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Saufnix  
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Dieses Thema hat 5 Antworten
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Winkelbube ( gelöscht )
Beiträge:

09.02.2004 18:23
RE: Teil 3 - MPU - Ein prägendes Ereignis Zitat · Antworten

MPU - Ein prägendes Ereignis - 3. Teil

Ich nahm mir eine Flasche Orangensaft und suchte mir einen Platz an einem der runden Tische. Rund war ungünstig beim Ausfüllen von Unterlagen, wenn man zu mehreren daran sass. Der Bereich, auf dem Mann schreiben konnte war stark eingeschränkt, so sassen dann auch einige recht verbogen vor ihren Unterlagen, Verkrampfung war nicht ausgeschlossen. Ich suchte mir einen kleinen runden Tisch am Fenster mit Blick zur Tür. Ich sitze immer, fast ein Leben lang wenn möglich so, dass ich den ganzen Raum überblicken kann, vor allem aber die Tür. An meinem ausgesuchten Tisch sass noch ein männlicher Mensch, schon deutlich vorangeschritten in der Beantwortung der Fragen. Das deutete für mich auf baldigen Abgang hin und mehr Platz dann für mich. Ich blätterte einmal kurz durch das Fragenheft und überflog den Inhalt. Aha, wieder so einer, wie der für zuhause. Seltsam, dachte ich, dass hatte ich doch schon alles mal beantwortet, oder zumindest so ähnlich. Klar, dass war jetzt die Überprüfung, ob die Antworten, vor allem deren Inhalte von zuhause nun mit denen hier übereinstimmten. Schlau, schlau, aber eigentlich auch klar, die Heimarbeit konnte ja auch mit Fremdhilfe unterstützt worden sein. Dann schaute ich in die Runde, und betrachtete mir meine Mitstreiter. Da sass unter anderen auch der Hippie, der immer nebenbei am Steuer seinen Joint durchzog (cool man, eyh). Der Vertreter, der gar nicht verstand, wieso er hier sass, die Termine waren doch schuld für seine Raserei (weg da, Opa, hab Termin). Die Frau sah mir nach Alkoholproblemen aus, Chefsekretärinnentyp (ich schau grad, wann ein Termin frei ist), beklunkert und bereift sass sie da im schwarzen Kostüm, neben sich der lederne, berstende Organizer. Selbständige Kauffrau hätte auch gepasst, jedenfalls liess die Gesichtshaut auf ein zuviel an Alkohol schliessen. Sie las sich grad ihre Antworten durch und verschwand auch alsbald aus dem Raum. "Wiedersehen, oder besser nicht, hahaha", quälte es sich mit gespielter Lockerheit aus ihr heraus. Keine Reaktionen im Raum. Das waren sicherlich alles nur vorverurteile Betrachtungsweisen der Mitmenschen dort, aber es half mir beim Entspannen, darauf kam es an. Allerdings war sicher auch niemand nur zum Spass hier.

Am meisten beschäftigte mich gedanklich ein Ausländer, denn ein solcher war er. Das wurde auch dadurch bekräftigt, dass er einen Übersetzer neben sich sitzen hatte, der leise mit ihm sprach. Wie merkwürdig, dachte ich, muss man denn in der Fahrschule die Theorie nicht in deutscher Sprache absolvieren. Ich wusste es nicht, nur eines, unter solchen erschwerten Bedingungen hier zu sitzen, hätte ich kaum aushalten können. Vielleicht war das ja auch Bedingung für Ausländer ohne ausreichende Deutschkenntnisse, sich einer MPU zu unterziehen? Damit waren meine Betrachtungen beendet, nun ging es an die Antworten. Ich nahm meinen Aktenkoffer als Schreibunterlage, lehnte mich locker zurück und begann. Tja, und diese Fragen nun waren auch nicht von Pappe. Sie hatten in gewisser Weise Bezug zu den vorangegangen, aber waren doch irgendwie anders. Wie war ich froh, dass ich meine Antworten von vor 8 Tagen nicht geschönt oder sonst wie eingefärbt, sondern "frei von der (trockenen) Leber weg" geschrieben hatte. Zwischendurch kamen und gingen einige der anderen Mitstreiter immer mal aus dem Raum, zur gesundheitlichen Untersuchung zum Beispiel. Jetzt war ich dran. Eine junge Ärztin nahm mir Blut ab, prüfte den Puls, vor und nach einigen Kniebeugen, stellte ein paar Fragen nach Trinkgewohnheiten aus früherer Zeit und wann ich zuletzt Alkohol getrunken hätte, prüfte einige Reaktionen. Das war alles, nach 15 Minuten war ich wieder bei meinem Fragenheft.

