da öfters von einer (notwendigen) großen inventur die rede ist, interessiert mich diese jetzt mal genauer.
wer von euch hat so eine große inventur bei sich schon gemacht und welche erfahrungen habt ihr dabei gesammelt? also wofür war/ist sie gut bei euch und was war/ist positiv daran?
meine "grosse Inventur" habe ich während meiner LZT gemacht und da kam schon einiges an "Müll" zusammen.
Die für mich Wichtigste Frage war natürlich: Was hat mich in diese abhängigen Strukturen gebracht?
Und die Antworten waren für mich schon niederschmetternd:
- es war der unglaublich hohe Leistungsanspruch, den ich an mich hatte
- es war die geringe Balastbarkeit, was seelische Probleme betraf
- es waren Versagensängste (wieder aus den hohen Ansprüchen resultierend)
und vieles mehr. Das alles hat dazu beigetragen, mich zu einer der Persönlichkeiten zu machen, die für eine Suchtmittelabhängigkeit dipositioniert sind.
Das alles musste erst mal auf den Tisch und dann mussten Strategien entwickelt werden, die dabei helfen, dieses Verhalten zukünftig zu vermeiden.
Und, in Anlehnung an deinen schönen Spruch am Ende deiner Posts: Die Reise ist noch nicht zu Ende, das merke ich!
Frag ruhig weiter, wenn du noch etwas wissen möchtest!
ich bin zur permanenten Inventur übergegangen seitdem ich festgestellt habe, dass ich als Person niemals den Punkt erreichen werde, an dem "alles" perfekt sein wird. Ich weiss nicht recht, wie ich es erklären soll, oft habe ich an den Zeitpunkt gedacht, an dem ich endlich alles zu klärende geklärt haben werde und von dem an das Leben dann endlich richtig losgehen kann. Nur wirds den Zeitpunkt niemals geben, Perfektionsmus lässt sich einfach nicht erreichen, lediglich das Streben danach bleibt. Es fällt mir immernoch schwer das einzusehen, aber es wird jeden Tag einfacher, einfach das zu tun, was getan werden muss. Inventur gehört bei mir zum Tagesablauf dazu.
This is your life, and it's ending one minute at a time.
Bei mir zumindest hat das mit meiner Sucht zu tun.
Da ich bereits soweit bin, mir meine Sterblichkeit eingestehen zu können, möchte ich gerne alle anderen, die das hier lesen, an ihre eigene Sterblichkeit erinnern.
Da wir alle sterben und uns das gleich macht, frage ich mich, ob wir nicht auch in schöneren Zeiten gleich sein können.
Ob es nicht möglich ist, sich zumindest zu verzeihen?
Ob wir nicht einfach sein können, wie wir sind oder sein wollen oder so. Wir sterben.
Der Gedanke befreit mich. Ich werde sterben.
Ich.
Und das finde ich richtig perfid. Jeder andere auch.
Dann wirst du wohl auch nicht in schöneren Zeiten 'gleich' sein können. Insofern lautet die individuell auf dich zurechtgemünzte Antwort auf deine Frage: "Nein."
It is no measure of health to be well adjusted to a profoundly sick society. J. Krishnamurti
ZitatGepostet von relaunch Der Gedanke befreit mich. Ich werde sterben.
"It's only after you've lost everything you're free to do anything." und "Losing all hope was freedom." heisst es in "Fight Club". Sehr weise Worte wie ich finde. Jedes mal wenn ich parlysiert im Flieger sitze (und das kommt jobbedingt sehr oft vor), denke ich an diese Worte. Es wirkt tatsächlich befreiend in vierlerlei Hinsicht, sich die eigene Sterblichkeit vor Augen zu halten.
This is your life, and it's ending one minute at a time.
ZitatGepostet von Pyranha .... Es wirkt tatsächlich befreiend in vierlerlei Hinsicht, sich die eigene Sterblichkeit vor Augen zu halten.
