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Saufnix  
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Dieses Thema hat 9 Antworten
und wurde 1.421 mal aufgerufen
 Deine eigene Alkoholkarriere
Seele62 Offline



Beiträge: 635

17.10.2006 09:56
RE: 44 Jahre Seele und ihre Geschichte Zitat · Antworten

Hallo,
ich habe meine Geschichte vor ca.1 jahr schon einmal geschrieben.
Viele werden sie kennen und doch möchte ich mich Euch noch einmal vorstellen.

Ich bin 44 Jahre alt, bin verheiratet und habe einen wunderbaren Sohn von 18 Jahren.

Ich wurde in eine Familie hineingeboren, in der eigentlich gar nichts war wie man es sich als Kind wünschen würde.
Meine Eltern trennten sich, da war ich ca. 4 Jahre alt.
Meinen leiblichen Vater habe ich dann mit 12 das erste Mal wiedergesehen, aber viel Interesse war da von seiner Seite nie. Meine Mutter heiratete wieder, bekam mit diesem Mann 2 Kinder und ich war getrennt von meinem leiblichen Bruder, denn er wuchs bei unserem Vater auf.
Meine Erinnerung ist so ab meinem 7. Lebensjahr ganz intensiv, denn da begann mein Leidensweg.
Mein Stiefvater begann zu trinken und ich verbrachte meine Kindheit damit, meine Mutter und meine Geschwister vor ihm zu schützen. Er wurde teilweise auch sehr gewalttätig.
Bei der Polizei war ich jahrelang bekannt, denn ich rannte damals im Nachthemd und barfuss zum Revier, wenn ich durch Lauschen an der Tür feststellte, die Situation eskaliert wieder. Sie nahmen ihn dann mit, aber nach 2 Stunden, warum auch immer, war er wieder da.
Ich habe gut für meine Mutter gesorgt, habe sie nachts gesucht, wenn er sie vor die Tür gesetzt hatte, habe sie unter meiner Bettdecke versteckt,wenn sie nicht mehr sicher vor ihm war, ich habe sie unglaublich geliebt, meine Mutter.
Und doch, wenn sie sich mit ihm wieder versöhnt hatte, dann beschimpfte sie mich, dass ich mich da einmischte.
Aber ich hatte doch große Angst um sie. Das Ganze dauerte so bis zu meinem 12. Lebensjahr, dann trennte sie sich von ihm, kam aber ihren Pflichten als Mutter trotzdem nicht nach. Sie hatte ja Seele, die sich um alles kümmerte und niemals Schwäche zeigte. Sie befreundete sich dann mit einer Frau und die beiden zogen jeden Abend los und gingen auf Männerfang.
Wir hatten dann in unserer 1 Raum Wohnung jede Nacht andere Männer und sie amüsierte sich mit ihnen.
Dann lernte sie einen kennen, mit dem bekam sie noch ein Kind, wieder Trennung, dann ein Mann, der 15 Jahre jünger war.
Ich war mittlerweile 17 Jahre alt, eine junge Frau, und große Konkurrenz für meine Mutter.
Sie machte mir das Leben weiterhin sehr schwer, ekelte mich förmlich aus dem Haus.
Sie mißbrauchte mein Vertrauen und wenn sie mich mit Worten schlug, hielt ich noch die andere Backe hin. Anschließend entschuldigte ich mich, wußte aber nicht wofür.
So allmählich veränderte sich die Liebe zu meiner Mutter, ich begann sie zu verachten.
Ich verachtete ihre Dominanz, ich verachtete ihre Hysterie, ich verachtete ihr Mutterdasein und ich verachtete sie, weil sie mich so behandelte, seit Jahren.
Mit 18 Jahren lernte ich einen Jungen kennen, den heiratete ich dann 4 Jahre später.
Er war meine große Liebe und er kam aus einer Familie, in der auch nur getrunken wurde.
Zu Weihnachten gab es 2 Kästen Bier und alle waren glücklich.
Er war eigentlich jeden Tag betrunken und dann mein erstes Bier, wollte ihm imponieren.
Ich war damals ein sehr zurückhaltendes, eingeschüchtertes Mädchen. Hatte Angst vor anderen Menschen und traute mir nichts zu. Ich war nichts, einfach ein .........Schwein,eine Hure,eine Schlampe, ein Dreckstück laut meiner Mutter.
Ich glaubte ihr und mein Leben war alles andere, als lebenswert. Aus diesem Imponierenwollen entstand ganz schnell das Gefühl des Sich was Trauens. Also setzte ich den Alkohol ganz bewusst ein, damit ich überhaupt am Leben ein wenig teilnehmen konnte.
ich konnte mich dann auch gegen meine Mutter zur Wehr setzen. Es kamen neue Beschimpfungen dazu, wie Säuferin.
Mein Freund und ich wollten dann eine eigene Wohnung, dafür mußten wir aber heiraten, denn eine günstige Zechenwohnung hätten wir sonst nicht bekommen.
Und ich war endlich raus von daheim.
Naja und wir junges Paar, wir soffen fleißig weiter, schlugen uns, vertrugen uns wieder, usw.usw..Mein damaliger Mann betrog mich am laufenden Band und das nahm ich hin.
Ich war es eben nicht wert, dass er mir treu ist. Nach 2 Jahren Ehe trennte ich mich dann doch von ihm, aber nicht vom Alkohol, da steckte ich schon lange ganz tief drin.
jeden Abend trank ich meine 4,5,6,Flaschen Bier.
Dann lernte ich einen Mann kennen, stellte später fest dass er drogenabhängig ist aber ich war schwanger.
Während der Schwangerschaft trank ich Malzbier, klappte recht gut.
Ich bekam ein wunderbares Kind, Trennung vom Vater, 3 Jahre alleinerziehend.
Abends mein Alkohol.
Dann trat mein jetziger Partner in unser Leben und zeigte uns, was eine Familie ist.
Schnell stellte er fest, dass ich zuviel trank, immer wieder Streit. Ich änderte mein Trinkverhalten, soff "nur noch" quartalsweise, aber wenn dann richtig.
Immer wieder der Wunsch aufhören zu können, ganz aufhören zu können.
In den trinkfreien Wochen machte ich mich vor 6 Jahren auf die Suche, auf die Suche nach mir selbst und da bin ich heute noch bei.
Möchte mich kennen- und lieben lernen und auch da bin ich auf einem guten Weg.

