die abgefahrenen Gleise hab ich jetzt nicht wiedergefunden. Hatte auch seit vor meiner "Trockenlegung" nicht mehr reingeguckt. Aber ist schon komisch, an was man sich sofort auf Stichwort erinnern kann. Was man wie stark gespeichert hat, ohne sich dessen wirklich bewußt zu sein. Ich schlag´z.B. auch immer wieder Definitionen von Alkoholismus und Mißbrauch nach. Was meine eigene Sucht betrifft, weiß ich Bescheid, warum, wieso, weshalb. Aber es treten ja auch immer wieder neue Leute in mein Leben oder auch Leute, die ich schon lange kenne, mit denen ich früher aber (logisch) nie über das Thema geredet hab. Man hat entweder zusammen gesoffen oder die haben zugeguckt, wie ich saufe. Und wenn ich jetzt plötzlich von mir als trockener Alkoholikerin spreche anstatt von Ulli in der halben Liter Staffel, dann löst das ganz neue Reaktionen aus. Ich werde dann plötzlich als "Expertin" angesehen und bin doch eigentlich immer noch dabei, in erster Linie mich selbst zu retten und zu schützen. War jetzt kürzlich seit 3 Jahren wieder in USA, wo ich im November auch wieder ganz hinziehe, und hab alle wiedergesehen, die ich schon 30-40 Jahre kenn´. Mußte feststellen, daß ich alle zum ersten Mal "nüchtern betrachte". Mit wem ich plötzlich besser klar komm und wen ich instinktiv gemieden hab und so. Diese insgesamt klarere Sicht der Welt und Dinge um mich rum möchte ich auch nie mehr missen. Als wenn in meinem Kopf endlich mal aufgeräumt wurde. Das ist eigentlich mein stärkstes Motiv, den Alkohol nicht mehr in mein Leben/Heim zu lassen.
Daß auch du beim Trockenwerden über "Lieber schlau als blau" gestolpert bist, hat mich begeistert In deiner Ausgabe ist das "Eisenbahngleismodell" vielleicht noch nicht drin, sooo trocken, wie du schon bist. Wenn ich das Vorwort zur 6.Auflage(2001) richtig deute, wars erst ab da erstmalig drin...
Wie bist du eigentlich "rausgekommen"? "Klassisch", also stationäre Entgiftung. anschließende Therapie und SHG, oder wie?
Schön, daß es das Internet gibt! Da kannst du uns auch später dann aus USA das Neueste posten und so nebenher dein Deutsch "pflegen" Wenn du die US-Site mit dem alc-gene findest, poste die doch mal in einem Themenkreis "da unten"... Interessiert mich.
ich hab auch die 6. Auflage (2001 war ein schlimmes Jahr mit vielen traumatischen Erlebnissen für mich und entsprechend Alkohol) und jetzt hab ich auch das Eisenbahnmodell gefunden.
Diese anderen Denkstrukturen fingen schon vorher bei mir an, deswgen hatte ich das Gleismodell wohl nicht mehr in Erinnerung. Habe damals alles lechzend verschlungen, was der Büchermarkt zum Thema hergibt (viel ist es ja leider nicht).
Mich hatten die beiden Bücher von Diana Beate Hellmann "Ich fang nochmal zu leben an" und "Leben ohne Alkohol" damals völlig in ihren Bann gezogen. Waren dann so der letzte Auslöser zum Trockenwerden.
Nein, ich hab auch nach ca. 30jähriger mal mehr, mal weniger starker Trinkkarriere von einem Tag auf den nächsten aufgehört. Dem ging aber ein langjähriger Umdenkprozess mit sehr schmerzhafter Vergangenheitsbewältigung voraus.
Also wenn ich das mal mit dem 12-Schritte Programm vergleichen soll, war ich schon bei Schritt 6 oder 7 (muß ich jetzt mal genau die Schritte nachgucken), als ich aufhörte zu trinken.
Als ich dann immer nüchterner wurde, mochte ich in keine Gruppe gehen, weil ich zu der Zeit auf keinen Fall all die anderen Geschichten hören wollte. War sehr für mich und in mir drin. Jetzt halte ich mir die SHG immer als Option offen. Ich denke, in USA werde ich bestimmt irgendwann das Bedürfnis haben, mich Gleichgesinnten anzuschließen. Für jetzt reicht mir erstmal das Forum. Ich les ja wie gesagt auch schon seit 3-4 Monaten ab und zu mit. Brauchte dann nur den richtigen Auslöser in der richtigen Stimmung, um mich zu melden.
Morgen werd ich mal die Gene durchgoogeln, jetzt fallen mir gleich die Äuglein zu.
nochmal ich. Also ich war so bei Schritt 8, als ich mit dem Trinken aufgehört hab. Schritt 9-12 kann man ja nur nach längerer Nüchternheit gehen. Da bin ich jetzt so mittendrin. Wobei ich mir immer selbst am meisten geschadet habe und auch dabei bin, es bei mir selbst wieder gut zu machen.
also ich hab das, was ich damals gelesen hab, gefunden. Mal sehen, ob´s klappt:
Mir persönlich ist es wurscht, ob die nun zu meinen Lebzeiten ein Gen finden oder nicht. Mir hilft der Glaube an eine biologische Veranlagung sehr beim Begreifen meiner Sucht, dem heutigen Umgang damit und dem Verhalten meiner Eltern bzw. unserer gesamten Familienstruktur. Es muß ja auch nicht ein einzelnes Gen sein, es kann ja auch die Verkettung einzelner biologischer Faktoren sein. Jedenfalls trägt die Vermutung einer gen. Veranlagung und entsprechende Forschung dazu bei, daß z.B. in USA ganz anders mit dem Thema Alkoholismus umgegangen wird. Ist ein Thema wie Diabetes, Fettleibigkeit, krumme Füße und Haarausfall. (Siehe auch Thema "Trinkkulturen" im schlauen Buch)
Ich finde auch, in Deutschland werden wir Alkis irgendwie als Exoten betrachtet und nicht, wie Du schreibst, wie in USA, ganz normal wie einer mit krummen Füssen usw.
