Sie sind vermutlich noch nicht im Forum angemeldet - Klicken Sie hier um sich kostenlos anzumelden Impressum 
Saufnix  
Sie können sich hier anmelden
Dieses Thema hat 14 Antworten
und wurde 1.866 mal aufgerufen
 Deine eigene Alkoholkarriere
Gast ( gelöscht )
Beiträge:

08.09.2002 07:01
RE: Ein langer Weg, am Ende ein nie geahntes Licht Zitat · Antworten

Hallo !
Ich bin Dietmar. Habe die Seite im Forum der Kyffhaeuserklinik gefunden und ich finde, sie hat was.
Als ich vor 4 Jahren in der Klinik ankam, war mir vieles bis alles so sehr egal. Nach x Entgiftungen und 2 Langzeittherapien, was sollte ich noch lernen, wusste doch eh schon alles, hatte doch alles keinen sinn. Was ich wollte, war vielleicht eine zeit trocken überstehen und halt irgendwie weiterleben und vor allem in Ruhe gelassen werden.
Und wollte, das mir irgendjemand die brocken an schulden und scheiss aus dem weg raeumt, konnte ja für nichts etwas, habe ich bis dahin geglaubt.
Die therapie war für mich der Wahnsinn, ich habe in mir das Licht gefunden, das ich so lange irgendwo da draussen in einem Wunder oder in einer Frau gesucht habe. Oder im Alkohol und in Drogen und Tabletten.
Und ich konnte nach und nach alles, was ich bis dahin als mein versautes ekelhaftes und sinnlos anstrengendes leben empfunden hatte, als meinen Weg durch den Dreck in eine Art
Stolz über das Überwinden und etwas daraus machen sehen lernen. Und ich danke allen, die mir dabei geholfen haben.
Ich höre erstmal auf, möchte wegfahren jetzt, schreibe später noch mehr. Danke für das Forum!
Dietmar


tommie Offline




Beiträge: 10.595

08.09.2002 23:46
#2 RE: Ein langer Weg, am Ende ein nie geahntes Licht Zitat · Antworten

Hallo Dietmar,

jetzt interessiert natürlich, was an der Therapie so wahnsinnig war.
Deiner kurzen Erzählung nach scheinst du ja ein ganz neuer Mensch geworden zu sein.
Warte schon gespannt auf die 'Fortsetzung'.

tommie
- - - und natürlich: Willkommen am Board - - -


Reiner Offline




Beiträge: 1.036

09.09.2002 11:36
#3 RE: Ein langer Weg, am Ende ein nie geahntes Licht Zitat · Antworten

Dietmar




Auch mich interessiert brennend wies weiter geht und was es mit diesem :
Die therapie war für mich der Wahnsinn, ich habe in mir das Licht gefunden,
Ausspruch auf sich hat.
Auch ich habe vor rund zwei Jahren eine Langzeittherapie gemacht und MIR ist ein
aufgegangen.

Würde mich schon interessieren wie ‚s dazu kam:
ich habe in mir das gefunden,
Und vor allen Dingen möchte ich wissen warum gerade bei dieser Therapie?

Auf Fortsetzung wartend grüßt Dich Reiner

P.S. Auch ich hab schon angefangen in meinen Erinnerungen zu kramen und werde wohl auch bald von meinen Erlebnissen und Eindrücken während meiner Langzeittherapie berichten.


Gast ( gelöscht )
Beiträge:

13.09.2002 08:43
#4 RE: Ein langer Weg, am Ende ein nie geahntes Licht Zitat · Antworten

