Wollte mich diesmal mit einem aufkommenden Problem an Euch wenden. Ja, langsam geht die euphorische Zeit vorbei, habe mich, jetzt nach einem halben Jahr sowieso schon gefragt, ob ich die Glückseligkeit gepachtet habe.Ne, hab' ich natürlich nicht - langsam kommen die Schattenseiten zum Vorschein, ich merke langsam, was an Arbeit auf mich zukommen wird in der nächsten Zeit (ist irgendwie auch gut so, denn man kann sich wohl kaum weiterentwickeln, wenn man auf Dauer im selben Zustand verharrt....).
Was ich seit einiger Zeit an mir bemerke, ist eine Art übermäßiger Empfindlichkeit - vor allem Störungen gegenüber, z.B.Lärm. Da gibt's den Nachbarshund, der manchmal eine halbe Stunde vor sich hinkläfft und den ich in Gedanken wohl schon tausendmal zur Seifenfabrik gebracht habe, oder eine Gruppe von Jugendlichen, die vor unserem Haus einen Treffpunkt hat, oder lautes Türenknallen im Haus - all das geht mir mächtig auf den Geist, es trifft mich innerlich mehr als bisher.Bin dann ziehmlich aufgewühlt, wütend, etc. Da kann ich auch vor der Glotze nicht relaxen, weil mir das einfach zu schaffen macht. In meiner nassen Zeit existierte dieses Problem kaum, da konnte ich mir ja ein Bier (nach dem anderen) aufmachen, damit war das Thema gegessen. Aber jetzt?
Wenn ich an die warme Jahreszeit denke, wo die Grillfeten in den Nachbargärten losgehen mit Gelächter und Gegröle bis weit nach Mitternacht - na, das kann ja heiter werden! Vielleicht legt sich das wieder, ich weiß es nicht. Derzeit bin ich gefühlsmäßig doch ganz schön überempfindlich, ist eine Art Leiden, denn ohne den Relax-Faktor Alk muß ich es einfach aushalten, ertragen und warten bis es vorrübergeht.
Wie sind eure Erfahrungen, wie geht ihr mit solchen Störungen um?
hallo Randolf, "und warten bis es vorrübergeht" kann nicht sein. In meinem ersten Trockenjahr hatte ich so reichlich mit mir und mit anderen und mit Problemen jeglicher Art zu tun, dass ich (glücklicherweise?) kaum aus dem Knick kam, oder auf dummen Gedanken. Aber ich erinnere mich recht gut, dass die Probleme des ersten halben Jahres mir nach 1 Jahr schmal und von gestern vorkamen. Und ab 1 jahr aufwärts wurden es immer mehr Dinge FÜR das Leben, allgemein und insbesondere, jedoch kaum noch gegen den Alk. Weil das zunehmend weniger und weniger nötig wurde. Könnte es sein, dass du dich zu sehr im eigenen Saft bewegst, positiv, Dinge von früher bewältigst (und nicht "tapfer" vorbeiguckst so wie zuvor), und nun ist möglicherweise eine Grenze deiner Entwicklung erreicht, die mit anderem lebenstüchtigem Zeug zu tun hat? Also ich meine jetzt Dinge zum aktiven Bearbeiten, für welche du dir was einfallen lassen musst. Grüße von Max
[f1][ Editiert von Max mX am: 15.02.2004 19:48 ][/f]
ja - das kenne ich zu gut. Man nimmt auf einem Mal Dinge wahr, die wohl früher beim Saufen durch einen extremen Wattebausch gedämpft waren. Über mir wohnt eine Frau, der ich zu Weihnachten schon Filzpantoffeln schenken wollte - so geht mir ihre Lauferei in der Wohnung auf die Nerven. Die Idee mit der Seifenfabrik ist natürlich viel besser . Nee- aber im Ernst: ich bin da auch sehr empfindlich und reizbar geworden. Habe aber auch schon erkannt, daß die Ursache bei mir selbst liegen muß. In meinem Leben ist halt auch viel mehr Stille eingekehrt. Es liegt an mir, zu Hause zu sitzen und auf Geräusche zu achten oder mich aufzumachen, etwas zu unternehmen, das mich auf andere Gedanken bringt. Nur immer geht das halt nicht. Und wenn ich zu Hause bin, dann möchte ich es am liebsten ganz ruhig haben. Mein Tagesrhythmus ist auch ein ganz anderer geworden. Früher habe ich die Nacht zum Tag gemacht. Heute gehe ich oft schon sehr früh schlafen, und meine letzten Gedanken vorm Einschlafen beschäftigen sich damit, die Leute zu ermorden, die es wagen, über mir herumzutrampeln oder ihre Hunde draußen kleffen zu lassen.
