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Saufnix  
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Dieses Thema hat 4 Antworten
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 Ganz, ganz viele Fragen
chris31737 Offline



Beiträge: 3

21.12.2007 13:58
RE: Wie weit ist Hilfe möglich ? Zitat · Antworten

Hallo,
Ich selbst bin seit 5 Jahren trockene Alkoholikerin und komme in der Zwischenzeit sehr gut damit zurecht. Doch das soll nicht mein heutiges Thema sein.
Ein guter Freund von mir ist vor 2 Wochen an Leberzirrhose verstorben - er war erst 40. Ich hatte leider seit 10 Jahren keinen Kontakt mehr zu ihm und bekam die Information über seinen Tod von seiner Frau. Ich kannte ihn als sehr strebsamen, liebenswerten und humorvollen Menschen, der aber auch sehr unsicher war. Seine Frau hat mir erzählt, daß ihn der plötzliche Tod seines Vaters vor 10 Jahren total aus der Bahn geworfen hat. Er hat dann mit seinem Studium aufgehört und ist in den Job seines Vaters eingetreten. Er hat dann unheimlich viel geleistet, ist aber mit vielen Situationen nicht fertig geworden. Er hat in der Firma vor schwierigen Gesprächen begonnen Wodka zu trinken und es wurde immer mehr und hat sich dann auch bald zu Hause fortgesetzt. Die Beziehung wurde dann immer schwieriger, von Scheidung war die Rede. Seine Frau hat versucht ihn zu helfen, doch er hat sie nicht an sich herangelassen und auch keinen seiner guten Freunde. Er hat seine Situation verleugnet und sich immer weiter zurückgezogen. Dann hatte er alkoholisiert einen Autounfall und daraufhin ein Verfahren wegen Körperverletzung. Er hat seinen Job verloren und keinen neuen mehr gefunden. Er wurde immer schwächer, immer abhängiger, immer hilfloser. Jetzt fragte er seine Frau, warum sie sich nicht mehr bemüht hätte ihm zu helfen. Sie sagt, sie hätte zu dem Zeitpunkt schon resiginiert gehabt, sie hatte kein Vertrauen mehr zu ihm und hatte auch keine Energie mehr ihn zu stützen. Er bekam ganz dicke Beine, dann Durchfall und kam schließlich nicht mehr aus dem Bett. Er wurde noch ins Spital eingeliefert, wurde kurz am Leben erhalten und verstarb dann im Kreis seiner engsten Freunde.

Mich nimmt das ganze schrecklich mit und mir tut seine Frau so leid.
Sie hat ein fürchterlich schlechtes Gewissen und meint, sie hätte die Situation unterschätzt und fragt sich, ob sie nicht mehr für ihn tun hätte können.

Was könnt ihr dazu sagen ?

Was ist das gewesen, war es Leberzirrhose, was ihn umgebracht hat - gibt es da nicht eindeutige Vorzeichen - warum kann es sein, daß so lange nichts unternommen wird, und dann plötzlich alles zu spät ist?

Es wühlt alles momentan so viel in mir auf - ich denke auch wieder sehr viel an meine aktive Zeit und bin so froh, daß ich davon weg bin. Ich kann so vieles nachvollziehen, was da passiert ist und es tut auch mir so leid, daß ich nicht die Möglichkeit hatte mal mit ihm darüber zu sprechen.

Liebe Grüße

Christine


Dirk-N Offline



Beiträge: 88

21.12.2007 17:37
#2 RE: Wie weit ist Hilfe möglich ? Zitat · Antworten

Hallo Christine,

es ist immer schlimm, wenn Menschen sterben. Und wenn es Alkoholiker sind, deren Leber nicht mehr funktionieren, ist kein sehr schöner Tod. In meiner Tätigkeit als Sozialarbieter habe ich einige erlebt, die diesen Weg gehen mußten. Bis kurz vor Schluß haben sie getrunken, ihre Probleme betäubt, die Angehörigen ignoriert, die Arbeit verloren, alle Alarmsignale in den Wind geschlagen. Und dann die Diagnose: Leberzirrhose, aus vorbei, Überlebenschance gleich null. Und da sie keinen Alkohol mehr bekommen, müssen sie die letzten Tage und Wochen bei vollem Bewußtsein erleben. Manche haben dann die Chance, ihre Krankheit zu erkennen. Andere suchen immernoch die Schuld bei anderen und machen ihnen dann ein schlechtes Gewissen und gehen unversöhnt, unversöhnt mit sich selbst und leider auch unversöhnt mit ihren Angehörigen.

Aber was hätte die Frau denn tuen können? Wir wissen doch alle, wie hilflos wir sind. Niemand kann einen Alkoholiker trocken legen. Und was ist Hilfe? Reden? drohen? Unter Druck setzen? Verlassen? Hilfe durch nichthelfen?