Hallo Rainer!
Danke Dir, das Du so gerne mehr von mir wissen möchtest. Ich habe früher immer geglaubt, ich habe eh nichts zu sagen und es interessiert auch niemanden, was ich denke. Aber das "Früher" ist nicht lange her und gehört so zu mir wie jetzt meine wunderbare Zeit ohne Alkohol und mit viel Mut und Lust zum Leben.
Das Licht, was ist das ? Was macht mich zufrieden, glücklich und gibt mir Energie und Lust auf jeden Tag ? ich habe mir damals in der Klinik ein Buch gekauft, das heisst: "Die Wiederentdeckung der Gefühle" und hat den Untertitel: "Um einen S c h r e i vom Glück weit weg". Warum habe ich gesoffen, weil ich damit glücklich war, weil ich etwas gefühlt habe wie Freude, es wurde immer hell in mir nach den ersten Schlucken, zumindestens eine lange Zeit bis dann die Quälerei mit Entzug und kein geld und Verfolgungsangst nach und nach kam. Ich meine damit halt die andere Seite, die ich so sehr gebraucht habe, um an einen Punkt zu kommen, wo es nicht mehr ging.
Das Buch war mein erster bewusster Schritt in Richtung Licht. Das Licht ist die Sonne im Bauch, ein Glücksgefühl o h n e Chemie und Alkohol. Ich brauchte eine selber erlebte innere Vorstellung davon, auf die ich hinarbeiten konnte. Was ich sagen will, niemand kann seine bis jetzt gelebten Eindrücke vom leben und sich selber irgendwie weglöschen und einfach ein neues bild stattdessen
einsetzen.
Ich selber brauchte und kriegte viel körperliche und gefühlsmässige Nähe zu anderen Menschen. Ich brauche andere menschen, brauche das Gefühl, das ich mit meinen Schmerzen und meiner Angst nicht alleine bin, das andere Menschen das gleiche fühlen. Und das es geht, diese Gefühle zu zeigen nach aussen, ausdrücken und dabei in der geschützten Klinikatmosphäre die Angst abbauen lernen davor, sich offen zu seinen Gefühlen zu stellen. Ich glaube, das unsere Gefühle das Wichtigste sind, das wir brauchen. Vor allem müssen sie ausgedrückt werden, nicht unterdrückt.
ich könnte jetzt noch eine Menge schreiben, aber ich weiss nicht, ob es auf so viele worte ankommt.
Rainer, ich wünsche Dir mut und Liebe, zu Dir selber so wie ich das mir selbst wünsche.
Dietmar


Dietmar ( gelöscht )
Beiträge:

14.09.2002 11:33
#5 RE: Ein langer Weg, am Ende ein nie geahntes Licht Zitat · Antworten

Hallo Rainer!
Ich wünsche Dir ein gutes Wochenende. Was ich jetzt gerne wissen möchte, hast Du meine Antwort gelesen, und wie war Dein Weg in der Therapie und wo ist dein Licht und wie gehst Du mit Deinem Schmerz und deiner Wut um ??
Ich lebe gerne
Dietmar


Reiner Offline




Beiträge: 1.036

14.09.2002 11:55
#6 RE: Ein langer Weg, am Ende ein nie geahntes Licht Zitat · Antworten

@Dietmar,

sorry dafür, dass ich mich nicht gleich gemeldet habe.

Selbstverständlich habe ich deine Antwort gelesen:

Taufrisch sogar.

Nur habe etwas Verständnis dafür das ich nicht sofort

antworten kann, da ich in diesem Forum noch einige andere

Beiträge zu schreiben habe.

Ich werde Dir in den nächsten Tagen ausführlich antworten.

Versprochen!

Nur hab etwas Geduld!

Auch Dir wünsche ich ein schönes Wochenende

P.S.Dietmar: Auch ich lebe gern! Sehr gern sogar!


urselst ( gelöscht )
Beiträge:

14.09.2002 13:22
#7 RE: Ein langer Weg, am Ende ein nie geahntes Licht Zitat · Antworten

Hallo Dietmar, das finde ich ja jetzt mal spannend. Das Buch ist doch von Dan Casriel, oder? oder es geht um Casriel Therapie?
Ich habe diese Therapie in der Klinik kennengelernt, in der ich 3,5 Monate war (vor 3 Jahren) - dort "Bonding" genannt - und hab sehr positive Erfahrungen damit gemacht. So positive, daß ich immer noch, wenn ich die Möglichkeit habe, an Bonding Workshops teilnehme.
Machst du auch was in der Richtung oder hat schon allein das Lesen des Buches dir zu so einem inneren Richtungswechsel verholfen?

Neugierige Grüße von der Ursel
:::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::

ein Link dazu:

www.dan-casriel-institut.de[f1][ Editiert von Administrator tommie ] [ Am: 14-09-2002 14:07 ][/f]


Reiner Offline




Beiträge: 1.036

15.09.2002 01:57
#8 RE: Ein langer Weg, am Ende ein nie geahntes Licht Zitat · Antworten

Dietmar

Erst mal vielen Dank für Deine Antwort Dietmar. Habe mich darüber gefreut!

