganz sicher will ich keine Bewertungen haben. Bewertungen gibts im Dutzend billiger. Aber dann gibts ja auch noch be-Obacht-ungen

Wirf Deine Gedanken in einen Fluß und lass sie ziehen...das kenn ich schon vom Yoga, und Scary Lady hatte das hier als Wahlspruch. Das Forum ist grad so mein Fluß, irgendwie, in dem ich meine Gedanken davontreiben lasse.
Das, was ich finden will, das scheint sich aus mir heraus zu entwickeln, wenn ich mich an euren Zutaten "entlangschreibe"..

Gute Nacht

der minitiger


Biene2 Offline




Beiträge: 4.231

05.09.2004 00:23
#15 RE: Schlaglichter Zitat · Antworten

Hi Minitiger,

ich hab auch so das Gefühl,daß da gar kein Ziel dahinterstehen muss...meiner Meinung nach befindest du dich momentan einfach mal in einer Umbruchphase und buddelst ebenfalls einfach nach ein paar Leichen,die so langsam das Stinken anfangen...

Also...erzähl weiter...wir treffen uns dann bei der standesgemäßen Beerdigung


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