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Saufnix  
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Dieses Thema hat 2 Antworten
und wurde 821 mal aufgerufen
 Deine eigene Alkoholkarriere
jerry65 Offline




Beiträge: 120

22.12.2003 12:24
RE: Meine Vorstellung Zitat · Antworten

Hallo,
nachdem ich nun schon einige Zeit über das Board geistere möchte ich mich nun endlich mal „ordentlich“ vorstellen:

Ich bin 38 Jahre alt, verheiratet und habe 3 Kinder.
Aufgewachsen bin ich in einem kleinen Dorf in Franken. Ich stamme aus, wie sagt man so schön, „kleinen aber wohlgeordneten Verhältnissen“ ( und das meine ich in keinster Weise ironisch!).
Bis Mitte der 90er Jahre verlief mein Leben eigentlich völlig unspektakulär aber für mich äußerst zufriedenstellend.
Während meines Studiums lernte ich meine heutige Frau kennen. Kurz vor Studienende heirateten wir dann. Unsere älteste Tochter wurde während der sich daran anschließenden praktischen Ausbildungszeit geboren. Anschluss hieran nahm ich für 9 Monate Erziehungsurlaub, den ich gleichzeitig nutzte um meine berufliche Selbständigkeit vorzubereiten. Bis zu diesem Zeitpunkt hat Alkohol für mich eine völlig untergeordnete Rolle gespielt. Ich trank Abends meine 1-2 Bier, oder statt dessen mal Wein oder auch Whisky. 2-3 mal im Jahr hatte ich im Rahmen von irgendwelchen Festen oder Parties einen „Absturz“ mit anschließendem fürchterlichen Kater, der mich dann meistens für einige Zeit von weiterem „Alkoholgenuß“ abhielt. In dieser Zeit würde ich mein Trinkverhalten im nachhinein betrachtet, als normal, aber leichtfertig bezeichnen.

Dies änderte sich jedoch nach Beginn meiner selbständigen Tätigkeit. Da ich nach relativ kurzer Zeit unter Schlafstörungen litt, begann ich, diese mit Alkohol zu „behandeln“. Zunächst gewöhnte ich mir an, zum Feierabend noch am Schreibtisch, ein Bier zu trinken, um „zu entspannen“. Abends, wenn die Kinder (es waren inzwischen 2) kamen noch 2-3 Bier hinzu.
Dies weitete sich im Laufe eines guten halben Jahres immer weiter aus, das heißt ich begann immer mehr und immer früher zu trinken, bis ich mich Anfang 98 bereits am frühen morgen mit einer Bierflasche in der Hand „erwischte“.

Da ich hierdurch Angst bekam „Alkoholiker zu werden“ (!!!), beschloss ich, meinen Konsum allmählich „zurückzufahren“ um wieder auf 4 Bier täglich zu kommen, was ich damals für „normal“ hielt. Da dies auch wunderbar klappte, hatte ich jetzt also die Bestätigung, dass ich doch keiner von „diesen Alkoholikern“ bin, weil ich die Sache ja so toll „im Griff hatte“.

Logischerweise ging das nur kurze Zeit gut, die Dosis stieg und stieg bis ich eine „Tagesdurchschnittsleistung“ von ca. 15 Bier oder einer Flasche Hochprozentiges über den Tag verteilt erreicht. Unter immensem Aufwand gelang es mir, dies selbst vor meiner Frau zu verheimlichen. Sie merkte zwar, dass mit mir „etwas nicht stimmt“, kam aber nicht auf die Idee, dass ich ein Alkoholproblem hatte. Mein „Feierabendbier“ war ihr zwar bekannt (und diente als willkommene Rechtfertigung für meine „Fahne“), jedoch lag ihr der Gedanke an Alkoholismus völlig fern.

Mir selbst war etwa ab Ende 1999 klar, dass ich Alkoholiker bin, habe es aber zur Seite gedrängt und die „Problemlösung“ immer von einer Woche auf die nächste oder übernächste verschoben (weil es ja im Moment gerade immer so stressig war!!!).