Ich werde mal so vorgehen, Dietmar, dass ich unsere Posting’s zitiere und versuchen werde Antworten darauf zu finden oder weiter nachzufragen. Ok?

Macht sich für mich besser.Ich brauch da nicht immer hin und her zu blättern.

Zitat
Hallo Rainer!
Danke Dir, das Du so gerne mehr von mir wissen möchtest. Ich habe früher immer geglaubt, ich habe eh nichts zu sagen und es interessiert auch niemanden, was ich denke



Natürlich bin ich daran interessiert mit einem Menschen ins Gespräch zu kommen der wie Du schon x Entgiftungen und 2 Langzeittherapien erfolglos hinter sich gebracht hat und nun auf einmal, Die therapie war für mich der Wahnsinn, ich habe in mir das Licht gefunden , diesen Satz schreibt.
Da ich nicht an Wunder glaube möchte ich schon versuchen zu verstehen, wie es dazu kam.


Zitat
Ich bin Dietmar. Habe die Seite im Forum der Kyffhaeuserklinik gefunden und ich finde, sie hat was.



Dietmar dürfte ich erfahren wie alt Du bist?
Ich bin 46 Jahre alt, seid 25 Jahren verheiratet und habe einen erwachsenen Sohn.
Und dürfte ich auch noch erfahren ob Du Deine Therapie in der Kyffhaeserklinik gemacht oder woanders?
Ich habe meine Langzeittherapie in der Heidehofklinik in Weinböhla gemacht.
Ja Dietmar diese Seite find ich auch klasse deswegen bin ich auch hier.

Zitat
, was sollte ich noch lernen, wusste doch eh schon alles, hatte doch alles keinen sinn. Was ich wollte, war vielleicht eine zeit trocken überstehen und halt irgendwie weiterleben und vor allem in Ruhe gelassen werden.
Und wollte, das mir irgendjemand die brocken an schulden und scheiss aus dem weg raeumt, konnte ja für nichts etwas, habe ich bis dahin geglaubt



Dietmar das klingt ja so als hättest Du Dich schon selbst aufgegeben.
Und dann kommt auf einmal „habe ich bis dahin geklaubt“
.
Frage:
Warum hast du die Therapie erst angetreten wenn du bis dahin diese andere Meinung hattest? Es muss doch irgendeinen Grund gegeben haben der in dir auf einmal ein Signal ausgelöst hat und der gesagt hat „Versuchs noch mal“
Denn ohne Hoffnung auf Erfolg geht doch kein Mensch freiwillig in eine Therapie.
Es wäre schon interessant zu wissen, was der Auslöser dafür war?

Zitat
Das Licht, was ist das ? Was macht mich zufrieden, glücklich und gibt mir Energie und Lust auf jeden Tag ?



Du beschreibst das „Licht“ dann so:

Zitat
. Das Licht ist die Sonne im Bauch, ein Glücksgefühl o h n e Chemie und Alkohol. . Ich brauchte eine selber erlebte innere Vorstellung davon, auf die ich hinarbeiten konnte. Was ich sagen will, niemand kann seine bis jetzt gelebten Eindrücke vom leben und sich selber irgendwie weglöschen und einfach ein neues bild stattdessen
einsetzen.
Ich selber brauchte und kriegte viel körperliche und gefühlsmässige Nähe zu anderen Menschen. Ich brauche andere menschen, brauche das Gefühl, das ich mit meinen Schmerzen und meiner Angst nicht alleine bin, das andere Menschen das gleiche fühlen. Und das es geht, diese Gefühle zu zeigen nach aussen, ausdrücken und dabei in der geschützten Klinikatmosphäre die Angst abbauen lernen davor, sich offen zu seinen Gefühlen zu stellen. Ich glaube, das unsere Gefühle das Wichtigste sind, das wir brauchen. Vor allem müssen sie ausgedrückt werden, nicht unterdrückt



Dietmar was du hier schreibst ist nichts anderes als das was ich während meiner Langzeittherapie auch erkannt habe.

Auch Dir dürfte es doch nicht unbekannt sein!

