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Saufnix  
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Dieses Thema hat 5 Antworten
und wurde 737 mal aufgerufen
 Deine eigene Alkoholkarriere
Juma63 Offline




Beiträge: 2.638

28.04.2008 10:58
RE: Ein bisschen was von mir Zitat · Antworten

Liebe Forumsmitglieder!

Nun bin ich schon seit dem 26.09.2006 Mitglied dieses hervorragenden Forums und denke, es wird Zeit, mal ein wenig über mich zu schreiben. Ich weiß gar nicht genau, warum ich das bis jetzt nicht getan habe und möchte es hiermit nachholen.

Meinen ersten unangenehmen Kontakt mit Alkohol hatte ich mit 13 in einer Dorfdisco. Ich erinnere mich daran, dass ich mir ein Bier bestellt habe und mich unglaublich erwachsen fühlte. Ich merkte sehr schnell, dass ich dadurch lockerer wurde. Die Ängste und Unsicherheiten im Umgang mit anderen Menschen verschwanden. Irgendwann wurde ich von wesentlich älteren Dorfburschen an der Theke zu einem Kümmerling eingeladen, wenig später folgte der zweite. Ich tranke dieses widerliche Zeug und fühlte mich unglaublich toll - vorerst - denn die Wirkung war natürlich enorm. Ich war das erste Mal betrunken. Irgendwie kam ich nachhause. Meine Eltern haben angeblich nichts bemerkt, was mir bis heute rätselhaft erscheint.

Nach diesem Erlebnis widmete ich mich wieder ausschließlich alterstypischen Beschäftigungen, bis ich mit 15 meinen ersten Freund kennenlernte. Er war 6 Jahre älter als ich und wenn wir hin und wieder in eine Kneipe zum Billiard oder zum Flippern gingen, trank ich Bier. Ich dachte mir nichts dabei, hatte anfangs schon nach dem zweiten einen Schwips und wäre gar nicht auf die Idee gekommen, etwas Anderes zu bestellen. Ich gewöhnte mich schnell an die Wirkung.

Als ich 17 war, spielten wir in einem Billiardclub und trafen uns regelmäßig zum Trainieren. Auch dort wurde immer getrunken. Zu später Stunde gab es die eine oder andere Cognac-Runde - ich hielt mit, obwohl ich mich vor dem Geschmack ekelte. Ich entdeckte recht schnell, dass ich länger durchhielt, wenn ich zwischendurch immer wieder mal ein Wasser zu mir nahm. Dadurch konnte ich es vermeiden, wirklich betrunken zu werden. Ich wollte keinen Rausch, sondern immer nur die Phase davor. Dieses locker Beschwingte, das Witzigsein und vor allem das Gefühl von Selbstsicherheit.

Schon mit 18 setzte ich den Alkohol bewusst ein, um meine Stimmung zu beeinflussen, und, was mir erst rückblickend vor nicht allzu langer Zeit aufgefallen ist, auch, um andere zu manipulieren. Wenn ich Ärger mit meinem Freund hatte z.B. Ich trank dann bewusst schnell und viel. Ich wollte, dass er es merkt und sich schuldig fühlt. Ich wollte ihn damit strafen und, was ich wohl am allermeisten wollte, war Aufmerksamkeit. Ich wollte beachtet werden. Meine Güte, nie im Leben wäre mir in den Sinn gekommen, dass ich damit am meisten mir selbst schade und ich damit (später) wohl eher Missachtung statt Achtung erfahren würde.

Mit 19 machte ich Abitur und begann eine Ausbildung, die ich nie wollte. Allerdings wusste ich auch lange Zeit nicht, was ich wirklich wollte und war auch irgendwie erleichtert, dass meine Mutter mir die Ausbildungsstelle organisiert hat. War doch viel leichter, die Schuld für ungewollte Ereignisse bzw. Lebensumstände anderen in die Schuhe zu schieben.

Mit 22 hatte ich meine erste eigene Wohnung, war Single, kaufte fast täglich Alkohol und ich fing an, auch regelmäßig alleine zu trinken. Es war ja niemand da, dem es auffallen würde. Jedes Gefühl, welches auch nur im Ansatz unangenehm war, wurde betäubt. Zu dieser Zeit kam ich schon mal auf 1 1/2 Flaschen Rotwein....*schüttel*, Migräneanfall inclusive.

