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Saufnix  
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Dieses Thema hat 308 Antworten
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 Akute Hilfe
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newlife ( gelöscht )
Beiträge:

04.07.2017 19:02
#61 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

nun, mir gehts ja wirklich nicht schlecht. Muss natürlich auch einräumen, dass mir wirklich seit dem letzten Anlauf auch alles gelungen ist durch Zielstrebigkeit und Gradlinigkeit. Ich hab mich von niemand beirren lassen und ging einfach nur geradeaus. Und das fühlt sich natürlich gut an. Es war noch nie zuvor in meinem Leben so, wie in den letzten Jahren.

Ich weiss natürlich nicht, wie das jetzt so wäre, wenn ich anderweitig größere gesundheitliche Probleme hätte oder keine Arbeit. Ich hätte vielleicht dann auch nie aufgehört. Ich weiss es nicht. Aber über etwaige ungelegte Eier, die nicht da sind denke ich auch nicht nach.

Ich stelle gerne bewusst positive Veränderungen in den Vordergrund. Warum auch nicht. Für mich ist es bis heute eine einzige Bereicherung, nüchtern zu sein. Das will ich gerne weitergeben.

Bei mir hat eben die zweite LZT im Wesentlichen zu meinem Werdegang und heutigem Denken beigetragen. Hast du eine gemacht, Biene? Dort ist eben so therapiert worden. Also recht stark auf Konfrontation und mir hat das eben geholfen. Deshalb vertrete ich diese Linie.


Susanne Offline



Beiträge: 368

04.07.2017 20:32
#62 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

Hi newlife,

ich erwarte nicht, dass jeder mein langes Eingangselaborat und alle weiteren Beiträge aufmerksam liest. Dennoch möchte ich jetzt dem Bild, das du collagenartig von mir anfertigst widersprechen; steht aber auch schon anderswo: Mein Mann ist im Februar 2015 plötzlich gestorben und nach über 35 gemeinsamen Jahren haben der Schmerz und die tsunamiartigen Wogen der Verzweiflung und des Verlustes, der gefühlten Heimatlosigkeit und der Ungeborgenheit, der uanbweisbaren Endgültigkeit des Todes dazu geführt, dass ich den Alkohol, jahrelang als gesellschaftliches Accessoire getrunken, nun zur Schmerzbewältigung des Abends bewusst eingesetzt habe. Ich bin also aus einem prallen, guten Leben in die Verzweiflung abgestürzt, war auch danach keinesfalls „isoliert“, habe aber einen so schnell hart werdenden Alkoholkonsum praktiziert, dass ich dies abends und nach meinem Berufsalltag nur alleine tun wollte, da ich mich ja schließlich bewusst betäuben wollte. Ansonsten war ich allerdings nach wie vor eingebunden in meine Netzwerke im Beruf, mit gemeinsamen Bekannten, meinen Freundinnen, Nachbarn, unserem Sohn, etc... Diese sozialen Netzwerke und Beziehungen haben auch die letzten zwei Jahre unbeschadet überstanden. Nix is´ mit Isolation.

Dem Klischee entsprechend, aber in meinem Fall nicht richtig ist es deshalb, wenn Du über mich schreibst:
" Und die letzten Suchtjahre bei Susanne sahen ähnlich isoliert aus."


Hi Biene,

Du schreibst: „…mit Strecke machen ist gemeint Zeit vergehen zu lassen und einen trocknen Tag an den nächsten reihen.“

Ja genau! Darum geht es (mir zurzeit)! Denn ich kann mir hier die Finger wund tippen und nachdenken und reflektieren und Sätze drechseln wie eine Wilde – das ist auch sehr gut und löblich und sicher nützlich und zukunftsweisend – aber das Wichtigste ist jetzt für mich, einen trockenen Tag an den anderen zu reihen. Nur dann, nur mit Abstand zum Alkohol kann ich gute, neue Prozesse anschieben und mich und mein Leben wieder in ein besseres Fahrwasser lenken. Je größer der Abstand zum Alkohol wird, desto mehr! Und dazu braucht es, unter anderem, Zeit.