Es ist für mich eine Art Selbsterkenntnis.
Was ist gut für mich?
Was ärgert mich?
Was tut mir weh?
Wie drücke ich meine Gefühle aus?
Ich könnte die Liste fortsetzen aber es sind Dinge die ich heut als normal empfinde.
Ich betone HEUTE!!

Als nasser Alkoholiker erlebte ich einige Dinge schon ähnlich wie Du.
Was ich aber nach mehrmaligem Lesen Deines Beitrages immer noch nicht verstanden habe ist folgendes:

Warum verknüpfst DU Deine Selbsterkenntnis so eng mit dem Lesen des Buches?

In erster Linie bist DU als selbständiger Mensch dafür verantwortlich das es so

gekommen ist.

DU hast erkannt was für DICH gut und schlecht ist.

DU selbst bist stark geworden.

DU hast den Kampf gegen den Alkohol geführt.

Stell doch Dein Licht nicht unter den Scheffel, sondern klopf Dir allein auf die Schulter und belohne Dich selbst, denn Du Hast es DIR zu verdanken das es Dir heut gut geht.

Das Buch hat Dir vielleicht geholfen, so wie mir ein guter Therapeut geholfen hat.
Weißt Du wenn es nur so einfach wäre dieses Buch zu lesen und man wäre trocken und könnte abstinent und zufrieden leben, weißt Du was ich dann machen würde:
Ich würde morgen fünf Bücher kaufen und würde Sie anschließend an die Jungs vor der Kaufhalle oder am Kiosk verschenken, vorausgesetzt ich wüsste sie wollen raus aus dem Alkoholsumpf
.
Nein, nein so leicht ist das nicht!

Jetzt erkläre ich Dir wie ich es gemeint habe:

Zitat
Auch ich habe vor rund zwei Jahren eine

Langzeittherapie gemacht und

MIR ist ein Licht aufgegangen.



Bei uns zu Hause gibt es eine Redewendung die heißt :

„MIR ist ein Licht aufgegangen“

Damit ist nix anderes gemeint als wie:

Ich hab’s begriffen.

Ich bin dahintergestiegen o.ä.

Auch ich habe während meiner Langzeittherapie sehr viel an mir ändern und sehr

viel lernen müssen. Ich lerne immer noch und werd’s wohl ewig tun.

Aber am meisten profitiert hab ich immer wieder aus meinen Gesprächen mit den

Menschen und das ist heut noch so.

Dietmar auch ich wünsch Dir noch viel Freude und Glück im Leben und sei stolz auf DEIN Ereichtes.

So nun muss ich aufhören sonst macht mir meine Frau LICHT ans Fahrrad.

Ciao Reiner

P.S. Mein Bericht über meine Langzeittherapie folgt auch noch zu einem späteren
Zeitpunkt.


Dietmar ( gelöscht )
Beiträge:

15.09.2002 22:53
#9 RE: Ein langer Weg, am Ende ein nie geahntes Licht Zitat · Antworten

Hallo Rainer !
danke für deine lange Antwort.
Freiwillig Therapie ? Niemals,jedenfalls damals nicht. Ich dachte damals, ich weiss alles über Sucht und brauche keine Therapie mehr. Weil ich schon fast 2 gemacht hatte, also eine abgebrochene 1987 und 1989 4 monate mit 1 1/2 Jahren "therapeutischen Wohnens" hinterher.
Ich weiss nicht ganz genau, was es war, warum ich überhaupt von der Psychatrie, wo ich zur entgiftung war, nach 4 Monaten in die Kyffhaeuserklinik gefahren bin. Der Hauptgrund war, ich hatte viel mehr Angst vor dem Knast(Gefängnis) als vor einer Klinik. Weil ich damals verurteilt war zu 11 Monaten ohne Bewährung, die Zeit der Entgiftung und Therapie war die Strafe aber verschoben worden, und ich glaubte damals, mit einer Therapie wäre das ganz erledigt, war es aber dann nicht.
Also nur unter Druck die therapie angefangen.
Mit dem Buch das habe ich anders gemeint. Der bewusste Schritt war das Buch, vorher war ein mehr unbewusster, nämlich die sog. Hüttentherapie oder auch Bonding. Weisst Du, ich dachte, vielleicht kann hier mit "Hütte" oder Bonding keiner was anfangen. Weil es das nicht so oft gibt, leider. Und jemandem das erklären, das geht nicht, habe ich schon oft versucht, eben weil ich so begeistert davon bin.
Ach so , ich bin 37 jahr alt und habe jetzt endlich eine Freundin.Weil ich vor menschen nicht mshr wegrenne. Bin doch selber einer.
Mach es erstmal gut, geniesse jeden Moment.
Dietmar


tommie Offline




Beiträge: 10.595

15.09.2002 23:22
#10 RE: Ein langer Weg, am Ende ein nie geahntes Licht Zitat · Antworten

Hi Dietmar,

dann darf ich das versuchen.