Das war auch die Zeit, in der ich mit meinem Mann zusammenkam, was der Beginn eines 18 jährigen selfmade Dramas sein sollte. Auch er trank damals schon regelmäßig und gemeinsam machte es gleich noch mehr Spaß. Ich trank immer noch "kontrolliert", will heißen, immer nur bis zu dem Punkt, an dem ich die Wirkung des Alkohols zu spüren anfing. Das ich damals schon längst vom Alkohol kontrolliert wurde, war mir nicht klar. Ich war eindeutig der bessere Mensch :sprachlosdas ich schon Trinkerin war, verdrängte ich erfolgreich), denn so, wie mein Mann war ich ja schließlich nicht. Er trank exessiv, wurde ausfallend, handgreiflich, widerlich. Das ganze Programm halt. Ich bekam trotzdem 3 Kinder mit ihm und ließ mich schließlich nach vielen Kämpfen 2004 scheiden.

Wenn ich so auf meine Trinkerkarriere zurückblicke, finde ich es erstaunlich, dass ich mich trotz der ca. 20 Jahre regelmäßigen/ täglichen Konsums zum Schluss bei 3 - 5 Flaschen Bier eingependelt habe. Bevor ich 2006 dieses Forum entdeckte, habe ich natürlich unzählige Male versucht "normal" zu trinken. Nur auf Festen, nur in Gesellschaft usw. Selbstverständlich hat es nicht funktioniert. Ich gestand mir ein, das ich abhängig trank und hasste mich dafür, wenn ich mir wieder einmal wünschte, dass meine Kinder doch endlich zu Freunden aufbrechen sollten, damit ich ungestört meiner Sucht frönen konnte. Mit zunehmender Verachtung meiner Person, stieg der Drang zur Flasche zu greifen. Immer früher fing ich an. Vormittags eine Flasche Sekt, trotz der Angst, dass die Kinder es riechen könnten ( was sie natürlich niiiiieeeeemals getan haben :sly, war keine Seltenheit. Als regelrechtes Alibi diente das gemeinsame Trinken mit meiner ebenfalls alkoholkranken Freundin. Was haben wir uns doch in alkoholgeschwängerter Stimmung, in stundenlangen Hasstiraden über unsere Exmänner ergangen ........was war ich doch für eine bedauernswerte, unverstandene Frau.

Am 26.09.2006 war es dann für mich soweit. Ich meldete mich hier an, ging am selben Abend noch in ein AA-Meeting und hatte den Einstieg in den Ausstieg erstmal gepackt. Im Mai 2007 griff ich dann doch wieder zur Flasche, ich war sicher, dass ich nicht wieder abrutschen würde, denn schließlich war ja bei mir alles gaaanz anders und konnte erst im Oktober 2007 wieder aufhören.

Ich hörte am 5. Oktober 2007, einen Tag vor dem Kölner Saufnixtreffen, wieder auf. Ich wollte unbedingt mit der Gewissheit an diesem Treffen teilnehmen, dass es der Start in eine trockene Zukunft für mich ist. Es war mein erstes Treffen und ich war sehr nervös. Unzählig viele Dinge sprachen am Morgen des 6. Oktober dafür, doch nicht zu erscheinen. Ich nahm meinen Mut und meine verbliebene Vernunft zusammen und fuhr zum Treffen.

Es war der Beginn einen neuen Lebens. Die beste Entscheidung, die ich jemals für mich getroffen habe. Ich bin seitdem zufrieden trocken, habe den Mann meines Lebens dort kennengelernt und genieße jeden trockenen Tag. Ob alleine oder auch gemeinsam mit ihm, meinen Kindern oder den vielen neugewonnenen Freunden - ich erlebe meine Tage wieder. Und auch, wenn ich z.Zt. eine heftige gesundheitliche Krise durchlebe , über die ich vielleicht noch an anderer Stelle berichten werde, ich weiß für mich:

Ich trinke nicht mehr und nie wieder!

Denn dieses neugewonnene Leben, dieses Glück, für das ich jeden Tag auf's Neue dankbar bin und das mir immer noch wie ein Wunder erscheint, gebe ich um nichts in der Welt her!

Ich trinke nicht mehr, weil ich es mir wert bin, weil ich mich achte und gelernt habe, mich zu lieben. Alle anderen Gründe, mit dem Trinken aufzuhören, waren letztendlich keine. Nicht meine Kinder oder gar der soziale Abstieg, der sich langsam andeutete, nein, erst die Einsicht, dass ich das ganz alleine für mich tun muss, brachte den Erfolg. Als ich anfing, mich ernst und wichtig zu nehmen, fingen auch die Menschen in meinem Umfeld an, dies zu tun.

Ich bin glücklich, dass ich das erkennen durfte!

So, das soll's gewesen sein. Eine Geschichte, wie sie unzählige Alkoholiker mit mir gemeinsam haben und doch meine ureigene, persönliche Geschichte in Kurzfassung. Natürlich fehlen sehr viele Details, meine Therapiezeit z.B., die mich an die Ursachen meiner Sucht herangeführt hat, auch auf die Beschreibung der Phasen tiefster Depressionen habe ich verzichtet. Trotzdem hoffe ich, Euch einen kleinen Einblick in meine Geschichte gegeben zu haben.

