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Saufnix  
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Dieses Thema hat 194 Antworten
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 Deine eigene Alkoholkarriere
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kapoen Offline



Beiträge: 393

30.01.2018 04:40
#121 RE: Mein Werdegang zum Alkohiliker - Reflexionen Zitat · Antworten

Zitat von Bodhisattva im Beitrag #120
Danke für das Teilen und die offene Schreibe kapoen - nicht selbstverständlich.

Grüße, Bodhi


Guten Morgen Sven,

ich empfinde fast schon so etwas wie schriffstellerische Ehrgeiz beim Verfassen meiner Biographie. Beim Wühlen in meiner Vergangenheit kommen auch durchwegs schon längst vergessene Empfindungen erneut ins Bewußtsein.

Aber okay, wie gings weiter mit damals 1967 in einer kleinen Stadt in Belgien/Flandern. Ich befand mich ja noch im Klosterinternat, alles war noch gut. Irgendwann hatte mein Vater die Idee/den Plan das Geld unsere Familie in ein Ferienprojekt in Sardienien in der Stadt Gagliari anzulegen zu investieren. Es war wohl auch so geplant, daß mein Vater dort auch gleichzeitig dann Geschäftsführer werden sollte von einer Ferienanlage. Meine Eltern haben uns schon zum Italienisch Untericht gebracht, war auch vorgesehen, daß die ganze Familie dort hinziehen und dort leben sollte.

Was schlußendlich denn ganz genau passiert ist weiß ich nicht, jedenfalls hat mein vater das ganze Geld dort versenkt und auch noch zusätzlich größere Summen Kredit aufgenommen und ebenfalls versenkt. Außerdem hat er dort eine neue Frau kennengelernt und ist mit der denn sang und klang los auf und davon! Für uns meine Mutter mit ihren insgesamt vier Kindern bedeutet dies der rasante und absolute Fall aus der bürgerlichen Geborgenheit hin zu unterste Unterklasse in nullkommanix. Von heute aufmorgen mußten wir die Internate räumen, die Wohnung wechseln, der Gerichtsvollzieher hat zu Hause alles gepfändet was irgendeinen Wert hatte.......in den folgenden Monate war so wenig Geld da, das es nicht mal mehr für Heitzung und Strom gereicht hat, wir sassen also da in den Wintermonate in eine kalten, dunkeln Wohnung (Heizung/Strom abgedreht!) zum Teil dann auch ohne Lebensmittel, so daß ich zum ersten mal in meinen Leben begreifen mußte, was es heißt richtig hunger zu haben. Meine Mutter ist in dieser Zeit auch ständig von einer Wohnung zur nächsten umgezogen, weil sie mal wieder die Miete nicht bezahlen konnte. Sie war kaum arbeitsfähig als dann ja alleinerziehende Mutter mit vier Kindern, außerdem machte sich bereits zur dieser Zeit zum ersten Mal Agina Pectoris Beschwerden bei ihr bemerkbar. Kompletter konnte unser Unglück kaum sein.

Für uns Kinder hatte dies alles zur Folge, daß wir ab diesem Zeitpunkt in Belgien faktische keinen Schulunterricht mehr erhalten haben, wir waren fast nie mehr an einer festen Adresse solang angemeldet das die Schulbehörden bemerkt hätte, das wir in dieser oder jene Schule hätten sein sollen. Stattdessen - auch weil man Mutter kaum noch in der Lage war, uns irgendwie zu beaufsichtigen oder zu erziehen - fing nun für uns als Kinder das Leben hauptsächlich auf der Strasse an zu spielen. Ich muss damals etwa 9 jahre alt gewesen sein, als es anfing, und das ganze erstreckte sich auf etwa 2-3 jahre!