Hi newlife, noch Etwas:
Du schreibst weiter unten: „Hast du dich schonmal gefragt, warum du trocken leben willst? Du könntest ja auch weitersaufen. Das so zu formulieren hört sich zwar etwas vermessen an, aber es bringt ja nix, wenn du das machst, weil du irgendwo mal gehört hast, dass du trocken leben musst. Genau das ist nämlich völliger Blödsinn. Du musst schließlich gar nix. Ich kann aber überlegen und mich fragen, welcher Lebensstil würde mir denn zusagen bzw. was möchte ich gerne noch erreichen?"

1. Meinst Du echt, ich hätte „irgendwo mal gehört“, dass ich trocken bleiben müsste? Und nur weil ich das "irgendwo mal gehört" hätte, würde ich das jetzt mal machen, weil ich denken würde, ich müsste das dann halt so machen? Nee, also Du, da muss ich ja schon ziemlich schmunzeln.

2. Warum will ich „trocken“ leben? Gute Frage – da gibt es zwei Beweggründe:

Der erste ist ein „weg – von“-Grund. Ich will von etwas weg, nämlich von der Selbstverletzung, die der Alkohol mit sich bringt und deren Tiefpunkt für mich der Sturz im letzten November mit der Platzwunde am Kopf war. Mich selber zu verletzen, mir selbst weh zu tun war niemals von mir beabsichtigt! Der Alkohol sollte mir ja ganz im Gegenteil die seelischen Schmerzen und das Leid erträglicher machen. In der Frauensuchtberatungsstelle, an die ich analog angedockt bin, ist die grundlegende Haltung die folgende: Mein Alkoholkonsum der letzten zwei Jahre bedeutet kein individuelles Versagen, sondern stellt einen mit persönlicher Qual erkauften und letztendlich selbstverständlich misslingenden Konfliktlösungsversuch dar. Auch wenn meine ursprüngliche Absicht, mir zu helfen, eine gute war. Das Mittel dazu ist und bleibt falsch. Vom Alkohol und den daraus erwachsenen Schädigungen – auf allen Ebenen (also auch geistig, seelisch, spirituell), die ich mir alkoholbedingt zufügte will ich weg – weg - weg.

Der zweite (Beweggrund, "trocken" zu leben) ist ein „hin zu“- Grund. Und da wird es sehr, sehr spannend. Nachgerade verheißungsvoll! Danke für die Vorlage: „welcher Lebensstil würde mir denn zusagen bzw. was möchte ich gerne noch erreichen?“.
Also mir schweben da in erster Linie diverse Fernreisen vor ;-) Kleiner Scherz am Rande ;-)

Das ist wirklich eine nicht so häufig im Leben vorkommende Situation in der ich mich befinde und aus der heraus ich etwas Neues werde beginnen können wenn ich will. Wenn ich akzeptiere, dass ich für meinen Mann nichts mehr tun kann und auch nichts tun muss – dass ich jetzt für mich selber nach vorne schauen kann, dann eröffnen sich mir enorme Möglichkeiten. Ein leiser Wind von großer Entscheidungsfreiheit weht in meine Richtung. Ich könnte zum Beispiel, wenn unser Sohn mit dem Studium fertig sein wird, dem Erwerbsleben zunächst einmal oder auch für immer „tschüss“ sagen und mit der Witwenrente in den Sonnenaufgang reiten. Und da treibt es mich um: Wofür könnte ich dann noch einmal „brennen“? Was würde mich begeistern? Was kann ich mir so zu Herzen nehmen, dass ich meine Energie und meine Zeit, gegebenenfalls meine beruflichen Erfahrungen, meine Intelligenz und meine planerischen und organisatorischen Fähigkeiten gern, sinnvoll, in Freiheit und Selbstbestimmung dafür einsetze? Soll ich das suchen oder läuft es mir über den Weg?

Mein Leben wird nie mehr in der Art schön werden wie vor dem Februar 2015, aber ich will mir eine echte Chance geben, dass es vielleicht doch noch einmal –dann anders- schön werden könnte.
Das ist mein „ hin zu….“ Und das geht nur trocken.

Viele Grüße,
Susanne

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Optimismus ist, bei Gewitter auf dem höchsten Berg
in einer Kupferrüstung zu stehen und »Scheiß Götter!« zu rufen.
(Terry Pratchett)


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newlife ( gelöscht )
Beiträge:

04.07.2017 21:11
#63 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

Zitat
" Und die letzten Suchtjahre bei Susanne sahen ähnlich isoliert aus."