Inzwischen hatte sich das Zimmer geleert, wir sassen nur noch zu viert oder fünft im Raum. Mit den Antworten liess ich mir Zeit, beantwortete sie aber doch spontan und nach besten Wissen. Die Thematik handelte hauptsächlich von Alkohol und Strassenverkehr, klar. Nach ca. 50 Minuten, mit der Unterbrechung der medizinischen Untersuchung von 15 Minuten war ich damit fertig. Das waren also 35 Minuten, die ich dafür brauchte, wie ich hinterher feststellte. Mir kam es deutlich länger vor, denn zur Uhr schaute ich nie, das hätte mich nur gestresst. Zum Glück hing auch keine im Zimmer, wie es bei Behörden oft so üblich ist. Ich war hier in keiner Behörde, sondern in einem privaten Unternehmen, das wurde immer wieder spürbar. Niemals hatte man das Gefühl, dass man es den Menschen nachtrug, warum sie eigentlich hier waren (bei meiner Miss Honnie war das ganz anders). Ich gab nun am Empfang mein fertig bearbeitetes Fragenheft ab. Die Damen vom Empfang, fungierten gleichzeitig als Verwaltung, Schreibbüro und Management. Nun sollte ich mich noch eine Weile in den Vorraum setzen, oder eine Zigarette rauchen (aber bitte vor der Tür im Treppenhaus), es würde in einigen Minuten ein Psychologe kommen, der mit mir eine Befragung durchführen werde.

An Rauchen war nicht zu denken, drei Züge hab ich mir reingequält, danach die Kippe im bereitstehenden Sandkübel zerquetscht und ging zurück zu meiner MPU. Kaum sass ich wieder dort, kam auch schon ein grosser, dynamisch wirkender jüngerer Mann auf mich zu, begrüsste mich und leitete mich zu seinem Sprechzimmer. Er wirkte sympathisch auf mich, das war schon mal ein Glück. Die Befragung (oder Sitzung?) begann mit einleitenden Worten: "... habe mir ihre Akte durchgelesen und lese dort ...". Ohne Ankündigung folgte sofort eine sehr direkte Frage, die für mich zunächst in keinem Zusammenhang mit dem vorher Gesagten stand. Huhh, da musste ich sofort von Zuhören auf Antworten schalten. Das Unangenehme dabei war, dass eines seiner Bürofenster ein wenig offen stand und der Verkehrs- und Menschenlärm der Hauptstrasse von unten in das Zimmer drang. Das lenkte mich irgendwie ab, ich musste den Psychologen manch eine seiner Fragen wiederholen lassen. Das war mir natürlich peinlich, gehörte aber vielleicht auch zum Konzept (wer weiss das schon bei psychologischen Sitzungen, ich jedenfalls nicht). Dann kam die Aufforderung: "Nun erzählen sie doch mal, wie kam es denn zu der Alkoholfahrt?" Ich fragte, wo ich beginnen solle und legte dort los, wo er verlangte. Er machte sich Notizen und musste mich zwischendrin stoppen in meinem Redeschwall, er käme sonst nicht mit beim Skizzieren, dass müsse er aber, damit er später beim Erstellen eines Gesamtbildes die Zusammenhänge noch versteht.