Die Strassengang, bestand im Wesentlichen aus vier Familien bzw. die Kinder/Jugendlicher dieser Familien. Es gab zwei Zigeunerfamilien, die jeweils 10 bzw. 12 Kinder hatten. Dann ich und meine Geschwister und der Patrick und seine Schwester, die auch aus schwer vernachlässigten Verhältnisse kamen. Wir waren also insgesamt - der "harte Kern" so etwa 15-20 Kinder angehender Jugendlicher. Mein Bruder war im übrigen der Boss dieser Gang. Dieser Gang war nun keineswegs irgendwie harmlos oder durch jugendstreiche gekennzeichnet. Einmal haben wir in Erfahrung gebracht, das der Vater vom Patrick (dessen Vater hatte seine Familie auch verlassen!) sich jeden Abend in einer Kneipe in einem anderen berüchtigten Viertel dieser Stadt aufhielt. Also sind wir eines abends da hin, ich denke wir waren so etwa zu 10 unterwegs. Tatsächlich stand Patricks Vater in dieser Kneipe an der Theke. Wir haben den armen Mann aus der Kneipe gezerrt, draussen dermaßen vermöbelt, das der sich anschließend mehrer Wochen lang im Krankenhaus mit mehrere schweren Brüchen, Prellungen etc. wiedergefunden hat. Anschließend dann gabs dann noch ne filmreife Verfolgungsjagt, haben sich die Leute aus der Kneipe Verstärkung organisiert - das ganze fand in Aalst im damals außerordentlich berüchtigten Vierte "Bergemeesen" statt - so das wir am Ende 20 -30 Leute an den Hacken hatten und gefühlt um unser Leben rennen mußten.

Ein anderes mal haben wir uns mit den "Zwaarte Jantjes" (Übersetzung die schwarzen Jans) angelegt. das waren drei ganz schön seltsam Brüder, die auch einen ziemlich kaputen Ruf vorausgingen. Diese drei Typen haben mal bei irgendeiner Gelegenheit sich an meiner Schwester und ihre Freundin rangemacht, die frühabends im dortigen Stadtpark unterwegs waren. "Rangemacht" hört sich nun harmlos an, tatsächlich hatten die schon unsere Frauen umkreist und ihre Messer gezuckt und es war klar, was sie wollten! Zum Glück kamen wir dann gerade um die Ecke und konnten unseren "Freunden" klar machen, daß das, was sie dort vorhaben keine wirklich gute Idee ist. Ja unsere "Argumente" haben sie überzeugt!

Ich weiß schon, daß sich das fast wie ne Story ausm Fernseher anhört, aber so hat es sich wirklich zugetragen, ja kann man sich irgendwie heute zu tage gar nicht vorstellen, das es sowas mitten in Europa gegeben hat. Ich könnte im prinzip noch viele andere ähnliche Geschichten hier auftischen, so war mein Leben zur diese Zeit. vollkommen verroht und ausser Kontrolle. Für einen angehender Judgendlicher aber auch sehr spannend und ja selbst in der Rückschau wie ein großes Abenteuer. Bedrohlich war allerdings das ständige Gefühl, wir würden irgendwann den Behörden so negativ auffallen, daß die mal angefangen hätten damit genauer nachzuschauen wie wir so lebten. Mit absoluter Sicherheit hätten die Behörden uns Kinder sofort meiner Mutter entzogen und wir wären wohl in irgendwelche Heimen für schwer Erziehbare gebracht worden. Ein Angst die uns damals ständig begleitet hat zumal in Belgien 1968 jedes Kind tagsüber in die Schule gehörte, eine Gang rumlungerende Kinder/Jugendlicher, die da so tagsüber durch die Stadt marschierte hat sofort jede Polizeistreife aufmerksam gemacht und es wurden sofort fragen gestellt. In diesen Zusammenhang sind wir sehr oft von der Polizei davon gelaufen. Und ja am Ende dieser Zeit, so circa 1971, nachdem sich meine Eltern wieder versöhnt hatten nach jahren (und wohl notgezwungen, meine Mutter konnte einfach nicht mehr) und mein vater beschlossen hat in Deutschland einen Neuanfang zu starten (weil wir in Belgien schuldenbedingt kein Bein mehr auf der Erden bekamen) waren wir in Polizeikreisen dann auch bestens bekannt. Den Zugriff konnten wir uns dann wohl letztendlich ´nur deswegen entziehen, weils dann tatsächlich hieß, Koffer packen, es geht ab nach Düsseldorf-Benrath neue Abenteuer entgegen, aber davon mehr im nächsten Kapitel

Grüße

Kapoen


sole Offline




Beiträge: 2.382

30.01.2018 07:12
#122 RE: Mein Werdegang zum Alkohiliker - Reflexionen Zitat · Antworten

Ich bin immer wieder entsetzt darüber, was man bis in die 1970er-Jahre noch als "Erziehung" bezeichnete.
Seelische, körperliche und nicht selten auch sexuelle Gewalt. Produziert traumatisierte Menschen - oder A**löcher.