Mit meiner Mutter habe ich seit 2 Jahren gar keinen Kontakt mehr, ich zog 750 km weg, weg von ihr, so sehe ich das heute.
Und doch habe ich ihr verziehen,denn sonst hätte ich nie meinen inneren Frieden gefunden.

Ich erzähle diese Geschichte, weil es für mich immer ein guter Weg zur Verarbeitung ist.
Meiner Kindheitsgeschichte, wozu auch noch 3 Mißbräuche gehören,gebe ich heute nicht mehr die Schuld daran, mit dem Trinken begonnen zu haben.
Ich zeigte als Kind soviel Stärke, brauchte keinen Alkohol dazu. Ich hätte wissen müssen, was in mir steckt, was ich schaffe auch ohne Suchtmittel.

Alkohol, Du hast mich 26 Jahre lang begleitet, nun müssen wir uns trennen, es ist kein Platz in meinem Leben mehr für Dich.

LG
Seele


Lachfalte Offline



Beiträge: 378

17.10.2006 10:01
#2 RE: 44 Jahre Seele und ihre Geschichte Zitat · Antworten

Liebe Seele,

lass dich mal feste drücken!

Lachfalte


Tina72 Offline



Beiträge: 533

17.10.2006 10:21
#3 RE: 44 Jahre Seele und ihre Geschichte Zitat · Antworten

Hallo Seele,

Zitat
Ich war es eben nicht wert,



Das kenne ich so gut. Ich habe es mit auf meinen Weg bekommen, nicht viel wert zu sein.
Mir hat es sehr geholfen vor meinen Eltern zu "kapitulieren". Ich kann sie nicht mehr ändern und das ist auch nicht meine Aufgabe. Ich lebe mein Leben so wie ich es möchte und lasse mir nicht mehr von ihnen reinreden. Damit geht es mir auch gut.