Heute regt es mich auch auf, daß ich scheinbar die Einzige bin, die das Treppenhaus sauber hält. Den anderen ist das egal. War es mir früher auch. Heute eben nicht. Muß dann aber schon über mich selbst und diese neue spießige Seite an mir lachen - über mein "Hausmeister-Krause-Syndrom" wie ich es nenne.
Da dieses Problem auch bei mir sehr aktuell ist, beschäfitge ich mich gerade mit Entspannungs-Techniken. Du weißt schon: das Sonnengeflecht im Bauch und regelmäßiges, bewußtes Atmen. Für den Moment bringt mir das wirklich was. Ich werde das mal regelmäßig machen und gucken, ob mir das mehr Gelassenheit bringt.
Bleib cool und habe Geduld mit Dir - und auch mit Deinem nervösen Nachbarshund. Zur Not sprich Deinen Nachbarn an. Es gibt auch Zeiten, an die sich Hunde halten müssen.
das mir den Entspannungsübungen bringt tatsächlich was. Ich habe so gelernt,ein schönes Gefühl,das ich bewusst im Plexus gespeichert habe,auch auf Kommando abrufen zu können.
Und wenn Du gleichzeitig noch die Ohren auf Durchzug stellst,zieht das alles an Dir vorbei.
Aber die Lektion soll wohl eigendlich lauten:
Leute,lasst das bewerten sein. An jeder Situation gibt es immer zwei Seiten und man kann sich bewusst entscheiden,wie man diese Situation auf sich wirken lässt.
Und die beste Lösung heisst eben,gar nicht bewerten und einfach "Sein" lassen können. Klappt zwar leider auch nicht immer,ist aber eine lohnenswerte Übung.Man erspart sich viel Kraft damit.
na klar bringen Entspannungsübungen was, Bauchatmung etc., damit beschäftige ich mich auch schon ein paar Jährchen.
Alles an sich vorbeiziehen lassen, nicht bewerten - kein Problem. Ich kann aber nicht den ganzen Tag meditieren; natürlich wird gesagt, man solle die Erfahrungen in der Meditation in den Alltag integrieren. Aber ganz so einfach ist es auch wieder nicht, gell....
Emotionale Reaktionen auf äußere Reize treffen einen oft unvorbereitet, und da das Gefühl schneller reagiert als das oft zu träge Denken(bewerten),befindet man sich bereits im Erregungszustand, wenn das mentale Erkennen einsetzt.
Die Lösung wäre wohl, die Reaktion genau zum Zeitpunkt des Entstehens zu beobachten und sich nicht damit zu identifizieren. Dies setzt aber schon eine sehr hohe Bewußtheit vorraus,und noch bin ich kein Zen-Meister.
