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Saufnix  
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Dieses Thema hat 2 Antworten
und wurde 1.041 mal aufgerufen
 Positives
Randolf Offline




Beiträge: 1.176

08.09.2013 12:34
RE: 10 Jahre alkfrei...warum es so leicht war Zitat · Antworten

....naja zugegeben,

der Thread-Titel weist schon mal in eine bestimmte Richtung: alles easy - mach dir keinen Kopp, das Leben meint es gut mit dir....

Ich könnte der unbeschreiblichen Leichtigkeit des Seins das Wort reden und aus der Gesamtschau nur die mühelosen Aspekte rausnehmen und es lässig dabei bewenden lassen.....wär aber bloß wolkig und nichtssagend..

Da ist natürlich noch mehr - anders betrachtet bin ich in diesem Jahrzehnt durch recht schmerzhafte Situationen hindurch, wo statt Nabelschau Entscheidung und Handeln erforderlich waren.

Geht nicht nur darum ein Nicht-Tun zu kultivieren, das verlangt sich möglichst aus dem Prozess rauszuhalten.

Und doch - bei mir ist es die gehaltvollere Wahrheit - und das andere -
die Arbeit an sich selbst, das Auflösen, Klären und dgl. - stellt bei mir die weitaus kleinere Mengeneinheit dar.

Was ich bei mir mitunter festgestellt habe:

Es gibt diese zwanghafte Aktivität ständig den eigenen Zustand verändern zu wollen, einen immer"besseren" Zustand zu erreichen und den Blick auf das "Nächste" zu richten,
zu gehorchen auf:
"Jetzt-musst-du-dies-machen", "Nein, so ist es nicht richtig, mach es so",
"Morgen fängst du mit dem und dem an, weil...es das beste für dich ist "

-all diese mentalen Stimmen, die dazu anleiten die eigenen Erfahrung zu manipulieren, umzuwandeln und in was anderes reinzuquetschen. What's that?

Niemand würde sich lange in einer Gesellschaft wohl fühlen wo jeder einem sagt
was unbedingt zu tun ist. Mitunter sieht's aber im Inneren so aus...
....wenn ich mir das so anschaue, dann komme ich zu der Tatsache: "Ich kann mich nicht in Ruhe lassen."

Das ist ein ganz subitles Leiden. Alles ist in Orndung, aber du kannst es nicht genießen, weil du es genießen willst . Wie wenn jemand ständig die Einstellungen des Fernsehers verändert, um endlich den Film bestmöglich sehen zu können und dabei kein Ende findet.

Dieses ständige Kreisen um die Selbst-Entwicklung, Selbst-Verbesserung kann ein Alpdruck sein; ich habe auf Seminaren Leute erlebt die geradezu süchtig nach Themen sind, bei den Sessions gehen sie immer durch wichtige Prozesse und erleben "Durchbrüche" und Befreiungen - und sind dann die ersten die sich für den nächsten workshop eintragen.

Nix gegen, jeder ist individuell und braucht das was er braucht.
Ich war da mit im Boot und meine damals erträumte Selbst-Entwicklungs-Karriere schwebte erfolgsversprechend im Zenit meines Gewahrseins.

Nun bin ich ja nicht grad der Fleißigste und mein natürliches Phlegma lässt mich eher zögern als eilen, und demzufolge hab ich mich nie so eingebracht wie andere. Falsch ?Selbstverständlich gibt es die innere Stimme, die sagt: " Das ist nicht in Ordnung, du musst dich ändern!"

Die erste Zeit ohne Alkohol verbrachte ich ohne jegliche äussere Hilfe und meine Einstellng war in etwa diese: "widme der Krankheit nicht zuviel Aufmerksamkeit, sonst stärkst du sie."
Unreif, aber damals setzte ich darein ein mutiges Vertrauen und kann nicht sagen dass da gar nichts passiert ist. Da war durchaus Veränderung.

Ein guter Input war natürlich dieses board. Das brachte mich zum Reflektieren. Schärfte den Blick auf das Thema Sucht.

Dann gab es eine Periode wo ich sehr von einem Zweig des islamischen Sufitums beeinflusst wurde. Eine sehr schöne Zeit; Reisen in den vorderen Orient und Begegnungen mit Menschen die mir ausgesprochen gut taten.

Nun ja, die Jahre zogen ins Land und mit der Zeit kamen dann aber doch jene Themen an die Oberfläche, die gravierend waren.

Die Disharmonie der Polartäten meiner Sucht-Persönlichkeit war eindeutig noch vorhanden und letztendlich hab ich mit jenem Übungsweg der Derwische irgendwo versucht ein Loch zu füllen, oder anders ausgedrückt: ich habe in meinem Garten auch das Unkraut mit gedüngt. Der Dünger wirkte, ohne jeglichen Zweifel - aber er lässt auch ne Menge Disteln wachsen...

Das führte mich dann - endlich - zur therapeutischen Aufarbeitung meiner Sucht. Gegenüber dem Sufi-Lehrer hatte ich ein gehöriges Autoritätsproblem, das Verhältnis zu meinem Vater war seit Jahrzehnten eingefahren, in Partnerschaften inszenierte ich haarsträubende Dinge, usw.