Dein Post von gestern hat mir das vermittelt. Gut, hast es ja jetzt anders dargestellt. Meine bewusst provokative Formulierung hast du schon verstanden. Es ist nunmal wichtig, dass du selbst gerne trocken leben möchtest.

Was soll ich jetzt sagen? Du schreibst vom Verlust deines Ehemanns nach so vielen gemeinsamen Jahren. Ja sicher sind das schmerzliche Erfahrungen, aber da kann ich jetzt einfach nicht mitreden. Aber auch ich will nur, dass du wieder Lust aufs Leben bekommst.

Wir sind hier ein Internetforum, völlig verschiedene Menschen, die alle mal süchtig waren. Aber nur letzteres hat uns ja hier zusammengeführt. Es ist eben auch von Person zu Person so grundverschieden.

Ich wünsche dir alles Liebe und Gute, ziehe mich aber jetzt zurück. Ich glaube, das mir deine Thematik und die Gefühle die du durchlebst für mich vielleicht zu schwierig sind. Ich kann es selbst nicht nachvollziehen und deshalb wünsche ich dir einfach mal viele hilfreiche Antworten von Mitgliedern hier, die ähnliche Erfahrungen und Erlebnisse wie du hatten. Ich denke, das bringt dir vielleicht mehr.

LG
Dirk


grufti Offline




Beiträge: 3.764

04.07.2017 21:14
#64 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

Hallo Susanne,

mir ist es schon bei deinem vorletzten Beitrag aufgefallen und jetzt wieder, drum schreib ich's mal ganz kurz...

Du musst dich vor niemanden für deinen Weg rechtfertigen, nicht vor'm newlife und auch nicht vor irgendjemand anderen.

Im übrigen finde ich deine Beiträge ausgesprochen wohlüberlegt formuliert, ich finde, man merkt, dass du dir viele Gedanken machst, bevor du was postest. Beim newlife ist das nicht immer so, aber so isser halt...(wir kennen uns auch persönlich).

Insgesamt habe ich nach dem, was du schreibst den Eindruck, dass du auf einem guten Weg bist.

"30 Tage sauber. Immerhin."

Ich würde das "immerhin" weglassen. Wir haben alle mal so angefangen und mehr als 24 Stunden am Tag kann niemand trocken bleiben. Aber du kannst dafür sorgen, dass aus 30 Tagen 31, 32 und irgendwann Jahre werden.

Liebe Grüße vom Grufti!
Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden (Mark Twain)


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Susanne Offline



Beiträge: 368

04.07.2017 21:47
#65 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

Wir sind jetzt mal kurz auf der Metaebene, ne?

Hi newlife,

alle Beiträge helfen mir, meine Position zu sondieren und das ist wichtig. Und die, mit denen ich nicht so ganz übereinstimme, die helfen mir ja auch, manchmal sogar besonders, genauer hinzuschauen und wenn ich etwas anders sehe, mich auch abzugrenzen oder einen Eindruck aus meiner Sicht zu korrigieren. Ich will ja nun auch nicht, das mir nur noch Menschen schreiben, die einen solchen Trauerfall hatten. Aber vielleicht hattest Du schon einmal dollen Liebeskummer - so ähnlich ist das, ein bisschen. Und ich brauche ja auch nicht in erster Linie Beiträge von Menschen mit Spezialkompetenz für Witwen, sondern für `s Trockenwerden. Und da bist du doch erfolgreich dabei und deswegen schreibe ich auch hier und freue mich über Dein feedback.

Hi Grufti,

ja, fürchtete ich auch, dass das als Rechtfertigung `rüberkommt. War aber tatsächlich als Erläuterung, warum das mit der Isolation so nicht war und nicht ist, gedacht. In erster Linie schreibe ich ja für mich und nicht für ein zahlendes Publikum ;-) und da ist mir das Thema mit der Isolation dann auf einmal so wichtig, obwohl ich da zuvor nie groß drüber nachdachte, weil mein real existierendes soziales Netzwerk mit zu den Aktiva gehört, die die letzten 2 Jahre gut überstanden haben. Und: So langsam komme ich auf den Geschmack, dass ich hier in dem Forum vielleicht noch ein bisschen länger bleibe (also zum Beispiel so die Jährchen, die ich jetzt trocken bleiben werde ;-)
und da ist mir schon daran gelegen, dass sich so ein Phantombild wie von der armen, isoliert lebenden Susanne sich nicht festsetzt.