Danke für Eure Aufmerksamkeit!

Seid alle lieb gegrüßt,

Sabine

Liebe bedeutet, jemanden zu haben, der unsere Vergangenheit versteht, an unsere Zukunft glaubt und uns heute so annimmt wie wir sind. :love3:




Komm auf die Hufe, die ersten Hände, die helfen können, stecken in den eigenen Hosentaschen! Zitat Nonick


Hermine 2 Offline




Beiträge: 3.177

28.04.2008 11:34
#2 RE: Ein bisschen was von mir Zitat · Antworten

Moin Juma Sabine,
wir "kennen" und ja schon einige zeit und du gehörst zu den menschen hier an board, bei denen ich mit freuen mag, über die les und spürbare entwicklung hin, zu einer zufrieden abstinent vom alk lebeneden frau.
Nun wäre ich ja nicht ich......... wenn ich jetzt nicht noch anmerken würde, dass ich die Esther solcherlei sätze :

Zitat
ich weiß für mich:

Ich trinke nicht mehr und nie wieder!



für mich so nicht formulieren würde.
Denn ich bin überzeugt davon, dass es mir als süchtige nicht möglich ist ein wieder trinken, via selbst wissen und nie wieder, auszuschließen.
Mir würde das meine wachsamkeit trüben so zu denken.
Als bekennende sammlerin von rückfällen anderer leute, ist eine meiner erkenntnisse aus diesen, dass ein gefühltes zu sicher sein eine rückfallgefahr innewohnt.
Ein schönes beispiel ist hier die uta für mich.

Dir einen lieben dank für deine geschichte
und einen lieben gruss obendrauf
Esther

Mein Selbstbetrug endete in einer Sackgasse.
Meine Selbstbestimmung zeigt mir viele neue
Wege in eine bunte Welt.


zai-feh ( gelöscht )
Beiträge:

28.04.2008 11:45
#3 RE: Ein bisschen was von mir Zitat · Antworten








uta111 Offline



Beiträge: 2.325

28.04.2008 13:34
#4 RE: Ein bisschen was von mir Zitat · Antworten

Hallo Juma,


Ich habe Deine Geschichte gelesen.
Ja...das NICHTvernebelte Leben ist wunderschön.
Schade nur das man erst sehr tief sinken muss um dieses zu erkennen.

NIE..würde ich nie sagen. Sei immer wachsam.

Ich wünsche Dir alles Gute und pass gut auf Dich auf.

LG UTA

@Hermine...meinst Du mich in Deinem Beitrag ?

Auch Wolkenkratzer haben mal als Keller angefangen.


Juma63 Offline




Beiträge: 2.638

28.04.2008 13:47
#5 RE: Ein bisschen was von mir Zitat · Antworten

Hallo Esther und liebe Uta!

Ich war mir meiner Formulierung durchaus bewusst, kenne den Lieblingsspruch meines Vaters: "Man soll nie nie sagen" nur zu gut und kann Euch versichern, dass ich mich sehr gut im Auge habe und meine Antennen bezüglich meiner Sucht auf Dauerempfang stehen.

Ich möchte diese Ausdrucksweise - für mich - als ein Art von sich selbst erfüllender Prophezeihung verstehen, quasi ein Entschluss von eindeutiger Endgültigkeit.

Und wenn ich von dieser Endgültigkeit nicht überzeugt wäre, empfände ich das in gewisser Weise als eine Art Hintertür. Nur deshalb habe ich mich für dieses Wort entschieden, wohl wissend, dass ich damit auf Widerspruch stoßen werde.

@Esther
Freu mich übrigens sehr, Dich wieder öfter hier anzutreffen. Hat schon was gefehlt!

LG,

Sabine

[ Editiert von Juma63 am 28.04.08 13:49 ]

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Hermine 2 Offline




Beiträge: 3.177

28.04.2008 14:02
#6 RE: Ein bisschen was von mir Zitat · Antworten

Moin Uta,
jupp, schrieb dir in deinem rückfall thread u.a., dass ich den eindruck habe, dass du dir zu sicher gewesen bist.
Wie gestippselt, mein eindruck.
Lieben gruss
Esther

@Juma , bin jetzt auch meisstens gerne wieder an board, brauchte den urlaub für mich und meine baustellen.
Und er hat mir zusätzlich richtig gut getan in sachen gelassenheit zum board geschehen.
Nicht immer, aber immer öfter...........

Wenn dein satz für dich stimmig ist und hintertüren verschließt

Lieben gruss
Esther

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