Markant bei dieser Befragung, besonders meiner Schilderung des Ablaufs dieses einen bestimmten Tages der Alkoholfahrt, war das ständige Unterbrechen mit Fragen, die auf meine berufliche, familiäre, nichttrinkende und trinkende Vergangenheit zielten. Dann immer wieder: "Ja, gut das hab ich. Wie ging es denn jetzt weiter mit dem Tag?" Hier dürfte dem Leser jetzt klar werden, warum die Unterbrechungen von ihm gewollt waren. Mir war es hinterher jedenfalls sehr klar. Hätte ich mir nämlich eine halb- oder unwahre Geschichte zurechtgelegt, von der ich der Meinung war, dass sie dem Psychologen gefallen oder ihn übertölpeln könnte, wäre ich spätestens bei seiner Methode des Unterbrechens völlig aus dem Konzept geraten. Ihm wäre natürlich sofort aufgefallen: Aha, einstudiert, nicht authentisch. Das hätte "durchgefallen" bedeutet. Meine Erzählung war aber keine einstudierte, sondern entsprach den nackten Tatsachen, ungeschminkt. So kamen wir darin weiter vorwärts bis zum Ende. Bei allen Punkten meiner Verfehlungen kamen mir 100 Gründe in den Sinn, die gegen eine positive Beurteilung sprachen. Ich hatte zum Schluss ein sehr schlechtes Gefühl. Zum Abschluss des Gesprächs, das ungefähr eine halbe Stunde dauerte (ich sass dort gefühlsmässig schon drei), prüfte er noch einmal einige Angaben, in dem er nachfragte, ob er es so richtig verstanden hätte.

Nun waren wir durch und er am Zuge, eine erste Einschätzung von mir und meiner jetzigen alkoholfreien Entwicklung und der Manifestierung zu geben. Alles schön und gut, meinte er, er sähe meine Auseinandersetzung mit Alkohol und meine Erkenntnisse, auch werte er positiv, dass ich in Zukunft abstinent bleiben wolle, bei den vorliegenden Werten sei dass wohl auch besser. Der Punkt, der ihm allerdings am meisten zu schaffen mache, sei der, dass ich in keiner Gruppe oder Therapie sei. Zwar sagte ich ihm, dass meine Chatgruppe für mich wie eine Selbsthilfegruppe wäre, das anzuerkennen fiel ihm aber schwer. Er müsse sich darüber noch mal Gedanken machen, auch fehle ihm noch die Auswertung der Fragebögen. Dann wünschte er mir einen guten Tag und viel Erfolg für meine alkoholfreie Zukunft. "Sie können jetzt nach Hause gehen, dass Gutachten wird ihnen in ca. 14 Tagen per Post zugestellt." Wie bitte, es war jetzt irgendwas nach 1.00 Uhr und ich war schon durch, also etwa eineinhalb Stunden hatte das nur gedauert, die ganze MPU? Ich war erstaunt, konnte es nicht fassen. Keine Geschicklichkeits- oder Reaktionstests, keine Verkehrsfragen, nichts. (Später in den Unterlagen, die mir zu Hause verblieben, las ich dann, dass je nach Gegebenheit oder Anlass weitere Tests nicht ausgeschlossen gewesen wären. Ich gab also keinen Anlass, Punkt für mich, nur wusste ich das an dem Tag noch nicht.)

Ich stand auf der Strasse vor dem Haus. Schwere Beine, schwerer Kopf, schlechte Gefühle zogen mich in ein tiefes Loch. Das Umfeld verschwand vor meinen Augen. Das war die nachlassende Anspannung, die ja eigentlich Vorrat für mehrere Stunden gesammelt hatte. Nun waren aber erst eineinhalb Stunden vorbei. Das passte nicht zueinander und verwirrte mich eine Weile. Nur Reflexe bewegten mich aus dem Zentrum des Ortes in Richtung Randbezirk. Dieses hirnhohle Wandeln kannte ich nur zu gut, der Körper läuft mit einem Kopf obendrauf, der sich nicht wehren kann, geradewegs zur nächsten Alkoholtränke. Dass ich auf der Strasse blieb und nicht an einem Tresen strandete, liess mich wieder erwachen. "Oh ja, siehst Du, das wäre jetzt wieder so eine Situation für den Beginn einer Sauforgie gewesen", mit diesen Worten regte sich wieder mein Hirn. Ich war auf der Strasse geblieben und war stolz darauf und froh darüber, dass ich mich in diesem Zustand auf mich verlassen konnte. Ein wunderschöner Beweis wurde mir da zu teil. Dann ging mir das Gespräch mit dem Psychologen durch den Kopf. Hatte ich mich überhaupt richtig erklärt, hätte ich einiges nicht anders sagen müssen, hatte ich nichts vergessen, hat der mich überhaupt verstanden, ich hättte noch viel mehr erklären sollen, die Zeit dazu reichte nur nicht, wie steht es nun um die Beurteilung, 50:50? Und so weiter. Ich versuchte die Gedanken zu verscheuchen und es gelang, hatten sie doch ohnehin keinen Zweck mehr, das Gespräch war beendet, es war nun nichts mehr zu ändern.