Viele Grüße, schönen Abend noch,
Susanne
31 Tage sauber.

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Susanne Offline



Beiträge: 368

04.07.2017 22:10
#66 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

Hallo crissy,

CHAPEAU zu Deinen 7 Jahren!

Das macht mir so viel Mut, dass solche Daten irgend wann einmal so en passant da sind und es ganz easy weiter geht... Super!

Und dass das Nichttrinken so eine unaufgeregte Normalität geworden ist. Da will ich (mit der Zeit) auch hinkommen.
(Und `ne Suchtgruppe zum Bowlen möchte ich bitte auch, gleich ;-)

Vielen Dank für Deine guten Wünsche, ich bleibe dran!

Viele Grüße, Susanne

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Bodhisattva Offline




Beiträge: 1.428

05.07.2017 15:53
#67 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

Hi Susanne,

vielleicht suchen wir alle den Meta-Programmierer der die jeweiligen Programmierungen noch einigermaßen in Schach halten kann oder eben gezielt erkennt, einsetzt oder vermeidet.

Die vielen Sichtweisen hier on board, die Anarchie oder freundlicher ausgedrückt die Freiheit (Danke an den Gründer und noch immer dezent im Hintergrund bleibenden Tommy) und die Viefalt der Gedankengänge empfand ich nicht nur faszinierend, sondern auch sehr hilfreich, bei mir ist und war das schon ein dicker Baustein in Richtung Saufnix. Anfangs habe ich nur gelesen und nicht geschrieben und mich dann irgendwann eingeklinkt, sind viele Wiedererkennungswerte, pures Leben, stories in die Nüchternheit, in die Nüchternheit und wieder zurück, weitermachen, Zirkulärität von Problemlösungsprozessen kannste hier nachlesen wenn Du so willst. Und vor allem nicht aufgeben, Schönheiten (wieder-) finden, auch wenn's mal Widrigkeiten gibt und es nüt so richtig rund läuft und und und, nur bleibt das erste Glas stehen. Alles was wir brauchen ist inwendig in uns, wir benötigen nur einen Erinnerer, das Forum kann dazu beitragen.

So manch einer kommt und kam mit dem board hier nicht klar und ist dann zum cashigen Stalingrad Karsten in den geschlossenen Bereich (gegen coins versteht sich) gewandert und auch das ist okay.

Offen Klartext schreiben und auch ehrliches klares Feedback zu erhalten, ist doch klasse, ich glaube, dass das so Dinge sind die hier gelernt werden können. Och, und wie ich nachlesen kann bist Du jetzt nicht wirklich schreibfaul und sehr diskutiertfreudig, na, dann biste hier aber absolut richtig!

Ich wünsche Dir weiterhin Alles Gute, Bodhi

Einfach SEIN- genügt völlig und mehr geht auch nicht. Das ist das volle Glück.


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MichaelKleeberg2 Offline



Beiträge: 312

06.07.2017 20:24
#68 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

Liebe Susanne, ich fand die Vielfalt der Ansätze zum nüchtern werden am Anfang schwierig. Mir hat das suggeriert, es sei soooo schwierig. Ist es nicht.

Getrunken wird nicht. Egal was passiert. Das erste Glas bleibt stehen.
Mehr ist es nicht für dein erstes Jahr.

Der ganze bunte Reigen an verschiedensten Auffassungen kommt später dazu, wenn Du stabil nüchtern bist und daran gehst, ein neues Dasein in zufriedener selbstverständlicher Abstinenz zu gestalten. Die Ansätze dafür sind so verschieden, wie wir Individuen es sind.