Obwohl als Krankheit anerkannt, wird Mann/Frau immer noch strafend angeblickt beim Doc wenn Mann/Frau sich outet. So empfinde ich es jedenfalls.
Aber ich erinnere mich noch an meine liebe saufende Mutter, die wurde von meinem Vater auch immer ausgeschimpft, wenn sie blau war (anstatt ihr zu helfen). Zum Arzt gehen oder in die Klinik zum Entzug kam ja gar nicht in Frage, das war ja eine Schande! Teilweise ist es jetzt doch auch noch so.
ich kenne in USA auch einige (mir eng verbundene) leute, die einen recht "deutschen" Umgang mit Alkohol pflegen. Da aber der Umgang in der Öffentlichkeit mit Alkohol und Alkoholismus ein völlig anderer ist, macht es einem das Leben als trockener Alkoholiker um vieles leichter. Ich mußte noch mit 30 einen Ausweis zeigen, um im Restaurant Wein zu bestellen. Und die ganzen Mc&Co Ketten und coffee shops etc. haben gar keine Alk. Lizens. Da muß ich dann im Essen auch nicht danach suchen.
Ich habe deswegen damals auch lange mit mir gerungen, ob ich in eine Klinik zur Entgiftung gehe oder nicht. Am Ende hatte ich mehr Angst vor der Registrierung der Behörden als vor dem Entzug. Für mich war´s im nachhinein auch der richtige Weg, hatte aber wie gesagt auch in all den Jahren immer tage-, wochen-, jahrelange Trinkpausen.
Mit der Lebensgeschichte von D.B. Hellmann konnte ich mich plötzlich so gut identifizieren. Auch dieses Aufwachsen in einer völlig alkoholisierten Umgebung und Gesellschaft in den 60/70ern. Und das über nichts gesprochen wird, aber alle sich wegdrehen, wenn einer/eine umkippt.
Weiß noch, daß ich und meine kleine Schwester immer wie Aussätzige behandelt wurden, wenn wir mal wieder unsere Mutter mit Hilfe einer erwachsenen Bekannten nachts ins Krankenhaus gebracht haben.
Mit meiner Hausärztin hier hatte ich Glück. Wäre allerdings auch gleich wieder auf dem Absatz umgekehrt, hätte sie anders als aufgeschlossen und entgegenkommend reagiert.
Helena, mußt mir bei Gelegenheit dann mal berichten, was du zu der Beschreibung der "TB´s" in Leben ohne Alkohol sagst. War ja damals noch reichlich breit, wie ich das Buch gelesen hab und konnte damit nichts anfangen. Wenn ich es jetzt lese könnte ich schreien. Daß ich mir mein Leben lang hochinstinktiv außschließlich Alkoholiker und Co-Alkoholiker als Umgang gesucht hab. Ich war mal bei ´ner Frau ein paar Tage zu Besuch, die hat mir abends immer Magnesium gegeben, damit meine Beine vom vielen Wein nicht so weh tun. Sie selber hat kaum getrunken, führte ein recht zurückgezogenes dasein, war aber hochinvolviert in aller anderer Leute Leben und Probleme. Ärgert mich heute noch, was ich damals alles mit ihr besprochen hab.
sehr gut ist: ich fang noch mal zu leben an von diane hellmann. und rachels holidays. diese bücher habe ich schon öfter gelesen. ich muss mal nachsehen, wie "rachels holidays" in der deutschen ausgabe heisst. dann gibt es noch "nie wieder alkohol". ist von dem gleichen autor wie "nie wieder rauchen".
hab mir "Rachel´s Holiday" bei Amazon angeguckt und für später vorgemerkt. Ich schmeiß ja z.Zt. alles raus anstatt rein (auswandern...).
Allen Carrs "Nie wieder Alkohol" hab ich auch mal gelesen. Aber ich glaube, er ist kein Alkoholiker. Er hat mit dem Trinken aufgehört so wie Andere kein Rindfleisch essen, weil sie plötzlich Angst vor BSE haben. Dann schimpft er auf AA, weil er meint, sowas wie Kontrollverlust gibt es nicht. Die ganze Verzweiflung der eigenen Sucht kennt er glaube ich nicht. Das hatte mich bei D.B. Hellmann so angesprochen: wie´s plötzlich klick macht, wenn man ganz unten ist. Was meinst du?
ich bin zwar nicht barbaraa, darf dir aber hoffentlich auch antworten: Das Buch von Allen Carr empfinde ich genauso wie Du, er hatte Erfolg und schreibt jetzt Ratgeber für und wider alles Mögliche ( sein Buch über Wunschgewicht ist auch so neben dem Thema, finde ich ), das Buch von Diana Hellmann hab ich gestern abend spät angefangen und fand es so packend, daß ich garnicht aufhören konnte.
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