Jetzt benachrichtigte ich meine Frau über das Mobilfunktelefon, dass sie mich wieder in Empfang nehmen könne, ich sei am Ende, auch mit der MPU. Aber keine Sorgen solle sie machen, ich wäre ok soweit. Es war inzwischen verdammt heiss an diesem Tag, ein warmer Wind wehte noch dazu, vermischt mit dicker, verpesteter Stadtluft. Ich freute mich auf die heran nahende Klimaanlage (selbstverständlich auch auf meine Frau) und die frische Land- und Seeluft meiner jetzigen Heimat. Bloss schnell weit weg von diesem Ort des Martyriums wollte ich sein. Die Heimfahrt erfolgte zügig, keine Traktoren, keine Rehe. Nun aber begann die Wartezeit auf das Gutachten. Ein, zwei Tage ging mir dieser MPU-Tag noch durch den Kopf, dann war wieder Normalität eingekehrt. Eines vor allem hat mir über die Wartezeit hinweg geholfen, die Tatsache nämlich, dass ich nach dieser für mich bisher am schwersten wiegenden Belastung nicht wieder zur Flasche gegriffen hatte. Dagegen verblasste die mögliche Enttäuschung eines negativen Gutachtens, also durchgefallen zu sein, vollends. Ärgern tat ich mich nur bei der Vorstellung, dass ich diese bestandene Belastungsprobe nicht noch nachträglich dem Psychologen mitteilen konnte. Ich war gefestigt, bekam ich bewiesen, aber hat der Psychomensch das auch erkannt an dem Tag meiner Untersuchung?

Ungefähr 14 Tage später hielt ich einen DIN-A4-Briefumschlag in Händen, das Gutachten war angekommen. Bedächtig und mit Herzklopfen öffnete ich ihn und legte das Gutachten vor mich hin. Jetzt war die Stunde der Wahrheit gekommen. Da lag es nun also, ein Schriftstück eines professionell damit beschäftigten Gutachters und Psychologen, das ein Urteil über mich und mein Verhalten zum Inhalt haben sollte. Kein Urteil über meine Fahrzeugführerzukunft, nein, ein Urteil über mein Alkoholproblem und seine Bewältigung, das war es für mich und damit viel wichtiger. War dieser berufene Mensch überzeugt von dem, was ich von mir selber schon wusste, nie mehr zu trinken und bei dieser Einstellung auch zu bleiben? Ist dieses Wissen wirklich so gefestigt, dass es vor fachlicher Kompetenz standhalten konnte? Diese Antworten wollte und sollte ich jetzt bekommen. Spannung pur (beim Leser jetzt auch?). Bei meiner Frau, die mir gegenüber sass, stand riesige Erwartung in den Augen zu lesen. Ich fing vorn an, nicht gleich hinten, wo das Ergebnis zu vermuten war. Meine eigenen Gefühle kann ich nicht beschreiben, dafür fehlen mir einfach die Worte. Die Gedanken meiner Frau allerdings konnte ich fast lesen, so zappelig wie sie wurde: "Jetzt will der Kerl doch wohl nicht von vorne lesen, langsam Satz für Satz, das gibt es doch nicht, das halte ich nicht aus?" Selbst Zorro, unser Hund zu unseren Füssen, knurrte seltsam vor sich hin. "Na, da will ich euch mal erlösen," sagte ich, worin ich natürlich inbegriffen war. Ich blätterte die letzte Seite auf und las zunächst leise vor:

Zitat: Gutachtenergebnis: Es ist nicht zu erwarten, dass der Untersuchte auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird.