Ich stell mir im Vergleich immer so eine Siedlung vor. Jedes Haus sieht anders aus aber alle stehen auf einem Fundament. Unser Fundament ist ....Getrunken wird nicht. Egal was passiert. Das erste Glas bleibt stehen.
Wie Dein Haus dann mal aussieht ist jetzt erst einmal egal. Das Fundament zählt. Wenn das Risse hat, nützt die schönste Fassade nichts.


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newlife ( gelöscht )
Beiträge:

06.07.2017 21:14
#69 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

Ist vollkommen richtig, was Michael schreibt. Dazu kommt, dass viele hier selbst betroffen sind und nach so einigen trockenen Jahren festigt sich eben auch die Überzeugung und der Glaube an den Weg, den ein jeder selbst gegangen ist.

Ich habe jetzt mehrere Anläufe gebraucht und glaubte bereits schon, mit mir gibt das nix mehr. Es war mir fast schon egal, aber eben nur fast. Und somit startete ich dann nochmal einen Versuch, einen bis heute erfolgreichen.

Wir alle haben viel erlebt auf unseren Wegen in die Nüchternheit und wurden dadurch auch geprägt. Ich werde an dieser Stelle keinen dieser Wege mehr favorisieren, möchte dir aber noch sagen, dass auch die Suchttherapien in den Kliniken alle völlig unterschiedliche Ansätze haben und verfolgen. Da wo ich war, war eben alles stark auf Konfrontation gebürstet. Ich habe das so gelernt, von daher bin ich wohl viel schneller auf die Gesellschaft zu. Natürlich trinken viele und ich selbst bin auch gar kein Alkoholgegner. Warum sollte ich das auch sein? Wäre dem so, hätte ich wohl selber damit nie angefangen. Was ich aber habe ist Respekt davor und sage, dass Alkohol gewisse Gefahren in sich birgt. Bis dahin lässt sich das verallgemeinern, mehr allerdings nicht, der Rest ist wieder individuell verschieden.

Eines ist für mich als Person nur wichtig. Ich bin es ja, der mit dem Stoff nicht umgehen kann und abhängig geworden ist. Dazu kann aber sonst niemand was da draußen. Deshalb lasse ich auch jeden seine eigenen Erfahrungen sammeln und ich bin bislang gut gefahren, so wie ich es mache.

Noch eine Anmerkung zu Michaels Beitrag. Ich sehe es genauso, wenn hier jemand aber Fragen hat und nach Antworten sucht, möchte er/sie ja auch welche bekommen. Wenn ich also richtungsweisend etwas schreibe, kann das durchaus genau die falsche Richtung sein. Ich bin mir dem gerade ziemlich bewusst und denke mal wieder verstärkt drüber nach, ob das gut oder schlecht ist, was ich hier mache. Vielleicht hab ich das auch einfach nicht so drauf. Gut ich bin halt auch eher pragmatisch und arbeite sehr zielgerichtet, dafür leider weniger emotional.

Ich nehme mich aber trotzdem so, wie ich bin.

Dir weiterhin alles Gute auf deinem Weg, Susanne.


Susanne Offline



Beiträge: 368

10.07.2017 10:24
#70 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

Hallo Michael,

schönes Bild, das mit der Siedlung.
(Wenn man jetzt mal davon absieht, dass es auch solche gibt, wie die, in der Harry Potter aufgewachsen ist… ;-)

„Getrunken wird nicht. Egal was passiert. Das erste Glas bleibt stehen.“

Das ist es. Ich bin dabei.

Hallo newlife,

Du schreibst: „Wenn ich also richtungsweisend etwas schreibe, kann das durchaus genau die falsche Richtung sein.“ Nö, sehe ich nicht so. Solange es für Dich die richtige Richtung ist, ist es doch gut. Und alle Lesenden sind ja erwachsen und es obliegt ihnen, wie auch mir, selbst und autonom zu entscheiden, was für sie richtig ist oder nicht. Da ergänzt Du meiner Meinung nach Michaels Ansatz. Ansonsten gilt das (angelblich chinesische) Sprichwort: Umwege erhöhen ungemein die Ortskenntnis.

Bei mir gab es in den letzten Tagen ganz normales Leben.