DIE BONDINGTHERAPIE

Die Casriel-Therapie war ein therapeutisches Konzept, das Dan Casriel, Psychiater und Analytiker in New York, zu Beginn der sechziger Jahre unter dem Einfluß seiner transkulturellen Erfahrungen und der neuen Methoden der humanistischen Psychologie entwickelte. Anstatt seine Patienten über Gefühle reden zu lassen, ermutigte er sie zum vollen Ausdruck ihrer Emotionen mit Hilfe des Schreies.

Der Schrei ist kein Selbstzweck, sondern ein hilfreiches Werkzeug, um Rationalisierungen, Widerstände und alte Programme zu lösen und zum Kern, oft frühkindlicher Verletzungen, vorzudringen. Diese emotionale Arbeit ist keine einmalige Katharsis, sondern ein individueller Prozeß des Vertrautwerdens mit abgespaltenen, tabuisierten vitalen Lebensäußerungen wie Liebe, Freude, Wut, Haß, Angst, Scham und Schmerz, die unterdrückt, einen Verlust an Lebensfreude, Lebenskraft und Lebenslust zur Folge haben.

Dan Casriel forderte: "Fight for your own happiness, as if your life depends on it!" "Kämpfe um Dein Glück, denn Dein Leben hängt davon ab!" Glücklich zu sein ist die Verantwortung eines jeden sich selbst gegenüber. Das Leben will angenommen und gelebt und bis auf den Grund ausgekostet sein, sonst wird man bitter, kalt und böse. Oft deshalb, weil etwas Wichtiges im Leben fehlt, nämlich: genügende Befriedigung der lebensnotwendigen und neurobiologisch verankerten psychosozialen Grundbedürfnisse, wie nach tiefer Verbundenheit (Bindung), nach Autonomie, Selbstwert, nach körperlichem Wohlbehagen und Lust, wobei dem Bindungsbedürfnis hier eine zentrale Funktion zukommt.

Dieser Mangel führt zu Unzufriedenheit und Friedlosigkeit. Friedlosigkeit aber braucht Schlachtfelder, entweder in uns selbst durch seelische und körperliche Erkrankungen, oder um uns herum durch aggressives verletzendes Verhalten anderen gegenüber. Wie jedoch können wir uns von unserer Friedlosigkeit befreien, wenn unser Blick auf uns selbst und die anderen verstellt ist durch schmerzvolle und quälende Erfahrungen, die wir als Kind gemacht haben? Wer voll Angst, Schmerz und Haß oder Wut ist, kann sich nur schwer vorstellen, daß der andere genauso verletzlich und liebebedürftig ist wie er selbst. Wie sollen dann befriedigende und nährende Beziehungen gelingen?

Um glücklich und "in Frieden" sein zu können, brauchen wir den offenen achtungsvollen und innigen Kontakt (tiefe Verbundenheit, Bindung) zueinander. Casriel nannte dieses Bedürfnis "Bonding", das bedeutet, emotionale Offenheit, verbunden mit der Erfahrung vertrauensvoller Nähe mit anderen Menschen. Menschen, die nicht, wie es biologisch zum Überleben notwendig ist, gehalten, angeblickt und angehört wurden, sind eher anfällig für seelische, körperliche Erkrankungen sowie Süchte oder antisoziales Verhalten.

Diese Leiden erkannte Casriel als Symptom einer "emotionalen Mangelgesellschaft", deren Mitglieder auf dem Hintergrund frühkindlicher emotionaler Mangelsituation gehemmt sind, diese neurobiologisch verankerten Grundbedürfnisse zu befriedigen und dieses aus Verzweiflung oft mit barbarischer Gefühllosigkeit und mörderischer Beziehungslosigkeit beantworten. Deshalb bildet die Analyse und Auflösung zerstörerischer Lebenseinstellungen und der daraus resultierenden Beziehungsschwierigkeiten einen weiteren Schwerpunkt im Casriel- und Bondingprozeß.