Dann trug ich es noch einmal, diesmal lauter vor ... Jetzt folgte ein mehrstimmiges "Hurra" mit dazu passendem Freudentanz, der das Dorf erzittern liess. Meine Frau und ich vielen uns in die Arme, selbst unser Zorro kläffte und tobte vor Freude mit. Wir waren beide glücklich und den Tränen nahe. Dann Ausatmen. Sacken lassen. Stille. Bedachtsamkeit. Ein Gefühl einer Neugeburt machte sich in mir breit. So muss es wohl gewesen sein, als ich meinen ersten Schrei in diese Welt hinein tat. Nun las ich mir das Gutachten in seiner gesamten Länge in Ruhe durch. Es las sich, abgesehen von der Sprache, wie eine einzige Bestätigung für mich und meine Einstellung zum Alkohol. Es war ein Fest für meine Seele, für mein Selbstvertrauen, für meine Entscheidung, nie wieder Alkohol zu trinken. Ich will das hier nicht in Einzelheiten darlegen, was mir alles dokumentiert wurde. Zusammenfassend gesagt, wurde meine Darstellung einer dauerhaft alkoholabstinenten Lebensführung als glaubhaft bezeichnet. Weiter wurde festgestellt, dass ich eine weitreichende Einsicht in meine eigene Alkoholproblematik bzw.. -gefährdung zeige, sowie eine hohe Motivation, die Alkoholabstinenz dauerhaft beizubehalten.

Hier standen sie nun, die entscheidenden Sätze, die tausendmal wichtiger für mich sind, als irgend eine Fahrerlaubnis für die Strassen auf Erden. Ich halte damit einen viel wichtigeren "Führerschein" in Händen, nämlich für einen alkohollosen Weg durch mein Leben in aller Zukunft. Dieser Mensch und Psychologe hatte es also erkannt, was ich selbst schon wusste und tat, alkoholfrei leben. Ich sprach im Geiste den Satz: "Jawoll, du hast mich verstanden und glaubst an mich, Herr Psychologe, und Du wirst erleben, dass ich Dich und mich nicht enttäuschen werde." Diesen Satz, oder so ähnlich, spreche ich auch heute noch manchmal vor mich hin, wenn sich eine schwierige Situation einen Weg zu meinem "Blaumännchen" bahnen will. Davon wird dieses dann so erschreckt, dass es gar nicht erst aufmuckt. (Blaumännchen trinkt schon lange nur noch Selter, gibt es aber nicht gerne zu.)

Das waren also die prägenden Ereignisse meiner MPU, die Bestätigung hauptsächlich, dass meine Entscheidung zur Alkoholabstinenz nur richtig sein konnte und ich mir darüber auch nichts mehr vormache. Dazu noch im Besonderen, dass ich das alles durchgehalten hatte, ohne wieder rückfällig zu werden.

Ein neuer Führerschein fiel dabei auch noch ab. Den konnte ich jetzt also wieder erhalten. Das bedeutete einen Besuch bei meiner Löwin Miss Honnie. Diesmal allerdings hatte ich fast nichts mehr zu befürchten, mit diesem Gutachten in den Händen. Gleich am nächsten Tag fuhr mich meine Frau mit meinem Auto zum Verkehrsamt. Der Wagen hatte inzwischen viel Staub angesetzt und sollte auch mal wieder in Bewegung kommen. Ich hatte keine Hoffnung, noch am selben Tag fahren zu dürfen, von anderen Papieren weiss man ja, wie lange die Beschaffung dauern kann. Mein bestes Pokerface aufgesetzt und beabsichtigt etwas weniger akkurat gekleidet, überreichte ich Miss Honnie meine Unterlagen, die gefordert waren. Als letztes das Gutachten, etwas zögerlich (ich wollte sie so richtig auf die falsche Fährte locken). Danach sass ich da, absichtlich klein geduckt, mit gesenktem Haupt und mucksmäuschenstill. Die Dame fing von vorn an zu lesen, so viel Disziplin muss sein. Keine Miene verzog sie, ab und an war nur ein Zucken in ihren Augenwinkeln zu vermerken. Auf der letzten Seite angekommen, kam von ihr nur: "Ja, dann steht ja einer Wiedererteilung nichts im Wege." Das war es. Kein Glückwunsch, kein Lob, alles ganz sachlich. Na gut, warum auch nicht, sie ist ja schliesslich Sach-Bearbeiterin. Irgendwie schien es mir jedoch, dass sie verwundert war darüber, dass ich ein positives Gutachten vorweisen konnte, aber Frau Honnie war so beherrscht, dass das kaum auszumachen war (wo sie das wohl gelernt hatte).