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when in doubt: go to the water and swim


kapoen Offline



Beiträge: 393

30.01.2018 07:34
#123 RE: Mein Werdegang zum Alkohiliker - Reflexionen Zitat · Antworten

Zitat von sole im Beitrag #122
Ich bin immer wieder entsetzt darüber, was man bis in die 1970er-Jahre noch als "Erziehung" bezeichnete.
Seelische, körperliche und nicht selten auch sexuelle Gewalt. Produziert traumatisierte Menschen - oder A**löcher.


Da bin ich mit Dir 100% D'akkord! Von daher hats auch was "Gutes" gehabt, als ich nach einigen Jahren dieser "Erziehung" entkommen bin. Heute denke ich auch, das vieles von der anschließende Strassengewalt, welche mein Leben daran anschließend bestimmte läßt sich auch als Protest, Widerstand und Befreiungsversuch von diesen Zuständen deuten. Ein Umstand aufjedenfall der mich bis heute recht mißtraurisch auf die sogennanten bürgerlichen Werten und Umgangsweisen (bürgerliche Welt) schauen läßt. Nicht zuletzt die vielen Berichte über Kindesmißbrauch in pädagogisch/religiösen Anstalten, sexuelle Gewalt gegen Frauen (hier Filmindustrie) etc. zeigen doch, daß hinter der Fassade einer heilen Welt sich nicht selten tiefste Abgründen auftun!


Grüße

Kapoen


newlife ( gelöscht )
Beiträge:

30.01.2018 08:52
#124 RE: Mein Werdegang zum Alkohiliker - Reflexionen Zitat · Antworten

Hi kapoen,

ich möchte mich auch bei dir bedanken, was du in den letzten Tagen hier alles aufgeschrieben hast. Ich muss aber auch gestehen, dass ich das gerade mehr überfliege, mir aber ganz bestimmt die Zeit nehmen werde, dass alles zu lesen. Du hast ja schon auch deinen Anteil daran, dass ich umtriebiger bin als sonst, aber mir schadet das bestimmt nicht.

Ich komme mir sogar durchaus gerade so vor, als ob ich hier einfach weniger mitreden kann mangels Erfahrungen, ist aber nicht tragisch. Ich hab halt eben nur Suchterfahrung und davon reichlich. Vielleicht bin ich einfach entwicklungstechnisch in der nicht erlebten Jugendzeit "hängengeblieben". Keine Ahnung. Aber besser so, als für den Rest des Lebens auf den Drogen hängenzubleiben.

Du aber bist jemand, wo mich einerseits gezielt immer so ein bisschen dahinstupft wo es habert, mich aber auch gleichzeitg motivieren kann, dabei mal zu gucken. Das zeichnet dich hier wirklich aus, gegenüber den ein oder anderen selbstdarstellerischen Qualitäten anderer. Ich sag das einfach mal so, da ich ja bekanntlich keine Blätter vor den Mund nehme.

Gruß
Dirk


1 Mitglied findet das Top!
kapoen Offline



Beiträge: 393

30.01.2018 09:37
#125 RE: Mein Werdegang zum Alkohiliker - Reflexionen Zitat · Antworten

Zitat von newlife im Beitrag #124
Hi kapoen,

ich möchte mich auch bei dir bedanken, was du in den letzten Tagen hier alles aufgeschrieben hast. Ich muss aber auch gestehen, dass ich das gerade mehr überfliege, mir aber ganz bestimmt die Zeit nehmen werde, dass alles zu lesen. Du hast ja schon auch deinen Anteil daran, dass ich umtriebiger bin als sonst, aber mir schadet das bestimmt nicht.

Ich komme mir sogar durchaus gerade so vor, als ob ich hier einfach weniger mitreden kann mangels Erfahrungen, ist aber nicht tragisch. Ich hab halt eben nur Suchterfahrung und davon reichlich. Vielleicht bin ich einfach entwicklungstechnisch in der nicht erlebten Jugendzeit "hängengeblieben". Keine Ahnung. Aber besser so, als für den Rest des Lebens auf den Drogen hängenzubleiben.

Du aber bist jemand, wo mich einerseits gezielt immer so ein bisschen dahinstupft wo es habert, mich aber auch gleichzeitg motivieren kann, dabei mal zu gucken. Das zeichnet dich hier wirklich aus, gegenüber den ein oder anderen selbstdarstellerischen Qualitäten anderer. Ich sag das einfach mal so, da ich ja bekanntlich keine Blätter vor den Mund nehme.

