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Saufnix  
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Dieses Thema hat 27 Antworten
und wurde 1.812 mal aufgerufen
 Deine eigene Alkoholkarriere
Seiten 1 | 2
Locutus Offline




Beiträge: 36

30.01.2004 11:50
RE: Locutus` \"Karriere\" Zitat · Antworten

Hallo zusammen,

ich bin zum ersten mal in diesem Forum und möchte mich kurz vorstellen.
Wie fängt man da am besten an? Also, vor 45 Jahren erblickte ich das Licht der Welt und vor 29 Jahren entdeckte ich die Wirkung des Alkohols, d.h., im Alter von 14 Jahren etwa.
In diesem Alter habe ich bemerkt, dass sich unter Alkoholeinfluss mein Selbstbewusstsein enorm vergrösserte.
Ich trank, um bei den "Freunden" als cooler Macker dazustehen, und auch, weil sich meine Hemmungen dabei verflüchtigten - ich fühlte mich angesoffen einfach gut. Mit 15 war ich dann schon, nachträglich betrachtet, abhängig.
Im Gymnasium sass ich in den letzten Stunden meistens schon mit einer Bierflasche zwischen den Beinen in der hintersten Bank.
Kurz vor dem Abitur (mittlerweile habe ich es nachgemacht) habe ich dann alles hingeschmissen und eine Lehre begonnen, denn ich brauchte ja immer mehr Geld um meine Sucht zu befriedigen.
Und da gings dann richtig los. Freitags war obligatorisch, dass sich die "Harten" eine Flasche Weinbrand mitbrachten und damit die Cola verdünnten. Nur bei mir blieb es nicht beim Freitag.
Nach der Lehre war ich dann noch 3 Jahre in dem Betrieb beschäftigt und verlor den Job durch eigenes Verschulden, warum wohl...?
Kurzer Rede langer Sinn, ich hab gesoffen bis ich 30 war.
Zweimal habe ich versucht, aufzuhören, aber es kamen Rückfälle und die Zeit danach war jedesmal schlimmer als vorher.
Durch ein Erlebnis, bei dem ich meinen damals 3-jährigen Sohn gefährdete und mir selbst ein Bein brach, musste ich ins Krankenhaus. In den ersten Tagen bekam ich sehr starke, opiathaltige Schmerzmittel, so dass der Entzug nicht ganz so schlimm war.
Als ich dann wieder einigermassen klar denken konnte, ging mir mein Leben durch den Kopf und ich erkannte, wie scheisse ich lebte.
Von diesem Tag an wollte ich nie wieder trinken und mit der Hilfe meiner Frau ist mir das auch gelungen.
Den letzten Alkohol habe ich am 02. Mai 1989 getrunken, das werden jetzt 15 Jahre, und seitdem bin ich trocken, worauf ich sehr stolz bin!
Den 2. Mai feiern wir heute noch als meinen Jahrestag, oder 2. Geburtstag, wenn man so will.
Trotz allem ist der Suchtdruck auch heute noch hin und wieder da, aber die Erinnerung an meine Lebensweise in der nassen Phase lassen ihn schnell vergehen.
So, erstmal genug.

Gruß,
Locutus


Mannfredo Offline




Beiträge: 65

30.01.2004 12:50
#2 RE: Locutus` \"Karriere\" Zitat · Antworten

hallo Locutus,

willkommen an Board.
wenn du, wie du schreibst, schon 15 Jahre trocken bist, so können wir bestimmt über die eine oder andere Erfahrung von dir hoffen.
Ich durfte leider erst viele Jahre später erkennen wie schön es sein kann ohne Alkohol, bin nun aber auch schon ein Jahr trocken.

Manfred


WolframK Offline



Beiträge: 383

30.01.2004 17:13
#3 RE: Locutus` \"Karriere\" Zitat · Antworten

Hallo Locutus ,

auch vom mir ein herzlichstes Willkommen auf diesem Board.

Du hast ja - wie so viele hier - einiges mitmachen müssen und wirst mit Deinem langjährigen Erfahrungen der "trockenen" und "nassen" Art ganz sicher eine Bereicherung für dieses Forum sein.

Viele liebe Grüsse

Wolfram


Locutus Offline




Beiträge: 36

30.01.2004 22:06
#4 RE: Locutus` \"Karriere\" Zitat · Antworten

Hi @ all,

ich freue mich über die herzlich Aufnahme in euren Kreis und werde mich bemühen, euch mit meinen Erfahrungen eine Hilfe zu sein.
Allerdings kann ich immer noch nicht so aus mir heraus, wie ich manchmal möchte. (Schüchtern? Etwas menschenscheu?)
Wenn man mich aber anspricht bzw. fragt, taue ich im Allgemeinen recht schnell auf.