Auf einem Straßenfest habe ich meinen Arbeitgeber mit einem Stand vertreten und fand es schön, dass die Bundestagsabgeordnete, die zu den Mitwirkenden mit Tabletts voller Gratis-Getränke ging, nur Wasser und Cola auf dem Tablett hatte. Dass irgendwo weiter hinten selbstverständlich auch der obligatorische Bierstand war, das wusste ich ja schon im Vorfeld - das tangierte mich überhaupt nicht.

Den letzten Freitag habe ich auch wieder den kritischen Übergang von der Arbeitswoche ins Wochenende gut ohne Verlangen nach Alkohol geschafft; aber eine richtige Strategie dazu steht noch aus. Ich hangele mich so durch von Mal zu Mal. Das geht bestimmt noch besser.

Bei zwei unerfreulichen Situationen habe ich einmal ganz, ganz cool gekontert (obwohl ich innerlich auf 180 war) und mich beim anderen Mal etwas weit aus dem Fenster gelehnt – alles nüchtern und somit stehe ich da auch voll dahinter.

Samstagnachmittag saß ich zu Zwecken der Selbstbelohnung in einem Straßencafé, Cappuccino schlürfend und „Leute gucken“. Dann irgendwann fiel mein Blick auf ein Nebentischchen und da hatte eine Frau ein frisches Glas Sekt vor sich stehen; es sah herrlich kühl aus, war leicht beschlagen - oder hat meine Phantasie dieses Detail hinzuerfunden - und die prickelnden Bläschen schossen in Regimentsstärke unternehmungslustig an die Glasoberfläche. Ich hatte kurz und heftig ein Gefühl wie Gollum, wenn er den Ring sieht. Schrecklich. Ich habe meine Augen von dem Anblick regelrecht weggerissen und hektisch nach etwas gesucht, womit ich mich ablenken kann. Hat auch geklappt, aber diese Attacke kam so plötzlich, ich habe sie abgewehrt – aber es war anstrengend. Ich setze auch da auf die Zeit. Alles wird leichter werden.

Schöne Woche, viele Grüße,
Susanne, erfreulich nüchtern

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(Terry Pratchett)


Susanne Offline



Beiträge: 368

14.07.2017 16:34
#71 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

Hallo zusammen,

Die Frage „nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“ („per Anhalter durch die Galaxis“) kann ich jetzt auch noch nicht beantwortet, aber ich bin bei Tag 42.
Hermann Harry Schmitz schrieb 1907 den grotesken Theater-Einakter ‚Nr. 42. Ein Albdruck‘ .
Und auf der 42nd Street auf Manhattan war ich auch schon. Alles stimmig, heute.

Ich war vorhin beim Hausarzt. Der wird den Bogen des Rentenversicherungsträgers ausfüllen, den meine Beraterin von der Suchtberatungsstelle mir mitgab.
Sehr unterstützend wäre auch das Schreiben, dass Fr. Dr. Idi Alaaf anfertigte nach meinem Besuch bei ihr Anfang Juni. Aber sie hat es an den Hausarzt gesendet mit dem Vermerk „nicht zur Weitergabe an Dritte“. Nicht einmal an mich (!?) Deshalb habe ich ihr jetzt auf Band gesprochen, sie möge den Hausarzt ermächtigen, dass er ihr Schreiben zu Zwecken der Entwöhnungsbehandlungsbeantragung weiter geben darf oder ein geändertes Schreiben hierzu an ihn sendet und frei gibt. Nächsten Freitag gehe ich dann zur Blutabnahme mit Schwerpunkt auf den Leberwerten. Ich hatte aber Anfang des Jahres schon ein großes Blutbild machen lassen, da war aber schon damals nichts auffälliges. Ich schätze mal, die Werte werden alle im Rahmen sein. Gibt es dann keine Bewilligung? Beantragen möchte ich eine Kombitherapie: Acht Wochen stationärer Aufenthalt (wenn es klappen sollte, dann Januar und Februar 2018) mit anschließender ambulanter Therapie von 6 Monaten (mit Option auf Verlängerung um nochmals 6 Monate). Klinik habe ich mir auch schon ausgeguckt. -

Bis dahin habe ich die Motivationsgruppe ein Mal pro Woche und die Einzelgespräche je nach Bedarf (im Moment etwa alle 14 Tage).
Und hier das Forum, in dem ich viel lese.