Gruß
Dirk



Hy Dirk,

danke auch fürs Lesen! Warscheinlich schreibe ich daß hier mal mindestens genauso für mich selber als auch für andere. Und Lernen tun wir ja alle voneinander hier. Sozusagen eine Win/Win-Situation. Indem ich die Sichtweise und den Ansichten anderer Menschen hier kennenlernen darf, kann ich ja auch sehr davon profitieren. Wie Bodhi ja vor einigen Tage richtig festgestellt hat, fehlt mir ja der zwischenmenschlicher Austausch hinsichtlich unsere Abhängigkeitserkrankung ja auch weitgehend. Hier nun kann ich das zum Teil etwas nachholen, auch durch die Kommunikation mit Dir und andere! Dafür auch mal ein herzliches Dankeschön!

Grüße

Kapoen


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newlife ( gelöscht )
Beiträge:

30.01.2018 14:00
#126 RE: Mein Werdegang zum Alkohiliker - Reflexionen Zitat · Antworten

auf alle Fälle. Austausch halte ich immer für wichtig. Selbstverständlich ist er dienlich dafür, was ein Mensch an sich ändern kann um mehr Lebensqualität zu erreichen. Großartig mitgeteilt hast du dich hier im Forum ja bislang nicht, obwohl du schon ne ganze Weile hier angemeldet bist.

Du aber hast in den unterschiedlichsten Bereichen Erfahrungen gesammelt und einen sehr langen Leidensweg mit Selbstfindung hinter dir. Ein Leben voller Stolpersteine, aber du weißt heute genau wie du diese Dinge einzuordnen hast und letztendlich haben sie das aus dir gemacht, was du heute bist. Du hast davon durch enorm viel Eigenleistung profitiert und ich denke einfach mal, dass du gerade durch deinen inzwischen langjährigen Abstand zur früheren Sucht auch eher in der Lage bist, dich in andere Menschen hineinzuversetzen und du dadurch Hilfestellungen geben kannst und wohl auch eher die richtigen Worte dafür findest.

Eine ähnliches Erleben habe ich auch, wenn ich mich mit einem inzwischen 71jährigen im Bekanntenkreis unterhalte, der sage und schreibe bei 40! trockenen Jahren angekommen ist. Das sind Menschen, die spielen wirklich in einer anderen Liga, was Authentizität und die Betrachtungen angeht. Ich will nicht übertreiben, aber ich hatte schon oft Gänsehaut allein vor Ehrfurcht. Da geht's nicht um Rituale, ein Programm oder eine Anleitung. Da ist einfach nur die Person, die Geschichte und die Gefühle. 100 % Emotionalität. Dadurch lassen wir Menschen uns bewegen, auch ich.


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kapoen Offline



Beiträge: 393

30.01.2018 20:28
#127 RE: Mein Werdegang zum Alkohiliker - Reflexionen Zitat · Antworten

Anfang 1970 kamen wir am hauptbahnhof in Düsseldorf an, obwoh es ja eigentlich nur 400 km Luftlinie entfernt war, so wars es doch eine komplett andere Welt, eine doch ganz andere Sprache und auch die Mentalität ist doch nennenswert verschieden. Wir wohnten in einem schönen Apparment in Düsseldors Süden und eigentlich hätte das schon ein kompletter Neuanfang sein können wieder zurück in einer bürgerlichen Existens. Ich war damals noch schulpflichtig aber erneut wurde ich von den Schulbehörden ewig lang nicht erfasst, irgendwann so nach einen knappen jahr mußte ich dann doch eine sogenannte Einsiedlerschule besuchen, also eine Integrationsschule für schulpflichtige ausländische Kinder.