Bis bald,

Locutus


Saftnase Offline




Beiträge: 1.206

30.01.2004 22:48
#5 RE: Locutus` \"Karriere\" Zitat · Antworten

Hallo Locutus,

auch von mir ein herzliches Willkommen. Sicherlich wirst Du viele Erfahrungswerte, in dieses Board mit einbringen können. Die Unsicherheit zum Schreiben vergeht. Ich habe am Anfang auch mehr gelesen als geschrieben.

Während meiner nassen Zeit habe ich oft "Ja und Amen" gesagt,obwohl ich "Nein" meinte. Ich war mit Alkohol unsicher, gleichgültig,konfliktscheu und durch mein lasches Verhalten, ein "bequemer" Zeitgenosse für meine Umgebung. Erst im Laufe meiner Trockenheit bin ich immer mehr aufgetaut und sage, was ich meine, auch wenn es jetzt öfters zu unbequemen Diskussionen kommt und ich wie eine "Neuauflage" meiner Person auf meine Umgebung wirke, was aber positiv bewertet wird - eben weil ich nicht mehr lasch-langweilig bin, sondern mittlerweile sehr forsch und schlagfertig auf Dinge antworte, für die ich früher mal grade nur mit dem Kopf genickt habe, falls er nicht schon zu schwer alkoholgeschwängert war....

Ein Leben ist erst OHNE Alkohol ein Leben!!

In diesem Sinne
liebe Grüße
Laila


Winkelbube ( gelöscht )
Beiträge:

31.01.2004 19:37
#6 RE: Locutus` \"Karriere\" Zitat · Antworten

Grüss Dich locutus.

Grade auch Dein Beitrag war es, der mich ermutigte, hier mitzuschreiben. 15 Jahre ohne Alk - toll. Sich aber trotzdem mit dem Thema weiter beschäftigen zu wollen mit dem Ziel, anderen vielleicht helfen zu können,, die noch nicht auf eine so lange Trockenzeit zurückblicken oder sie erst noch erreichen wollen, dass fand ich besonders ermutigend und von Dir so beispielhaft. Meine Hochachtung.

Mir zeigt es nur, dass dieses Thema Alkohol für immer ein Thema für uns sein wird. Ein positives jetzt für Dich und mich und viele andere hier - weil OHNE.

Die anderen, die noch nicht so weit sind, bringen wir dahin, dass auch sie im Abstand vom Alkohol wieder eine Zukunft sehen werden. So hoffe ich mal.

Gehen wir es an.
Ralph


Max mX Offline




Beiträge: 5.878

31.01.2004 19:59
#7 RE: Locutus` \"Karriere\" Zitat · Antworten

hallo Ralph,
noch was zur Langjährigkeit. Auch bei mir ist es ein langjähriges Bedürfnis, mich mit dem Leben ohne Alk zu beschäftigen. Es wird niemals zu anstrengend, ist zu lange her, oder zu trübes Thema. Geblieben ist die Freude, nicht mehr trinken zu müssen. Diese Freude muss ich schließlich doch teilen. Mit wem? Na z.B. mit dir. Und so ganz "nebenbei" kommen die Erfahrungen zutage, die ich zu Anfang auch nicht wusste. Und der Therapeut auch nicht.
Also: auch dieses hat 2 Seiten, jetzt aber beide im Positiven.
Grüße von Max


Winkelbube ( gelöscht )
Beiträge:

31.01.2004 20:33
#8 RE: Locutus` \"Karriere\" Zitat · Antworten

Ja, sorry Max,

ich nahm locutus stellvertretend für alle hier, die langjährig trocken sind und sich dennoch nicht zu schade fühlen, diese Thematik auch heute noch mit anderen zu disktutieren und sich mitzuteilen.

Teilen halt, dass ist es. Das grosse Glück, es geschafft zu haben. Jetzt anderen von den Energien abzugeben, die dabei frei werden, das ist doch eine feine Sache. Von jedem hier natürlich.

Gruss von
Ralph

(?Wo finde ich hier noch andere smilies?)