Dann allerdings taute ein wenig die Eisschrankstimmung auf, als sie mir mitteilte, der Führerschein selber sei natürlich noch nicht gefertigt, ich könne aber eine vorläufige Fahrerlaubnis erhalten, wenn ich das wolle, das wäre dann allerdings mit Kosten verbunden. "Ja, wirklich?" entfuhr es mir, "dann machen wir das doch sofort." Ein wenig entgeistert schaute sie mich an, so als könne sie nicht glauben, dass ich noch nie von einer vorläufigen Fahrerlaubnis gehört hätte.
Damit hatte ich aber wirklich nicht gerechnet. Dann hielt ich das Ding in Händen, ich durfte jetzt tatsächlich wieder am Strassenverkehr als Fahrer teilnehmen. Darüber war ich wohl so verwirrt vor innerer Freude, dass ich bei der Verabschiedung sagte: "Tschühüss, ich sage nicht auf Wiedersehen, denn unter solchen Umständen möchte ich ein solches nie wieder." "Sie müssen aber ihren entgültigen Führerschein noch abholen, zuschicken tun wir den nicht." Oh, nee, nicht noch mal, doch daran kam ich nicht vorbei. Sie liebte es wohl, mich zu quälen, meine Miss Honnie, oder mich wiederzusehen? Irgendwie schien mir das auch plausibel dadurch, dass sie enttäuscht schien über das Gutachten und seinem positiven Ausgang für mich. Das hatte sie mir wohl nicht zugetraut? Mein Pokerface-Auftritt war scheinbar erfolgreich.

Jetzt ging es wieder zurück nach Hause, das waren ungefähr 12 Kilometer. Diesmal fuhr ich, ach was, fahren, mir kam es vor wie auf einem Luftkissen zu schweben, oder sanft schaukelnd durch die Landschaft zu fliegen. Ein Wahnsinnsgefühl und ich musste aufpassen auf die schon erwähnten Chausseebäume. Die Gefühle beim Fahren wurden sicher auch unterstützt dadurch, dass meine Ordnung in der Welt jetzt wieder so hergestellt war, wie vor meiner letzten Fahrt in die Kelle. Nein halt, viel mehr war es. Etwas war ja anders jetzt. Ein Gefühl von einem beschenktsein mit einem wiedererlangten, freien Leben. Ein Leben ohne Alkohol in meinem Körper und Geist. Grüss dich, Blaumännchen, wir trinken nachher einen Tee zusammen.

Das also war die Geschichte meiner MPU, die wichtigen Ergebnisse und die Gewinne daraus an Erkenntnissen. Prägend für mich und sicher lesenswert für Euch und vor allem jene, bei denen die Blaumännchen (oder wie sie auch immer heissen mögen) immer noch Alkohol bevorzugen. Wer da nun meint, dass sei ja ein lockerer Schreibstil von mir, das ist ja alles doch recht lustig gewesen, dem sei gesagt, es war mit die schlimmste Zeit in meinem Leben, die Reifeprüfung gewissermassen. Deshalb benötige ich jetzt auch eine Pause und ein wenig Abstand davon. Es kann also sein, dass sich der eine oder andere Rechtschreib- oder Grammatikfehler hier verbirgt, weil ich nicht mehr die Konzentration habe, alle zu finden (mit Konzentration allerdings auch kaum). Dem Inhalt selber tut das ja keinen Abbruch, denk ich mal.

Diese Geschichte schrieb das Leben, ich gab sie nur wieder und weiter an Euch.

Ich grüsse alle herzlich.
Ralph.