Wer nicht zu der Einsicht kommt, das er krank und süchtig ist und sein Leben entsprechend einrichten muß, wird bis zu seinem Tod trinken. Und Angehörige sind ja in der Regel die letzten, die da wirklich etwas ändern können, leider im Sinne der Angehörigen. Und dieser Frau geht es jetzt eben jetzt so schlecht, weil sie dies auch noch nicht erkannt hat. Sie war machtlos, sie hätte alles Erdenkliche machen können, es hätte den Mann nicht gerettet.

Also nicht traurig sein, falls Du Kontakt zu ihr hast, tröste sie in diesem Sinne und grüße sie von einem trockenen Alkoholiker der kurz vor seinem Alkoholtod aufgehört hat zu trinken, mit dem großen Glück, daß seine Leber noch ganz gut funktioniert hat. Sie möge sich auf sich konzentrieren, so schwer daß auch sein mag. Sie hat das Recht, jetzt nur an sich zu denken, ein nasser Alki denkt letztendlich auch nur an sich und seine Sucht.

Gute 24 Stunden
Dirk

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chris31737 Offline



Beiträge: 3

21.12.2007 22:19
#3 RE: Wie weit ist Hilfe möglich ? Zitat · Antworten

Hallo Dirk,

herzlichen Dank für Deine Antwort.

Ist sicher richtig, wenn der Wille zum Aufhören nicht da ist, kann wohl kein noch so Nahestehender den Betroffenen dazu bringen. Gut, weiß ich ja aus eigener Erfahrung.

Es ist für mich einfach nur so schwer nachzuvollziehen, was während der letzten 10 Jahre passiert ist, weil der Alkohol vorher nie ein Thema für ihn war.

Bei mir war es ein schleichender Prozess, der schon mit 15 begonnen hat. Ich hätte es alleine nicht geschafft von der Sucht loszukommen. Ich war damals wirklich froh von Freunden bei der Hand genommen zu werden. Gut der Wille war auf jeden Fall da, ich konnte es vor mir selbst einfach nicht verantworten, es war mir nur noch peinlich. Doch es ist mir in den vergangenen 5 Jahren auch sehr bewußt geworden, daß es ein nie endender Prozeß ist Probleme trocken zu bewältigen. Ich sehe es jetzt als Herausforderung und Chance, doch am Anfang war es eine schwarze Wand.

Danke für die Grüße an Carina, ja, ich denke sie kann momentan jeden Beistand gebrauchen. Am Ende überwiegen immer die schönen Bilder, aber sie hat sicher schlimme Zeiten hinter sich.

Liebe Grüße und gute 24h

Christine


JREWING ( gelöscht )
Beiträge:

30.12.2007 22:00
#4 RE: Wie weit ist Hilfe möglich ? Zitat · Antworten

Hi, das tat mir sehr leid das zu lesen; Alkohol ist für mich die schlimmste Droge, wirklich.
Die Frau trifft wirklich keine Schuld, jeder ist für sich verantwortlich, oft ist Hilfe durch Nichthilfe das beste. Ein Nullrundenspiel, helfen oder nichthelfen. Ich bin tendenziell für Nichthilfe weil ich es so gelernt in der LZT und selber so erfahren habe. Für ander wäre das vielleicht das falsche.
Ich denke man stirbt nicht an Leberzirrhose, sondern daran das die Adern sich neue Wege suchen müssen und das zu inneren Blutungen führen kann; bzw. die Entgiftung klappt nicht mehr richtig, und der Körper vergiftet sich selber. Die Adern müssen sich neue Wege suchen da die Leber ja nur noch ein kleines, hartes, totes Stück ist wo keine Adern mehr durchgehen.

Boris


chris31737 Offline



Beiträge: 3

31.12.2007 15:04
#5 RE: Wie weit ist Hilfe möglich ? Zitat · Antworten

Hallo Boris,

herzlichen Dank für Deine nette Rückmeldung. Ich habe in der Zwischenzeit etwas Abstand gewonnen, bin nach wie vor mit Carina in Verbindung. Es wird seine Zeit dauern, bis der Schmerz nachläßt.
Es hat mir gut getan über diese Sache zu schreiben, weil ich die Bilder einfach nicht mehr los wurde und ich es einfach nicht fassen konnte, daß Thomas ein solches Ende gefunden hatte. Gleichzeitig hat es mich wieder unheimlich stark an mein eigenes Problem erinnert und mir wieder die schreckliche Zeit meiner Abhängigkeit vor Augen geführt.
Ich denke auch, daß es unmöglich ist jemanden aus dieser Sucht heraushelfen zu wollen, wenn bei ihm der Wille in keinster Weise vorhanden ist.
Einen guten Rutsch und alles Gute.
Liebe Grüße
Christine


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