Die Wiederentdeckung der eigenen Gefühle von Scham, Wut, Schmerz, Freude, Liebe und Angst verbunden mit neuen heilenden und versöhnenden korrigierenden Beziehungserfahrungen macht Menschen wieder dazu fähig, auch mit anderen Menschen mitzufühlen, eine unverzichtbare Fähigkeit im Zusammenleben.


Literatur:
Jacqueline Lair, Walther Lechler, Von mir aus nennt es Wahnsinn, Kreuz-Verlag.
Walther Lechler, So kann s mit mir nicht weitergehen, Kreuz-Verlag.

aus: www.dan-casriel-institut.de


Reiner Offline




Beiträge: 1.036

15.09.2002 23:36
#11 RE: Ein langer Weg, am Ende ein nie geahntes Licht Zitat · Antworten

@Tommie,


war auch schon auf den Seiten.http://www.dan-casriel-institut.de/
Trotzdem würde mich Deine Meinung dazu interessieren.

Ciao Reiner


tommie Offline




Beiträge: 10.595

15.09.2002 23:51
#12 RE: Ein langer Weg, am Ende ein nie geahntes Licht Zitat · Antworten

Hi Reiner,

meine persönliche Meinung zu " Bonding ":

In einer - auch noch heutzutage und vielleicht mehr denn je - gefühlskalten Umwelt ist das ein sehr sinnvoller Ansatzpunkt. Mich stören daran nur 2 Punkte: diese " frühkindliche emotionale Mangelsituation " - ich persönliche sehe dies nicht als ursächlich an - und vor allem die Gefahr, dass die Umwelt " das eigene Bonding " nicht annimmt. Soll heissen: es ist noch lange nicht gesagt, dass die eigenen, wiederentdeckten Gefühle auch auf " Gegenliebe " stossen, also richtig verstanden werden. Und: nicht jeder möchte diesen offenen und innigen Kontakt.

Leider ist das so.

tommie


Reiner Offline




Beiträge: 1.036

16.09.2002 22:06
#13 RE: Ein langer Weg, am Ende ein nie geahntes Licht Zitat · Antworten

Dietmar


Ging ja schneller wie’s Brezelbacken mit Deiner Antwort.

Na ja konnte ich mir fast denken, dass die Therapie nicht so ganz freiwillig war.
Ich hab auch ne Menge Leute während meiner Therapie kennen gelernt die durch Auflagen eine Therapie angetreten haben um größtenteils vom Haftantritt verschont zu werden.
Habe mich auch mit wirklich ganz harten Jungs unterhalten für die diese Langzeit nur ein Erholungsurlaub war.
Die wenigsten schafften es trocken zu werden oder gar zu bleiben.
Umso mehr wundert und freut es mich dass Du es nur aus dem Zwang heraus bis jetzt geschafft hast.

Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass ein äußerer Zwang gleichzeitig eine Motivation sein kann.

Auch bei mir war erst mal die „Motivation“ ein Zwang, nämlich der Zwang meines Körpers etwas gegen meinen schlechter werdenden Gesundheitszustand zu unternehmen.
Zu deutsch- Selbsterhaltungstrieb oder die scheiß Angst zu verrecken. Sorry

Aber das ist ja wieder was anderes wie bei dir.
Ich habe mich praktisch selber gezwungen zu verstehen und zu begreifen weil ich einfach noch ein bisschen leben wollte.
Mit der Bondinggeschichte hab ich mich noch nicht näher beschäftigt wer’s aber noch tun.
Zum Buch denke ich so:
Das Buch wird der Auslöser dafür gewesen sein dass, Du mal richtig über viele Dinge nachgedacht hast. Denn ein Buch kann einen Menschen nicht verändern nur der Mensch sich selbst. Also glaub mir Dietmar DU hast es geschafft nicht das Buch. Und mit Deiner Freundin wünsch ich Dir noch viele schöne Stunden..