@ Bodhi: Du schreibst weiter oben: „Alles was wir brauchen ist inwendig in uns, wir benötigen nur einen Erinnerer“
Und in einem anderen Strang: „…das Erinnerer Prinzip - alles ist inwendig in Dir, der einzige und wirklich nur der einzige Sinn und Zweck ist, dich wieder darin zu erinnern.“
Klingt interessant; vielleicht hast Du gelegentlich Lust und Zeit etwas zum „Erinnerer-Prinzip“ zu schreiben? Mir ist das völlig unbekannt. -

In diesem Riesenspagat zwischen „Nie mehr trinken“ und „nur für heute“ habe ich mir letztens eine Motivation gebastelt und eine Theorie aufgestellt, warum das „Nie mehr“ nicht funktionieren kann. Dass es das nicht kann, da sind sich ja alle einig.

Das hat etwas mit Zielen und Erfolgen zu tun. Ich meine jetzt nicht die stark erfolgsorientierten Erfolge sondern die Freude machenden Erfolge. Wenn Kinder das Laufen lernen. Als ich als Grundschulkind lernte, Schleifen zu binden. Was war ich tagelang begeistert von meinem Erfolg! Alle Stofftiere und Puppen erhielten Schleifen über Schleifen umgebunden. Wenn man etwas, an dem man hängt, reparieren konnte. Und vieles mehr. Erfolg zu haben ist an sich eine schöne Sache.
Erfolg ist das Setzen und Erreichen von Zielen. Ich will etwas erreichen, erlernen, können, realisieren, schaffen. Ich kann mir natürlich auch falsche Ziele setzen oder unerreichbare. Wenn Erna zum Friseur geht und sagt, dass sie aussehen möchte, wie Lady Di, wird das kein Erfolg werden, da das Ziel illusorisch ist.

Wenn mein Ziel ist, nie wieder Alkohol zu trinken, dann kann ich das Ziel erst in meiner Sterbestunde erreichen. Auf meinem Grabstein kann dann stehen. Sie trank nie mehr. Denn vorher ist – bedingt durch das „nie mehr“der Erfolg, die Zielerreichung, ja lebenslänglich ungewiss. „Ich will nie mehr trinken und dieses Ziel erreiche ich voraussichtlich nächsten Sonntag gegen 16 Uhr“. Egal, welchen Zeitpunkt man nimmt, das Ziel bleibt absurd.
Das Ziel, heute nicht zu trinken hingegen ist gut zu überblicken und ich gehe jeden Abend mit einem tollen, persönlichen Erfolg schlafen. Und dass ich mich abends so erfolgreich fühle, das hängt ganz allein von meinem Verhalten am Tage ab. Das ist super! Jeden Tag kann ich für ein Erfolgserlebnis sorgen, in einer Angelegenheit, die mir momentan das Wichtigste in meinem Leben ist.
Das sollen mir so arme Un-Abhängige erst einmal nachmachen! Ha! Die mit ihren Zielen nach Haus, Yacht, mehr Geld und so – wann gehen diese armen Geschöpfe schon mal so schön regelmäßig so zufrieden und im vollen Gefühl des Erfolges schlafen, wie ich momentan jeden Abend? (na gut, jetzt habe ich ein bisschen übertrieben … ;-)

Schönes Wochenende und viele Grüße,
Susanne

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newlife ( gelöscht )
Beiträge:

14.07.2017 22:44
#72 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

doch klar gibts auch ne Bewilligung, wenn die Leberwerte soweit gut sind. Meine waren auch nie so wirklich aus dem Rahmen gefallen, trotz heftigem Konsum. Ich war halt anderweitig ein Wrack.

Liest sich sehr schön, was du schreibst, insbesondere das mit den Zielen. Ist zu Beginn aus meiner Sicht auch wichtig, später relativiert sich dann das ein oder andere, d.h. trocken leben wird zur Normalität, da ist dann einfach weniger Euphorie dabei, aber du bist eben wieder wer und hast durchaus auch Vorteile anderen gegenüber. Die erkennst du ja bereits jetzt. An die Stelle der Euphorie treten dann Stabilität und Sicherheit.