Ansonsten hatten wir am Anfang wenig Kontakte und ich weiß daß ich mit meinen Bruder große Rundgänge/Spaziergänge uns die schöne neue Welt ausführlichst angeschaut haben. Es gibt so gar ein ziemlicher genauer und auch bezeichneter Zeitpunkt, als wir Anschluß an neue deutsche Freunden fanden. Und zwar genau an dem Tag als meinen 14 Geburtstag feierten! Ich war mit meinen Bruder unterwegs gewesen und auch hatten wir einiges getrunken. Da kamen wir eher zufällig in /an einem sogenannten Jugentreff in Düssedorfl-Reizholz (ein damals sozialer Brennpunkt) vorbei. So provokativ wie war damals unterwegs waren hats dann wohl auch nur so gut 10 Minute gedauert bis wir in die tollste Schlägerei involviert warem in diesem Jugendtreffpunkt. Im Prinzip hatten wir die ganze Meute dort gegen uns und klar, wir haben saftig einstecken müssen. Wir sahen so malträtiert aus, das später an der Bushaltestelle der Busfahrer sich weigerte uns mitzunehmen, tür zu machte und gleich weiterfuhr hat er doch einen respektablen Schrecken bekommen, als er uns beide zerdeppereten Gestalten sah.

Am nächsten Tag sind wir erneut genau in diesem Jugendtreff hingefahren, diesesmal nüchtern wollte wir uns die Freunden dort nochmal vorknüpfen(eigentlich ein irwitziges Unterfangen, wir zwei gegen einem ganzen Jugendtreff) Naja gekloppt haben wir uns da nicht mehr, wohl aber größten Respeckt und Achtung eingehandelt, konnte man es doch kaum fassen, das wir noch mal den Mut aufbrachten dort wieder aufzutauchen. Ab diesem Abend waren wir Teil dieser Leute, die ich mal als Stadtrocker bezeichnen wurden.

Diese Scene war auch nicht wirklich friedlieben, eher im Gegenteil, langhaarig, Jeansjacke, oft mit Ketten, Nunchakos oder irgendwelche Knüppel bewaffnet sind wir so einige Male zu anderen ähnlichen treffbrennpunkte gefahren zum Beispiel Düsseldorf-Garath oder Wersten (sehr berüchtigte Gegenden) und so einige Massenschlägereien sind da von statten gegangen. Ich muß ehrlich gestehen, ich hab ein solches Leben durchwegs genossen, kein lästigen Verpflichtungen, tun und lassen was man will, immer unterwegs in gewisserweise abenteuerlich! Neben unserem Hobby, sich ständig mit irgendwelche Leute anzulegen, fing die kriminelle Schiene auch wieder an einzug in unserem leben zu nehmen. Wir sind da in so manch einem Laden/Gaststätte etc. eingestiegen, es ging zwar hauptsächlich mal um alkoholische Getränke, kleinere Geldbeträge, in Ordnung war das aber nicht. Auch haben wir uns ein Spaß daraus gemacht, jeder Nacht aufm Weg nach Hause (meistens auch angetrunken) uns an auf der Strasse stehen Fahrzeuge in Form von Vandalismus auszulassen. So einige Spiegel, Antennen, Lampen etc. haben dran glauben müssen. Blöderweise hatten wir immer den gleichen Weg nach hause, eines tages (absolut verständlicherweise) haben uns betroffene Bewohner in der Nacht aufgelauert. Links und rechts gingen die Fenster auf, rufe wurden herasugebrüllt, ich und mein Bruder Beine in die Hand genommen und Laufen was die Beine hergeben. Im Hintergrund haben wir dann gesehen, wie mehrere Fahrzeuge gestartet sind und die Verfolgung aufgenommen haben. Naja wir in einer Seitenstrasse rein, da gab kleine Vorgärten, blitzschnell haben wir uns über nem Heckenzaun geschmissen und lagen eng angepresst auf der anderer Seite dieses Zaunes. Autos haben angehalten, Taschenlampen hin und her, wie durch ein wunder wurden wir nicht endeckt und das war wohl wirklich gut so, die Jungs waren wirklich arg angefressen!

Ich könnte jetzt noch wirklich 100 ähnliche EreignisseStorys auflisten, ich denke aber exemplarisch reicht das um sich ein Bild zu machen was hier eigentlich so los war, wie mein Lebensweg immer mehr in die Illegalität und zur Distanz der normalen gesellschaft sich entwickelte. Gesoffen habe ich da schon reichlich und auch sonst standen die Zeichen auf Mega-crasch. Das hört sich alles ziemlich krass an, ich weiß, und man kann viel über ein solches Leben sagen, nur langweilig war das zur keiner Zeit, immer Aktion, immer was los!