Einen schönen Abend noch wünscht Reiner


urselst ( gelöscht )
Beiträge:

16.09.2002 22:25
#14 RE: Ein langer Weg, am Ende ein nie geahntes Licht Zitat · Antworten

Hallo Ihr,
da möchte ich für diejenigen, die keine eigene Erfahrung mit Bonding haben doch auch noch meinen Senf beitragen. Bonding als Therapieform ist viel mehr als diese zwar durchaus zutreffende aber dennoch eher theoretische Beschreibung ahnen lässt.
Es handelt sich dabei um eine sehr intensive Form von emotionaler Arbeit und Körpertherapie im Rahmen derer die Teilnehmer eben all diese vernachlässigten, verlorengegangenen, unterdrückten, verdrängten Gefühle, >die abgespaltenen, tabuisierten vitalen Lebensäußerungen<, wies im obigen Text so schön heißt, erleben können. Mit allem was dazugehört, mit Weinen und Schreien, mit Angst und Schmerz, mit Wut und Lust und Liebe. Wo jeder sich selbst und die Anderen in seinem/ihrem ganzen Menschsein spüren kann.
Oje ich merk schon, das ist einfach schwer zu beschreiben.
Vielleicht eher was zu den praktischen Umständen. Erstmal hab ich das im Rahmen meines Klinikaufenthalts kennengelernt, also in einem extrem geschützten Rahmen. Und auch jetzt mache ich Bonding nur mit erfahrenen Therapeuten, die ich persönlich kenne, oder im Rahmen einer Gruppe in der ich mich sicher fühle.

Zum Thema:
>>Soll heissen: es ist noch lange nicht gesagt, dass die eigenen, wiederentdeckten Gefühle auch auf " Gegenliebe " stossen, also richtig verstanden werden. Und: nicht jeder möchte diesen offenen und innigen Kontakt.<<

Am Anfang gehts noch nicht mal darum, ob jemand anderes das will oder nicht, am Anfang gehts darum, ob ich selbst mich überhaupt so aushalte und mich so offen anderen Menschen zeigen kann. Und dafür braucht es Schutz und Sicherheit.
Verwundete Seelen sind extrem verletzlich und bis sich da ein tabuisiertes Gefühl an die Oberfläche traut und angenommen wird und gelebt werden darf, das ist ein Prozess, mal länger mal kürzer. Und erst wenn ich in diesem geschützten Rahmen neue Erfahrungen mit mir und anderen machen konnte, bewegt sich das so langsam ins "richtige" Leben hinaus.
Was für mich unter anderem an diesen Prozessen so ungeheuer wertvoll war und ist, ist die Chance am dauernd kontrollierenden und analysierenden Kopf vorbei neue Erfahrungen zu machen. Das kennen andere bestimmt auch: etwas das ich mit dem Kopf kapiert habe hilft mir nicht unbedingt dazu, auch tatsächlich eine Änderung herbeizuführen.
Ich denke ich bin einigermaßen intelligent, habs jedenfalls in allen meine Therapien immer sehr schnell raus gehabt, was die Therapeuten von mir wollten, was oder wie ich sein sollte. Gar nicht um jemand auszutricksen, sondern trotz guten Willens einfach automatisch. Und hab mich damit um einen Teil des möglichen erfolgs betrogen.
Bei dieser Therapieform hab ich, wenn ich mich wirklich drauf einlasse, kaum mehr eine Möglichkeit mich selbst zu betrügen, und weil ich die Erfahrung direkt im emotionalen Bereich mache wird sie anscheinend anders abgespeichert wie eine Erkenntnis im Kopf, geht jedenfalls viel tiefer.

Wirklich gut beschrieben ist das alles in dem bereits von Tommie angeführten Buch: Jacqueline Lair, Walther Lechler, Von mir aus nennt es Wahnsinn, Kreuz-Verlag.

Kann sich jetzt irgendwer mehr drunter vorstellen? ich hoffe es wenigstens
liebe Grüße von der Ursel


felidaela Offline




Beiträge: 796

01.12.2002 21:20
#15 RE: Ein langer Weg, am Ende ein nie geahntes Licht Zitat · Antworten

.... oh mein Gott, das ist es. Es tut so weh....


 Sprung  
disconnected Saufnix-Chat Mitglieder Online 0
Xobor Einfach ein eigenes Forum erstellen
Datenschutz