Aber all das, Selbst-Beobachtung, Aufmerksamkeit, Meditation usw.ist ja ein Lernen, damit umzugehen.
hallo Randolf, dein Zitat zur Entspannung: "befindet man sich bereits im Erregungszustand, wenn das mentale Erkennen einsetzt." Das ruft bei mir Jubilieren hervor! Wunderbar. Genau so war (u.a.) auch mein Weg. Bloß: diese von dir angesprochene scheinbare Diskrepanz bleibt naturgemäß erhalten. Aber deine Einstellung dazu wird sich ändern, es wird immer gemütlicher werden. Die innere mitunter kreischende Dringlichkeit baut sich ab, so wie du dich entwickelst. Also nicht einfach weg vom Alk, sondern "na wohin denn nun?" Grüße von Max
eine Warnung möchte ich doch noch dazu tun. Diese Empfindlichkeit kann aber auch eine unbewusste Suche nach trinkanlässen sein. Ich hatte dieses Phänomen im Sommer letzten Jahres,als mir sogar ein Staubkorn die Laune verderben konnte. Ich schien mich auf einmal zu einer Reinlichkeitsfanatikerin zu entwickeln,wohlwissend,dass mein Hauhalt niemals perfekt sein kann,bei der Menge meiner Brut. Aber ich regte mich auf,und das über Wochen. Dachte aber in dieser Zeit nicht eine Minute daran zu trinken. Erklären könnte ich das so,dass wohl mein süchtiges Hirn eine alte Neurose ausgebuddelt hat (Mein Ex war so ein Fanatiker und hatte mir dementsprechend das Leben ziemlich schwer gemacht),um mich schon mal wieder on the road zu schicken. Mich hatte der Zusammenhang Grillabende und unweigerlich Alk etwas frappiert im Nachhinein.
In der Reha sagt man dazu(in etwa):Unbewusste Vorbereitung eines Rückfalls.
dazu fällt mir spontan dieser wunderbare Satz ein "Ich nahm es bereits persönlich, wenn die Fliege an der Wand mir den Rücken zudrehte". habe vergessen wer das war. Max[f1][ Editiert von Max mX am: 16.02.2004 13:44 ][/f]
....also wegen den besagten Grillabenden meinte ich nicht, daß ich daran teilhaben werde (selten Lust auf sowas), sondern die Geräuschkulisse, die dann in mein Schlafzimmer schallt, das finde ich eben ätzend.
Aber auch nicht so, daß ich deswegen wieder zur Flasche greifen möchte. Das ist es nicht.
Eher so, daß ich mit dem Trinken auch eine Art Rüstung abgelegt habe und nun ein wenig ungeschützt allen äußeren Einflüssen ausgesetzt bin - zeitenweise. Mal hat man einen guten Tag, wo alles o.k. läuft, dann wieder nicht, kennt doch jeder.
Zur Zeit ist eine ziehmliche Veränderung bei mir im Gang, die ich bewußt gar nicht so mitkriege, als ob im Hintergrund eine Menge Dinge geschehen, positiv oder negativ ist unmöglich zu sagen.
Rückfallgefahr sehe ich auch bei genauerem Hineinhorchen keine, bin aber sehr wachsam.
ich war´s Max, ganz am Anfang meiner Abstinenz - hat sich aber deutlich gelegt die Überempfindlichkeit, nehme es inzwischen nicht mehr persönlich bei der Fliege und auch bei vielen Menschen nicht mehr!
Ja, Randolf, man muss sich erst an die neue Situation gewöhnen. Die positiven Aspekte des nüchternen Erlebens überwiegen aber bei Weitem!
Du schaffst das Randolf, kannst ja solange anfangen Trompete zu üben, während die draußen grillen
Trompete nicht, aber ich habe ja das Didgeridoo - daran werde ich mich auslassen.Will endlich diese Sch...Zirkulär-Atmung auf die Reihe kriegen, ab und zu gelingt es mir ja schon - aber ich muß noch viieel üben...dröhndröhndröhn...
Ich war schon immer empfindlich auf unnützen Lärm. Seit meiner Trockenheit ist das auch nicht besser geworden. Ich kann solche Dinge jetzt nur erfolgreicher ignorieren. Mit einigen Bieren im Getriebe ist auch die Chance grösser, dass man mal das Fenster aufreisst und den anderen zubrüllt, endlich mal die Schnau... zu halten .
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