Es wäre wohl nur ne Frage der Zeit gewesen, bis wir (ich spreche hier eigentlich immer über mich und meinem 3 jahre älteren Bruder) damals voll abgedrifftet wären, aber wieder stand ein großer Wechsel an. Mein vater hatte ein super Angebot bekommen in der Nähe der holländischer Grenze ein großes Restaurant, Kneipe + 2 große Festsäle zu übernehmen. Die ganze Familie wäre hier eingebunden und möglicherweise die letzter Gelegenheit nicht endgültig auf der schiefe Bahn zu geraten und die kurve zu einem halbwegs normalem Leben doch noch hinzukriegen. Das war alles ein Trugschluß und es kam alles noch viel härter als wir uns je hätten ausmalen können, allerdings auch in einer anderen Art und Weise als man zu diesem zeitpunkt möglicherweise hätte vermuten können, aber das folgt dann im nächsten kapitel

Grüße

Kapoen


kapoen Offline



Beiträge: 393

01.02.2018 06:24
#128 RE: Mein Werdegang zum Alkohiliker - Reflexionen Zitat · Antworten

Sommer 1974 muss es wohl gewesen sein - erfolgte der Umzug von Düsseldorf hin zur holländischen Grenze. Mein Vater hatte es tatsächlich geschafft, dieses Reastaurant/Wirtshaus zu pachten.
Im neuem Lebensabschnitt sollte sich alles ändern, gerade mein Mutter hegte wohl stark die Hoffnung, dass jetzt nach so vielen Jahren wir wieder so etwas wie ein normales Leben auf der Reihe bekommen würden.

Leider jedoch war von Anfang an gleich der Wurm drin. Dieses Restaurant ist nie so gelaufen wie es das gebrauchte hätte. Finanzielle Probleme, zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben! Meine Aufgabe bestand darin in der Küche mitzuhelfen, mein Vater als Koch und meine Geschwister im Service. Das hiess für mich jeden Tag arbeiten ab 17:00 uhr bis etwa 23:00. Diese Zeit war anfänglich gar nicht so schlecht und wenn dann auch die Quelle zu hause ist gabs abends nach der Arbeit natürlich immer noch ein Feierabendbierchen.

Da sich unsere wirtschaftliche Lage immer weiter verschlechterte enstanden zunehmend auch innerfamilialen Spannungen. Vor allem mein Vater kam sehr schräg drauf. Oft sass mitten in der Nacht alleine mit glassigen Blick in der Gaststube und hat nur noch wirres Zeug vor sich her geredet. Irgendwann hat meine Mutter ihm dann dabei ertappt das er über ihrem Bett mit einen Tranchiermesser bereit zum Zustechen gewesen sein soll! Meine Mutte hat dann mein vater zur Rede gestellt und er hätte wohl zugegeben uns alle umbringen zu wollen. Das war natürlich extrem harter Tobak. Jedenfalls haben wir es ab diesem Zeitpunkt nicht mehr gewagt Nachts ausm Zimmer zu gehen, daß ab da eh immer voll verammelt und zugesperrt war. Einige Male sind wir auch nachts abgehauen, weil einfach nichtmehr klar war, was oder wie mein Vater im Schilde fuhr.
Diese Situation war extrem belastend für mich und meiner Geschwister und Mutter, auch wenn ich vorher schon ziemlich viel getrunken habe, in dieser Situation sind dann endgültig alle Seile gerissen und es gab kaum noch ein Tag den ich nüchtern erlebte, da war ich gerade etwa 17 jahre alt!

Aber selbst die schlimmste Zeit geht irgendwann vorbei. In unserem Fall war das Aus dann nur noch ne Sache von einigen Monaten bis wir endgültig zahlungsunfähig waren und das Geschäft schliessen mussten. Wir waren alle mehr erleichtert als traurig deswegen. In aller Eile haben meine Eltern dann eine Art Notquartier in der Nähe des Düsseldorfer Bahnhofes angemietet. In einem düsteren Hinterhof, das allerletzte Loch, was wir je gesehen haben, der Absturz konnte tiefer nicht sein. Meine Mutter hat das dann alles nicht mehr verkraftet kam nach einigen Tagen dort dann ins Krankenhaus, wo sie dann einige Tage später auch verstarb! Sie ist wohl regelrecht an gebrochenem Herzen gestorben. Sie war ja vorher schon herzkrank und die ganze doch riesige Entauschung und endgültige Aufgabe eines Lebenstraums auf eine besseres Leben hat sie zerbrechen lassen.