Locutus Offline




Beiträge: 36

01.02.2004 15:25
#9 RE: Locutus` \"Karriere\" Zitat · Antworten

Hallo Winkelbube,

es ist nicht ganz so selbstlos von mir, wie du denkst, wenn ich mich hier engagiere ;-)
Auch mir bringt das unglaublich viel, mich mit Leuten auszutauschen, die von der gleichen Problematik betroffen sind. Wenn dabei auch noch jemandem geholfen werden kann, ist das natürlich genial.
Aber auch mir fällt es immer noch schwer, trotz der langen Trockenheit, mich in der "normalen", sprich saufenden Welt, vollkommen unbefangen zu bewegen.
In unserem Haus z.B. wohnen 3 Familien. Im Sommer werden hinterm Haus Grillpartys veranstaltet mit Alk bis zum Abwinken.
Auf meinen Hinweis hin, dass wir keinen Alkohol trinken (meine Frau ist da völlig solidarisch mit mir, obwohl sie nie probleme mit dem Zeug hatte), kamen dann solche Antworten wie "Das ist ja nicht normal, garnichts zu trinken".
Mich da drunter zu mischen fällt mir sehr schwer, weil ich die Leute, sobald sie enen gewissen Pegel erreicht haben nicht mehr als Gesprächspartner für voll nehmen kann.
Das ist mir dann schon fast körperlich unangenehm und deshalb halte ich mich da meistens fern, was bei denen den Eindruck entstehen lässt, ich sei arrogant, verrückt oder was auch immer - auf jeden Fall ausserhalb der Norm.
Also, ich will damit sagen, dass die Reaktionen der Umwelt auf meine Krankheit mir manchmal immer noch unangenehm sind.
Mal krass ausgedrückt: Es ist nicht einfach, als Wissender unter Idioten zu leben... ;-)

Schönen Sonntag,

Locutus


WolframK Offline



Beiträge: 383

01.02.2004 16:15
#10 RE: Locutus` \"Karriere\" Zitat · Antworten

Hallo Locutus ,

in der ersten zeit meiner langjährigen Trockenheit ist es mir auch relativ schwer gefallen, mich immer "unbeschadet" (d.h. ohne einen Tropfen Alkohol) aus Feierlichkeiten heraus zu halten. Ich habe es aber stets geschafft, denn es gibt eine ganze Reihe von plausiblen Erklärungen, warum man im Moment keinen Alkohol trinken will.

Und im Betrieb (Bank) waren wir so viele Leute in der Softwareentwicklung, dass im Schnitt mindestens zweimal pro Woche ein Geburtstag oder etwas ähnlich feiernswertes fällig war. Dann gab es natürlich Sekt in Massen, aber zum Glück hat es sich dann auch im Laufe der Zeit eingebürgert, dass man sich mit Orangensaft begnügen konnte (und durfte). Vor der Trockenheit habe ich natürlich auch schon morgens (die Feiern waren meistens so um 10:00 Uhr) dem Sekt reichlich zugesprochen und war dementsprechend für die Zeit bis zum Dienstschluss für anspruchsvolle Aufgaben in der Systemanalyse oder Softwareentwicklung absolut unbrauchbar.

Unsere Chefsekretärin soff bei jeder Gelegenheit und bei den Geburtstagsfeiern war immer so reichlich Sekt vorhanden, dass sie sich gegen Mittag stets 2 bis 3 Flaschen Sekt gekrallt und sich in ihr stilles Kämmerlein zurück gezogen hat. Da diese Frau unweit meiner Wohnung zu Hause war, habe ich sie auch regelmässig im Auto mitgenommen. Erst in meiner trockenen Zeit ist mir dann immer sehr unangenehm aufgefallen, welche "Sektleiche" ich da jeden Tag nach Hause chauffiert habe. Bevor ich den Wagen zu Hause in die Garage gefahren habe, musste ich erst einmal alle Fenster aufreissen und das Gebläse auf Orkan stellen, um die immer noch präsente Fahne heraus flattern zu lassen.

Kurzum: man fand in der Bank immer einen Grund, etwas zu feiern und die Sektkorken knallen zu lassen. Und es gab einige "Spezis", die damit partout nicht umgehen konnten. Es waren immer diejenigen, die zu jeder Tages- oder Nachtzeit stets ein Pfefferminz oder "Fishermans Friend" im Mund hatten, um die Fahne zu kaschieren.