Das ist auch meine Meinung. Und obwohl ich Totenkopfschmuck immer abscheulich fand, trage ich jetzt einen Ring mit einem sehr dezenten Totenkopf wegen >>> memento mori
____________________________________________________________________________________________________ Wenn du am Morgen erwachst, denke daran, was für ein köstlicher Schatz es ist, zu leben, zu atmen und sich freuen zu können. Marc Aurel
die erste Bestandsaufnahme (bei dem Wort "Inventur" bin ich als Programmierer vorgeschädigt:grins2 habe ich auch während meiner Therapie gemacht - notgedrungen; ich mußte den "Jellinek" schriftlich für mich Punkt für Punkt bearbeiten.
Danach habe ich erst mal ein Jahr lang das abstinente Leben eingeübt - Tag für Tag, Woche für Woche.
Dann hat mich interessiert, wer ich denn eigentlich war, als 25 Jahre zuvor das Saufen anfing. Habe eine Gesprächstherapie und eine Naikanwoche gemacht. Irgendwann habe ich auch angefangen, in eine Selbsthilfegruppe zu gehen.
Seitdem fahre ich zweigleisig: a) ständige Beobachtung, Hinschauen was läuft, Bestandsaufnahme wöchentlich in meiner Selbsthilfegruppe (Kreuzbund) - Feedback holen b) Weiterbildung im Selbsthilfeverband, bzw. Baustellen auch mal außerhalb meiner Suchtgeschichte bearbeiten, z.B. Schweigewochen
Mein Rat: laß dich nicht wuschig machen durch starres Kleben und Zitieren von durchaus sinvollen Schritten, in die die Erfahrung vieler geflossen sind. Ich finde es spitze, daß du dir ein Meinungsbild abholst.
Ich habe es die Tage schon mal irgendwo geschrieben: Mein erstes halbes Jahr bis zur Therapie und auch das daraufolgende halbe Jahr war ein Aushalten, Vortasten in vermintes Gebiet, ein Vorwärtstippeln in Hennadäpperle (schwäb. für sehr kleine Schritte in einem Kinderspiel).
"Inventur" is nich mehr so mein Ding. Was ich mich seit eeeiniger Zeit frag, ist: Was willst noch (machen)? Was "fehlt" dir noch? (*grins* Vielleicht bist jetzt verblüfft... Vor einiger Zeit tippte ich was von "Erinnerungen wachhalten" und du von "Schöner (Zukünftiger/)Neuer Welt"...)
@relaunch
Schon vor Tagen wollte ich dir was tippen, weil mir das beim Lesen von deinen Posts kam... jetzt mach ichs: "Freedom is just another word for nothing left to lose"(Janis Joplin) Weiß ned, ob du des verstehst...aber _ich_, der inzwischen schon älter als sein Vater geworden ist, versuche, das zu leben... Mein Kind und meine Mutter sind (finanziell) "versorgt". Daher fühle ich mich inzwischen ziemlich "frei".
Naja...
"Wenn das das berühmte 'lange Glück' sein soll, dann lass ich meine Fenster lieber ungeputzt und beschäftige mich mit mir oder meinem Mann." -- 'Saftnase'
Deine Zeilen rühren mich. Ich verliere nichts mehr. Und evtl ist das genau der Grund, weshalb ich mich so häufig glücklich fühle. Ich hab nix mehr zu verlieren. Nicht einmal mich selbst. Denn ich habe mich gefunden.
Marianne, ist das nicht ein Widerspruch in sich? Gerade wenn man sich selbst gefunden hat, hat man doch eine Menge zu verlieren. Oder?
Ich habe dann nix mehr zu verlieren, wenn ich mich aufgegeben habe und mein gesamtes Umfeld, plus Kinder, die mir in deiner Aussage leider schon wieder viel zu kurz kommen. Denn alleine der beiden tollen Kerle, die ich da hab kennenlernen dürfen, hättest du eine Menge, die du verlieren könntest.
Falls ich dich falsch verstanden haben sollte, klär mich bitte auf.