Max mX Offline




Beiträge: 5.878

10.02.2004 10:08
#2 RE: Teil 3 - MPU - Ein prägendes Ereignis Zitat · Antworten

hallo Ralph,
danke von mir für deine sehr schöne Geschichte, phantasievoll und heiter geschrieben (nicht zu verwechseln mit hübsch!!). Sie klebt überhaupt nicht, obwohl das eigentliche Thema ja im Ursprung wohl zum brüllen, spucken spontan was weiß ich nicht noch alles gewesen sein dürfte. Auch deine Poesie ist insofern lesenswert, als dass du damit zum Ausdruck gebracht hast: "Kameraden so geht's", ohne zu meckern. Außer 'Frau Fundtionär', da denke ich, dass alle diese Katzen dunkelgrau sind, egal wer sie bezahlt.
Das Ganze sollte Bestandteil eines Büchlein sein über "das Leben nach unserem zweiten Urknall". Damit es nicht immer bloß mahnende warnende umkehrende medizinisch-psychologische Abhandlungen gibt - oder eben diese seitenschweren Romane - wo unsereins dann doch eher passiv staunend in der Ecke steht und sagt "toll".
Erinnert mich an meinen immer unten stehenden Spruch "besser ein Licht anzünden als auf die Dunkelheit schimpfen".
So nun reicht es, ich grüße dich und deine Poesie, Max


WolframK Offline



Beiträge: 383

10.02.2004 12:31
#3 RE: Teil 3 - MPU - Ein prägendes Ereignis Zitat · Antworten

Hallo Ralph ,

eigentlich wollte ich den zweiten und dritten Teil Deiner MPU schon gestern abend durchlesen, aber dann habe ich es mir doch für heute vormittag aufgehoben.

Zwar hatte ich gestern abend bereits den zweiten Teil angefangen, aber als ich merkte, wie hervorragend und ausführlich Du das alles nieder geschrieben hast, wollte ich den vielen Text nicht mal eben "so nebenbei" vor dem Schlafengehen lesen.

Und heute gegen mittag habe ich mir so richtig Zeit genommen und beide Texte langsam und ausführlich gelesen. Lieber Ralph, ich muss Dir ein ganz grosses Lob zukommen lassen. Beim Lesen fühlte ich mich geradezu in Deine Person versetzt und fieberte immer wieder der weiteren Entwicklung entgegen. Ich habe selten einen so packenden und ergreifenden Bericht gelesen und zum Schluss fiel mir - fast so wie Dir im richtigen Leben - ein Stein vom Herzen, als Du es "geschafft" hattest.

Ganz sicher werde ich mir Deine Aufzeichnungen im Laufe der Zeit noch ein paarmal durchlesen - sie sind es wert, immer und immer wieder hervor geholt zu werden.

Ich danke Dir von ganzem Herzen für Deine sehr gut beschriebenen Erfahrungen und Gefühle mit der MPU und hoffe, dass viele mit diesem Text in ihrem Vorsatz zu einer alkoholfreien und trockenen Zukunft um so mehr gestärkt werden.

Viele liebe Grüsse

Wolfram


Winkelbube ( gelöscht )
Beiträge:

11.02.2004 20:09
#4 RE: Teil 3 - MPU - Ein prägendes Ereignis Zitat · Antworten

Herzlichen Dank Euch beiden,
das geht runter wie
Ö
ö
ö
l
l


Gruss Ralph.


Saftnase Offline




Beiträge: 1.206

12.02.2004 20:23
#5 RE: Teil 3 - MPU - Ein prägendes Ereignis Zitat · Antworten

Hallo Ralph,

....und jetzt tropft Dein Öl auf mein Posting.... Aber Du hast das klasse geschrieben und geschildert. Ich werde bestimmt noch öfters mal in das "Werk" schauen.

Liebe Grüße

Laila


WolframK Offline



Beiträge: 383

12.02.2004 21:09
#6 RE: Teil 3 - MPU - Ein prägendes Ereignis Zitat · Antworten

Hallo Ralph ,

das Riesenlob für Deine brillante Schilderung Deiner Erlebnisse bei der MPU etc. hast Du Dir redlich verdient.

Du hast geschrieben, dass Du nach Wiedererlangung der Fahrerlaubnis ein ganz neues "Autogefühl" gespürt hast. So in etwa war es auch nach meiner ersten grossen Entgiftung, als ich mich nach Entlassung aus dem Krankenhaus wieder ans Steuer gesetzt habe. Ich habe mich unendlich frei gefühlt - frei von Angst (auch vor einer eventuellen Polizeikontrolle) und Selbstvorwürfen.

Viele liebe Grüsse

Wolfram


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