Viele liebe Grüsse

Wolfram


Locutus Offline




Beiträge: 36

01.02.2004 16:29
#11 RE: Locutus` \"Karriere\" Zitat · Antworten

Hall Wolfram,

es ist nicht so, dass ich Probleme hätte, bei solchen "Feierlichkeiten" nüchtern zu bleiben. Es ist vielmehr so, dass ich mich bei diesen Gelegenheiten extrem gelangweilt fühle und nach einer Weile dann sogar körperlich unwohl.
Also versuche ich immer so bald wie irgendwie möglich, von derartigen Ereignissen zu verschwinden oder garnicht erst hinzugehen.
Das führt natürlich zu einer gewisse "Isolation", aber ich hab einfach keinen Bock, meine kostbare Freizeit mit Nachbarn zu verplempern, die (arme Schweine) in wirklich JEDER freien Minute und zu jeder Tageszeit eine Granate in der Hand halten.
ICH weiss, dass der Bursche von unten ebenfalls Alkoholiker ist, aber er nicht - und von Erkenntnis oder Einsicht keine Spur.
Deswegen habe ich den Kontakt auf ein Minimum reduziert.
Verhalte ich mich nicht doch vielleicht falsch oder unfair??

Locutus


WolframK Offline



Beiträge: 383

01.02.2004 16:41
#12 RE: Locutus` \"Karriere\" Zitat · Antworten

Hallo Locutus ,

Du verhältst Dich durch die Minimierung des Kontakts zu dem "Burschen von unten" meiner Meinung nach keinesfalls falsch oder unfair. Warum solltest Du Dich der Gefahr aussetzen, wieder mit dem Alkohol "in Kontakt zu kommen" ?

Deine andere Verhaltensweise, Dich bei den Feierlichkeiten im fortgeschrittenen Stadium zu entfernen, ist auch vollkommen richtig. Ich verhalte mich genau so, denn es hat einfach keinen Sinn, als einzig Nüchterner eine vernünftige Konversation mit an- oder betrunkenen Leuten anfangen zu wollen. Das ist von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Viele liebe Grüsse

Wolfram


Jarjar Offline




Beiträge: 117

01.02.2004 17:51
#13 RE: Locutus` \"Karriere\" Zitat · Antworten

Hallo Locutus,

ich finde deine Erzählungen sehr interresant, und dein Verhalten ist meiner Meinung nach weder falsch noch unfair. Ich gehöre auch zu der Spezies Mensch, die sich nach einer gewissen Zeit lieber zurückziehen als tapfer unter den ganzen Besoffenen auszuharren. Ich finde, das ist sogar sehr fair von uns, denn wenn der zehnte dir erklärt, dass er normalerweise ja nichts trinkt und wie toll er doch findet, dass man so tapfer ist..., also ich werde dann bisweilen doch richtig unentspannt.
Eines betrachte ich aber ein bischen anders. Ich habe in meiner Trinkzeit (jetzt 4 Jähre trocken) mir doch auch von niemandem etwas sagen lassen. Man kann es als kalt betrachten, aber ich bin nicht für die anderen, die noch trinken verantwortlich. Wer einen Rat will, kriegt Ihn. (Ein Freund von mir hat auf mein raten gerade 4 Wochen nix getrunken mirt dem Ergebnis, er hat wohl kein Problem). Aber wer noch feste trinkt, dem geh ich aus dem Weg.
Und wer bei mir im Auto mit Fahne sitzt, bekommt auch mal ein Fishermans verpasst. Da kenn ich nix.


Max mX Offline




Beiträge: 5.878

01.02.2004 18:38
#14 RE: Locutus` \"Karriere\" Zitat · Antworten

hallo Locutus,
"Mal krass ausgedrückt: Es ist nicht einfach, als Wissender unter Idioten zu leben... ;-)"
Ich freue mich sehr über diese deine Bemerkung. Ich finde sie überhaupt nicht überheblich, sondern notwendig, und deutlich ausgedrückt. Was habe ich mir das Maul zerfranst in der ersten Zeit der Trockenheit, weil die lieben Kollegen usw.aber auch reineweg gar nichts begriffen. Bis ich dann eines Tages herausfand, "das brauchen die doch gar nicht". Ich behellige die regelrecht. Da knirschte in mir meine Seele, sie seufzte, und seit dem habe ich "denen" verziehen.
trotzdem würde ich niemals zu einer angetrunkenen Gesellschaft gehen. Was soll ich denn da? Die reden nach einer Stunde schon so als ob sie einen Kartoffensack auf der Zunge hätten. Und dann grinsen die immer so doooooof. Und sooo doooof war auch ich früher mal!!
Grüße von Max


Locutus Offline




Beiträge: 36

01.02.2004 18:47
#15 RE: Locutus` \"Karriere\" Zitat · Antworten

Hallo,

Ihr sprecht mir aus der Seele!
Auf solche Antworten hatte ich gehofft, ich hatte nämlich schon fast ein schlechtes Gewissen, weil ich den Leuten aus dem Weg gehe. Das ist jetzt weg.
Es ist wie Balsam für die Seele, sich mit Menschen auszutauschen, die einen verstehen!

Locutus


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