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Saufnix  
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Dieses Thema hat 2 Antworten
und wurde 1.247 mal aufgerufen
 Deine eigene Alkoholkarriere
richie Offline




Beiträge: 395

28.05.2002 16:23
RE: Richie the last Zitat · Antworten

...und hier der letzte Teil....

August 2001 - Januar 2002:
Es geht mir trocken immer besser - auch körperlich erhole ich mich sehr gut - in der letzten Phase meines Trinkens hab ich sowohl Ernährung (teilweise nur mehr flüssig) als auch die Körperpflege stark vernachlässigt. Viele Leute sagen mir, dass ich in letzter Zeit gut aussehe (hab ca. 10 kg zugenommen), ohne den tieferen Grund zu kennen.
Ich trinke Unmengen süßer Limonaden, in den ersten 2 Monaten hab ich überhaupt eine Gier nach Süßigkeiten, die aber dann wieder abflaut. Auch werde ich (offenbar klassische Suchtverlagerung) koffeinsüchtig - früher hab ich kaum Kaffee getrunken, jetzt trinke ich mehrere Kaffee täglich, auch unmittelbar vor dem Schlafen macht er mir nichts.
Natürlich tauchen immer wieder Trinkwünsche auf, aber die sind zunächst vom Stolz und der Euphorie, es "geschafft" zu haben, überlagert. Auch verfalle ich in den Irrglauben vieler kurz trockener Alkoholiker, indem ich glaube, alle Welt müsste mir jetzt dafür "auf die Schulter klopfen".
Nun, die Umwelt hat sich nicht verändert, nur ich arbeite an mir (mit weiterhin regelmäßigen Gruppenbesuchen), eine andere Einstellung zum Leben zu finden, und vor allem "im Heute leben" (eins meiner Hauptprobleme - ich hab ständig über dies und jenes gegrübelt, und der Anfang meines Alkoholismus lag wohl zu einem Teil darin, durch die Droge das "Kopfkino" abzudrehen). Es gelingt nicht immer, aber immer besser, und ich merke wirklich, wie ich mit Situationen umgehen lerne, ohne zur Flasche zu greifen.
Außerdem merke ich, dass bei mir nicht die Anlässe, bei denen viel getrunken wird gefährlich sind - richtig gefährlich wird bei mir die Situation "Richie allein zu Haus".
28. Januar 2002:
Genau 6 Monate trocken - und offenbar will ich's noch mal wissen: ich trinke 2 Bier, danach merke ich, dass ich weitersaufen will. Ich kaufe auf dem Heimweg noch eine Flasche Schnaps ..... irgendwann lande ich im Bett (Flasche leer).
Am nächsten Morgen ein fürchterlicher Brummschädel, aber Gott sei Dank kein Bedürfnis, weiter zu saufen, und auch keine körperlichen Entzugssymptome. Im Gegenteil, mich gruselt's bei dem Gedanken, dass ich früher jeden Morgen in einem ähnlichen Zustand war.
Also, wieder bei Null zu zählen beginnen....
6. März 2002:
dienstlich in Bordeaux - welche Ironie ;-) Beim Abendessen im Lokal wird ohne Bestellung für jeden ein kleines Glas serviert - der Inhalt sieht aus wie Fruchtsaft. Ich rieche daran, rieche jedoch keinen Alkohol. Als ich es trinke, merke ich, dass doch Alkohol drin ist. Also denke ich mir, jetzt hab ich eh schon getrunken, jetzt kann ich auch den berühmten Bordeaux kosten. Ich trinke also ein Glas Wein, hab jedoch danach kein Bedürfnis, noch mehr zu trinken. Im Gegenteil, es hat mir nicht mal geschmeckt.
Gleichzeitig wird mir aber die Gefahr bewusst, sich eventuell einzureden "ist ja damals auch gut gegangen" - denn dass ich auf Dauer nicht kontrolliert trinken kann, hab ich ja lang genug bewiesen.
Auch merke ich immer mehr, dass ich die regelmäßigen Gruppenbesuche brauche, einfach um immer an meine Krankheit erinnert zu werden - unangenehme Dinge verdrängt man ja leicht ("war ja eh nicht so schlimm")
17. April 2002:
zeitlich aufstehen - Flugzeug um 7:30 nach DK - intensiver Arbeitstag und kaum was zu essen - am Abend so übermüdet, dass man nicht schlafen kann - Hotelzimmer mit Minibar. Ohne zu denken öffne ich ein Bier. Es werden zwar "nur" 3 Bier an diesem Abend, aber wieder mal hab ich einen Umfaller gebaut.
1. Mai 2002:
Nach einem heftigen Streit mit meiner Frau nehme ich einen "ordentlichen Schluck" aus der Flasche - zur Beruhigung.
Mai 2002:
Durch meine "Umfaller" merke ich, dass sich der Alkohol immer wieder anzuschleichen versucht. Und ich sehe, dass es gewisse Situationen gibt, mit denen ich immer noch nicht umgehen kann - ich kann nur hoffen, dass ich aus allem was lerne, und solche Situationen in Zukunft bereits im Vorfeld erkenne und rechtzeitig gegensteuern kann.


tommie Offline




Beiträge: 10.595

02.06.2002 15:17
#2 RE: Richie the last Zitat · Antworten

Hallo Richie,

da drücke ich alle vorhandenen Daumen, daß du weiterhin trocken bleibst.

Ich selbst sitzte immer noch am 1. ausführlichen Teil der Niederschrift meiner "Karriere". Und - es gibt da so einige Übereinstimmungen. Aber - dazu später mehr, sobald ich die Erinnerungsschnipsel richtig zusammengesetzt habe.


Was mir "gefällt" ist, was du am Schluß schreibst: Und ich sehe, dass es gewisse Situationen gibt, mit denen ich immer noch nicht umgehen kann. Darauf trifft dann wohl das (manchmal selten dämliche) Sprichwort zu: "Selbsterkenntnis ist der beste Weg..... "
Mich ganz persönlich interessiert natürlich brennend, um welche Situationen es dabei geht.

tommie


richie Offline




Beiträge: 395

02.06.2002 16:38
#3 RE: Richie the last Zitat · Antworten

das ist ja das seltsame - die Situationen sind ziemlich individuell, bei mir z.B.
1) plötzlicher, unerwarteter Ärger (damit bin ich aber wohl nicht allein)
---> da muss ich aber immer nur die erste kurze Zeit überstehen, dann ist der Saufdruck weg.
2) "Richie mit Alkohol alleine, dazu noch übermüdet"
(da fällt mir die englische HALT-Regel ein : never get too Hungry, Angry, Lonely, Tired)
so geschehen an meinem Abend in DK.
3) feucht-fröhliche Feste oder Lokalbesuche machen mir dagegen seltsamerweise gar nix aus - vielleicht, weil ich mich da mental schon vorbereiten kann.


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