Nie wieder... mach dir nicht soviel Gedanken. Ist für hier und heute völlig unrelevant und in die Zukunft gucken können wir nicht und das ist auch gut so. Du lebst ja heute und nicht übermorgen und auch nicht Monate, Jahre oder sonst was im Voraus.

Du bewegst was, bist an der Sache dran. Sehr schön. Ich schreibe heute nur noch hier im Forum, denn es gilt schon, es nicht zu vergessen. Hört sich zwar etwas blöd an, ist aber wichtig. Ich bin schon von vielen anderen Themen immer umgeben, so dass das Alkoholthema einfach keine Rolle mehr spielt, aber ich bleibe trotzdem dran, indem ich hier bin.


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Randolf Offline




Beiträge: 1.176

16.07.2017 15:50
#73 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

hallo Susanne,

ich kann gut nachvollziehen dass dir das persönliche tägliche "heute-nicht"-Prinzip ein Erfolgserlebnis beschert.
Grade in der Anfangsphase ist das sicher eine hervorragende Methode, um den Fokus zu halten.


Für mich z.B. hat die andere 'Methode' gefunzt - nie wieder, never more.....

Das hat sich bei mir sehr schnell eingestellt, ich würde sagen im Laufe des ersten Jahres.

Vielleicht war es die Krankheitseinsicht, welche bei mir plötzlich von jetzt auf gleich - mitten im Saufen - kam,
oder die Begegnung mit einem für mich bemerkenswerten Menschen ein paar Monate darauf, ich weiß es nicht ehrlich gesagt,
es war nur so dass dieses 'Gefühls-Wissen' doch recht schnell heran reifte und sich als Fundament etablierte.

Bei den Sufis heisst es dass der Mensch im Herzen krank ist und dass dort die Heilung erfolgt.

Klingt poetisch, aber mal hinter die Begriffe geschaut ist schon was dran.
Für mich jedenfalls.

Ich musste erst Herzens-Nahrung finden, dadurch wurde diese monströse Kompensation überflüssig.
Und sehr bald hab ich gefühlt dass es niemals wieder der Weg des Suffs sein kann.

Heute mach ich mir in punkto Saufen nicht die geringsten Sorgen und ich muss sagen, es lebt sich wunderbar so..

Verantwortung liegt bei mir. Yep.

Alles Gute dir

LG

"Lass das Wünschen und die vorsichtigen Berechnungen beiseite.
Was du am meisten fürchtest, ist bereits geschehen."


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F10 2 Offline




Beiträge: 4.673

16.07.2017 16:38
#74 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

Zitat von Susanne im Beitrag #71


-

In diesem Riesenspagat zwischen „Nie mehr trinken“ und „nur für heute“ habe ich mir letztens eine Motivation gebastelt und eine Theorie aufgestellt, warum das „Nie mehr“ nicht funktionieren kann. Dass es das nicht kann, da sind sich ja alle einig.




Wo hast du das her, dieses : "da sind sich ja alle einig"

Randolf hat dazu ja schon etwas geschrieben.

Ich war mir nach zahllosen Versuchen auch sicher. Nie mehr, Suchtsynapsen verlötet, alles GUT.

Bei dem "nur heute" Prinzip, bin ich auch nach Jahren noch in der Dynamik gefangen, ich stehe kurz vorm Rückfall, jeden Tag aufs neue, kämpfen, krampfen usw. Entspanntes abstinieren geht anders...

_____________________________________________________________________________________
Auf MEINEM eigenen Weg kann mich keiner überholen.


Friedi Offline



Beiträge: 2.617

16.07.2017 18:26
#75 RE: Der Vorhang zu Zitat · Antworten

Das "nur-für-heute-Prinzip" hat doch nichts mit kämpfen, krampfen usw. zu tun. "Nie wieder" zu trinken kann ich mir zwar fest vornehmen, umsetzen kann ich es aber jeweils nur heute – ganz entspannt und selbstverständlich. Wenn es in der Anfangszeit der Abstinenz noch als tägliches Erfolgserlebnis empfunden wird, sehe ich darin eine gute Motivation zum Weitermachen.

____________________________________________________________________________________________________
Wenn du am Morgen erwachst, denke daran, was für ein köstlicher Schatz es ist, zu leben, zu atmen und sich freuen zu können.
Marc Aurel


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