Für mich war das alles natürlich extrem schlimm und auch war es das erstemal das ich mit massiven psychischen Problemen zu tun hatte. Ich bekam bei der Nachricht vom Tod meiner Mutter einen Nervenzusammenbruch und auch in der Folgezeit waren Selbsthass und massivster Schuldgefühle extrem stark bei mir ausgeprägte. Mit dem Tod meiner Mutter löste sich dann in letzter Konsequenz auch die Familiengemeinschaft auf. Mein vater ging nach Solingen, wegen einer arbeitstelle, meine Schwester zog zu ihrem Freund, meine Mutter war ja gestorben blieb nur noch mein Bruder als letzter (allerdings recht zweifelhaften Halt)

Die Zeiten damals waren anders, auf der Idee das ich psychisch schwerstens traumatisiert verletzt und krank war und ich dringenst profesionelle Hilfe bedarft hätte, bin weder ich noch jemand anders gekommen. Mehr oder weniger dann auf mich allein gestellt waren die folgenden jahren durch einem beispielslosen Niedergang gekennzeichnet.

Aber zunächst sah es so aus als konnte das Schlimste noch mal abgewendet werden. Nachdem der schlimmste Trauer überstanden war und sich alles etwas gelegt hatte, fand mein Bruder bald eine Arbeitstelle. Und schon einige Tage später konnte ich auch dort anfangen. Es handelte sich um eine Gartenbaufirma, wo ich als Helfer eingestellt wurde. Das war noch so ne Firma, wo es am Freitagnachmittag noch eine Lohntüte gab. Unsere Lohntüte haben wir so ziemliches jedes Wochenende versoffen. Unser Vater zahlte die Miete so das wir fast eins zu eines alles aufm Kopf hauen konnten. Die folgenden Monaten haben wir dann hauptsächlich die Düsseldorfer Altstadt unsicher gemacht. Gefühlt haben wir hinsichtlich unserer Arbeit mehr blau gemacht als das wir anwesend waren. Naja unser Chef war recht großmutig mit uns. Jedenfalls ging das fast ein knappes jahr mehr oder weniger gut damit, und ausser das wir wieder ziemlich auseinanderstezungsfreudig unterwegs waren hatte ich mich ansosnten wieder gut gefangen so dass das Leben auch wieder Spass machte.

Irgendwann dann hat ein recht unscheinbares Ereigniss mein Leben noch mal eine negative Wendung gebracht. Mein Bruder wurde zum Belgischen Militär eingezogen, und praktisch seit diesem Zeitpunkt war er aus meinem Leben verschwunden und ist auch nie mehr wieder zurückgekehrt. Mein Bruder meint heutezutage, daß wäre wohl sein großes Glück gewesen stand er doch auch arg auf der Kippe, allerdings nicht so starkt wie ich. Naja jedenfalls warst dann so, arbeit futch, Bruder futch, allein mit 18 - 19 jahre, seelische, psychisch vollkommen aufm Hund, ohne Idee und Orientierung, ohne Plan ohne alles eigentlich ausser einen riesigen Sack persönlicher Problemen.

In der Folge Zeit bin ich dann immer mehr in die Drogenscene in Düsseldorf abgedrifftet. Teilweise auch viel in alternativen, linken Kreise, Hausbesetzterscene aber auch in kriminelle Milieus rumgetrieben. arbeiten bin ich da gar nicht mehr gegangen meinen ganzen Lebensunterhalt habe ich komplett nur noch mit irgendwelchen krumen Geschäfte bestritten. Einbrüche, Diebstähle, Rezeptfälschungen, Handel mit Drogen. Ich könnte an dieser Stelle wieder zig zum Teil krass-haarstraubende Geschichten zum Besten geben, aber ich lasse es mal lieber, jedenfalls die Drogenscene und alles drum herum ist ne richtig harte nummer und es geht in jeder Hinsicht bald nur noch ums überleben.

Neben diesen ständigen Geldbeschaffungsmassnahmen war mein Hauptbeschäftigung der Konsum. Ich habe eigentlich alles konsumiert was mit unter den Augen kam. Alkohol, Tablette, Drogen jeglicher Art....ich war komplett dauerberauscht, kein Moment mehr nüchten. Das hat natürlich zu einem Niedergang ohne Bremse und Fallschirm geführt und schon 1977 mit 19 jahre habe ich meine ersten LZT versucht. Das war auch wirklich nur ein Versuch. Weil ich eifersüchtig war (unglücklich verliebte) , war ich so gekränkt, das ich nachts raus in der nächsten Disco bin, dicken Rückfall gebaut habe und bei der Rückkehr schon erwartet wurde. Sofort Koffer packen und ab dafür!