Die psychologische Arbeit ließ sich gut an, bis dato mache ich regelmäßige Sitzungen mit meiner Therapeutin, die selbst eine Sucht-Karriere hinter sich hat. Gute Zusammenarbeit.

Aber dennoch ist es mir nicht möglich genau zu bestimmen, was denn mein jetziges Befinden wirklich hervorgebracht hat. Da gibt's ein ganz grundlegendes Wohlfühlen das schon immer da war (viele Erinnerungs-flashs aus meinem Gefühlsleben vor der Sucht) und auch ein Wahrnehmen das - hm.... flexibler geworden ist und mich ganz gut zurück bringt. Ich kann einige Grundmuster meiner emotionalen Reaktionen beobachten. Nicht ändern, das ist oft gar nicht nötig, weil....

.....by the way - um das z.B. Thema Angst mal ganz pragmatisch anzugehen hab ich einige Tandem-Fallschirmsprünge aus 4000 m Höhe absolviert. Boahh....was Geil !!!

Nur eins war komisch: die Angst war nicht da.

(Korrektur in Sachen Selbst-Image, hab da wohl wieder fremde Beurteilungen gehortet.)

Was die anderen, die psychischen Ängste angeht, hab ich mir da in den letzten sechs oder sieben Jahren, die geprägt waren mit Trennungen, Existenzkämpfen, Scheitern und Neu-Anfängen - nicht auch immer wieder was vor-gemacht ??
Wo war denn wirklich eine existenzbedrohende Situation die ein angstvolles Grübeln gerechtfertigt hätte ???

War's nicht so daß unter der Oberfläche der angstvollen Unruhe der Strom meines Lebensweges unbeirrt weiter floß und sich immer wieder zur richtigen Zeit ein (hehe, nicht in Betracht gezogener) Ausweg zeigte ?? YEAH, natürlich!!

Bei den Sufis sagte man mir anfangs: " Du wirst hier nichts bekommen. Wenn du Glück hast dann verlierst du was."

In den verganenen Jahren so scheint mir, bin ich - was das Lernen angeht - nicht mehr dabei, Neues aufzunehmen sondern immer mehr Irrtümer aufzudecken, Reaktionsmuster und Denkfehler zu erkennen und all die Glaubenssätze die ich mir angeeignet oder selbst ersonnen habe; Fossilien aus Zeiten wo sie vielleicht Gültigkeit hatten....

Ich bin kaum schlauer oder weiser geworden, mein Charakter hat sich keinen Deut geändert. Bin immer noch häufig latent gereizt und werde dementsprechend getriggert, hab erschreckende Ähnlichkeit mit meinem Vater und identische Seiten an mir, die ich an ihm hasse....

Und doch ist da irgenwas dazugekommen im Laufe dieser Jahre, eine Art Balance.

Die Gegensätze sind nicht mehr sooo gegensätzlich wie einst. Das macht sich im täglichen Erleben bemerkbar: ich bin z.B. bei gewissen Tätigkeiten genervt und fühle GLEICHZEITIG eine Art Freude die alles durchdringt; oder ich hab ne Abneigung gegen etwas und dahinter leuchtet ein strahlendes JA...und ich habe das Gefühl mehr HIER zu sein ohne zu wissen was das ist, und dieses HIER ist irgendwie anders geworden, fühlt sich tiefer an.

Es ist nichts das du greifen kannst, es ist nichts das für etwas herhalten muss.
Aber es ist so real wie nur was.

Hab jetzt so 'n paar Dünen gestreift, a bissl unstrukturiert, vielleicht wirr, aba wurscht.

Gut - dann werd ich wohl so weiter machen;
In zwei Monaten erfülle ich mir einen langersehnten Wunsch, begierig herbeigesehnt in meinen Flower-Power-Jahren aber nie realisiert: Meine Reise nach Indien.

Und dann schaun wa mal...

Namaste






-

"Lass das Wünschen und die vorsichtigen Berechnungen beiseite.
Was du am meisten fürchtest, ist bereits geschehen."


Ralfi Offline



Beiträge: 3.531

08.09.2013 17:33
#2 RE: 10 Jahre alkfrei...warum es so leicht war Zitat · Antworten

Hi Randolf,

auf mich hast du immer einen ausgeglichenen Eindruck gemacht und ich lese dich gern.

Zitat
Bei den Sufis sagte man mir anfangs: " Du wirst hier nichts bekommen. Wenn du Glück hast dann verlierst du was."



Stimmt, von den Suffis zu den Sufis hast du ein "f" verloren.

Gruß Ralf

Zufriedenheit hängt nicht davon ab, wer du bist oder was du hast;
es hängt nur davon ab, was du denkst.


septembersonne Offline




Beiträge: 5.747

08.09.2013 17:37
#3 RE: 10 Jahre alkfrei...warum es so leicht war Zitat · Antworten

Hallo, Randolf


Danke für' diesen so positiven Bericht und.....Gratulation zu 10! Jahren bewusst gelebte Abstinenz....Chapeau

Was für ein Weg....ich spüre es ja selbst an mir, wie wichtig der Weg nach Innen ist.

Wie oft habe ich mir selbst Steine in den Weg gelegt.....Perfektionismus pur

Alles Liebe und Gute für Dich!

Liebe Grüsse!

Manuela

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Das Leben ist schön, von " einfach " war nie die Rede.


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