Im Herbst 2000 konnte ich meinen Zustand nicht mehr länger ertragen. Das mit dem Verheimlichen klappte (besonders bei meiner Frau) nicht mehr richtig, sämtliche Versuche, mit dem Trinken aufzuhören oder es wenigstens zu reduzieren scheiterten, der Job litt gewaltig, ich zog mich völlig zurück. Da ich mir selbst nicht mehr helfen konnte, aber aus Scham auch keinerlei Hilfe von anderen annehmen wollte, beschloss ich, „die Welt von meiner Anwesenheit zu befreien“. Glücklicherweise bin ich ein sehr Methodischer und „rücksichtsvoller“ Mensch und musste zunächst natürlich meine Angelegenheiten soweit möglich ordnen und alles entsprechend vorbereiten. Als dies am nächsten Tag erledigt war, versuchte ich einen Abschiedsbrief zu verfassen, in dem ich meiner Frau gegenüber erklären wollte. Dies habe ich aber wegen meines besoffenen Zustandes Gott sei Dank nicht mehr auf die Reihe gebracht. Über dieses „Versagen“(!!! WIE BLÖD KANN EIGENTLICH EIN EINZELNER MENSCH SEIN!!!) war ich so fertig, das ich mich nun endlich meiner Frau anvertrauen konnte. Diese war natürlich im ersten Moment völlig geschockt, verfrachtete mich dann aber erst zum Arzt, dann ins Krankenhaus, wo ich dann entgiftet wurde.

Direkt im Anschluss an die Entgiftung sucht ich erstmals eine Suchtberatungsstelle auf. Dort wurde mir dringend eine Therapie nahegelegt. Dies wies ich jedoch weit von mir, da ich mit diesem „lächerlichen Problem“ (da ich ja nun keine körperlichen Entzugserscheinungen mehr hatte) als „intelligenter Mensch“ mit „Selbstdisziplin“ und „eisernem Willen“ wohl alleine klarkommen konnte. Ich lies mich aber immerhin darauf ein, regelmäßig dort Einzelgesprächen wahrzunehmen.

In dieser Phase hatte ich allerdings nie wirklich vor, dauerhaft abstinent zu leben. Ich dachte mir, in 5-10 Jahren könnte ich mit Sicherheit wieder gelegenlich trinken. nach etwa 3 Monaten schwebte mir noch eine „Wartezeit“ von 3-4 Monaten vor, usw...
Auf jeden Fall hatte ich, meiner Ansicht nach, nach 9 Monaten lange genug gewartet und versuchte es erst mal mit Alkoholfreiem, dann mit Radler, dann mit normalem Bier. Ging ja immerhin auch 3 Monate gut. Dann hatte ich meinen wieder meinen ersten Vollrausch, eine Woche später wieder körperliche Entzugserscheinungen und eine gute weitere Woche später war ich wieder Krankenhaus zur Entgiftung. (da aber ohne vorherige Selbstmordabsichten)

Diese Mal beschloss ich, es immerhin, mit einer SHG und dauerhafter Abstinenz zu versuchen. Habe auch bei einer Gruppe in einer weiter entfernten Stadt angerufen, da es ja in meiner näheren Umgebung niemand wissen durfte. Leider blieb es aber bei dem Anruf in der SHG, erschienen bin ich dort natürlich erst mal nicht. Dafür baute ich aber nach 4 Monaten wieder einen Rückfall. Also erneut Entgiftung. Somit hatte ich nun endlich die Bestätigung , dass ich es allein nicht packe.

Vom Krankenhaus rief ich nun noch meinen Suchtberater an, um die nötigen Formalitäten für eine stationäre Kurzzeittherapie zu klären.
Nach 3 Monaten, die ich vor allem mit versicherungstechnischem Hickhack verbrachte konnte ich im Juli 2002 eine Therapie in Bad Tönisstein antreten. Obwohl die 8 Wochen dort für mich ziemlich hart waren, ist das eine Zeit, die ich heute nicht mehr missen möchte.

Direkt im Anschluss an die Therapie habe ich mich einer Kreuzbund-Gruppe angeschlossen die ich auch regelmäßig besuche.

Und - bis heute hats geholfen


ups... ist deutlich länger geworden als ich dachte!


Mitleser ( gelöscht )
Beiträge:

02.02.2004 08:54
#2 RE: Meine Vorstellung Zitat · Antworten

ach du bist das
ein mitleser


Falballa Offline




Beiträge: 3.722

02.02.2004 09:21
#3 RE: Meine Vorstellung Zitat · Antworten

Jerry65,
ich habe erst heute deine Vorstellung gelesen.
Leider.
Ich muß sagen,sie hat mich sehr angesprochen.
Du hast da eine Formulierung im Post, die Welt........
die habe ich so ehrlich und treffend noch nicht gehört.



Viele Grüße Manuela
[f1][ Editiert von Falballa am: 02.02.2004 19:28 ][/f]


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