Seele62 Offline



Beiträge: 635

17.10.2006 10:27
#4 RE: 44 Jahre Seele und ihre Geschichte Zitat · Antworten

Danke Lachfalte,
das tut sooooooooo gut.
Hab meine Geschichte gerade nochmal gelesen und die Tränen fließen.
Aber es ist gut, ein Zeichen, dass ich mich wieder spüre, ich empfinde Trauer, ich weine.
LG
Seele


Seele62 Offline



Beiträge: 635

17.10.2006 10:31
#5 RE: 44 Jahre Seele und ihre Geschichte Zitat · Antworten

Hallo Tina,
ich denke das kennen so viele von uns, es nicht wert zu sein.
Unser ganz eigenes Leben zu leben, darum geht es, anderen nicht mehr die Möglichkeit zu geben uns zu manipulieren.
Wie könnten wir sonst zu uns selbst finden?
Schön dass Du einen Weg gefunden hast damit umzugehen und dass es Dir damit gut geht.
LG
Seele


Max mX Offline




Beiträge: 5.878

17.10.2006 10:39
#6 RE: 44 Jahre Seele und ihre Geschichte Zitat · Antworten

hi Seele,
so traurig das auch ist, du hast gar keine andere Chance als ein 'neues' Leben anzufangen.
Ich lese auch heraus, dass du immer das Leben gesucht hattest, nicht etwa die Fehler die ja sowieso immer recht bekommen. Aber es waren nur wenige Blümchen am Wegesrand. Doch all die traurigen Fragmente taugen eben nicht für ein anders Leben. Wohl aber sind mindestens deine eigenen positiven herzlichen und heftigen Bemühungen zu erkennen, also vorhanden. Dieses finde ich doch eine gute Basis!! Gruß Max


Lotte01 Offline




Beiträge: 514

17.10.2006 11:19
#7 RE: 44 Jahre Seele und ihre Geschichte Zitat · Antworten

Hallo Seele,

Deine Lebensgeschichte ähnelt schon verblüffend der meinen. Deshalb kann ich gut mitfühlen.

Zitat
Ich zeigte als Kind soviel Stärke, brauchte keinen Alkohol dazu. Ich hätte wissen müssen, was in mir steckt, was ich schaffe auch ohne Suchtmittel.



Ach liebe Seele, diese Strenge! Das tut mir richtig weh zu lesen.

Wünsche Dir alles Glück der Welt und gutes Vorankommen auf Deinem Weg.


Seele62 Offline



Beiträge: 635

17.10.2006 12:37
#8 RE: 44 Jahre Seele und ihre Geschichte Zitat · Antworten

Lotte,
das hat nichts mit Strenge zu tun.
Bin längst nicht mehr streng zu mir, stelle nur fest, ziehe Vergleiche und freue mich darüber, wenn ich mal wieder erkenne.
LG
Seele


Seele62 Offline



Beiträge: 635

17.10.2006 12:38
#9 RE: 44 Jahre Seele und ihre Geschichte Zitat · Antworten

Hallo Max,
schön dass Du meine Bemühungen erkennst, freue mich darüber.
LG
Seele


Seele62 Offline



Beiträge: 635

20.10.2006 21:18
#10 RE: 44 Jahre Seele und ihre Geschichte Zitat · Antworten

Hallo zusammen,
nachdem es mir in den letzten Tagen nicht ganz so gut ging, war einfach von Allem genervt, konnte ich heute wieder einen sehr guten Tag geniessen. Die Arbeitswoche endete besser, als sie begonnen hatte. Klärende Gespräche auf der Arbeit, die mir große Erleichterung verschafften und alles mit einem klaren Kopf. Ein sehr schönes Gefühl.
Ja, heute geht es mir gut und ich starte in ein schönes Wochenende.
Gestern war ich wieder in der Gruppe und es war wieder sehr hilfreich für mich. Hatte gestern zum 1. Mal wieder Gedanken in Richtung Alkohol. Ganz kurz nur, aber die Gedanken waren da. Umso klarer wurde mir natürlich, dass Vorsicht geboten ist. Mir war auch bewusst, dass diese gedanken nicht von heute auf morgen verschwinden.
LG
seele


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