Monate voller Abstürze, ohne Wohnung (wobei ich dann meistens in Besetzten Häuser quartier bezogen habe), größere und kleinere Gaunereien, weil das die einzige Möglichkeit war an Geld zu kommen! Ein immerwährender Auf und Ab des Daseins, ständig on the run....dann der nächster Versuch, den ich selber sogar angeleiert habe, war mir inzwischens schon klar, das das nicht mehr lange gut gehen würde. Zweiter Versuch, zweite Therapie durchgehalten, hatte sogar eine Freundinn dort kennengelernt. Nach der Therapie arbeit gesucht und einige Monaten liefs recht gut. Nach einigen Monate dachte ich, ich könne maich ja doch mal wieder mit nem kleinen Joint belohnen. Haschisch hatte ich eher wenig konsumiert vorher und deswegen so mein Denken, könne es wohl nicht so arg gefährlich für mich sein. Die Bahn auf die ich mich damit begab wurde immer rutschiger und immer schräger und so kam was kommen musste. Der totale Absturz erfolgte dann als ich mit einem Kumpel nach München gefahren bin um hier bei BMW für 6 Wochen als AUshilfe bei BMW am Band zu arbeiten. Ich weiss, das ich die 6 Wochen bei BMW tatsächlich durchgehalten habe, was ich sonst noch hier in München gemacht habe, keine Ahnung....naja wieder ein längere Zeitraum ohne Erinnerung. Zuletzt war ich so kaput, dass ich damals ständige LSD ähnliche paranoide Wahnvorstellungen gehabt habe. Extreme Angstzustände in Kombination mit Verfolgungswahn, wer so was nocht nicht erlebt hat, kann sich nicht vorstellen, wie unangehnehm so was ist! Auf der anderen eite war ich auch finanzielle so am Ende, das ich ernsthaft überlegte (und auch schon plante!) mal ein richtig großese Dinge zu drehen, Banküberfall oder so ähnlich.

Mir ist dann quasi im allerletzten Moment klar geworden, daß ich nur noch eine Chance habe die Reißleine zu ziehen, sonst wird er Aufprall absolut bitter, warscheinlich tötlich sein. Da bin ich dann aufgewacht, ein Therapieplatz in einem Day-Top Haus bekam ich relativ schnell, und es war klar, das Ganze jetzt endlich richtig durchziehen oder sterben werde und das gilt bis zum heutigen Tag immer noch, selbst nach 37 Jahre.

Mein Resümee, ich habs leider nicht geschafft, sozusagen etwas aus meinem Leben zu machen. Aber hurra ich lebe noch und das ist ganz sicher viel mehr, als es lange zeit erwartbar gewesen wäre. Nach der letzten LZT (1981) gings denn trotzdem nicht nur immer weiter aufwärts (habe auch in meiner trocken/cleanzeit auch so einige schicksalhafte Rückschläge verkraften müssen) aber davon dann wieder im nächsten Kapitel mehr. Rückfällig bin ich aber nie mehr geworden danach!




Grüssse

Kapoen


PS hier einige Fotos zu meiner Lebensgeschichte:

Mit 16 jahre in Düsseldorf (Stadtrockerzeit):

https://drive.google.com/file/d/1cbi0mwA...iew?usp=sharing


Während meiner ersten LZT mit Ca. 18 jahre

https://drive.google.com/file/d/1tKZhkdS...iew?usp=sharing


Foto dieser Tage (Meine Frau und ich, während unseres Urlaubs in Indonesien)

https://drive.google.com/file/d/0B2qWpwn...iew?usp=sharing


Grüsse

Kapoen


1 Mitglied findet das Top!
Lauralisja Offline




Beiträge: 1.674

01.02.2018 13:07
#129 RE: Mein Werdegang zum Alkohiliker - Reflexionen Zitat · Antworten

Zitat von kapoen im Beitrag #128
Mein Resümee, ich habs leider nicht geschafft, sozusagen etwas aus meinem Leben zu machen. Aber hurra ich lebe noch und das ist ganz sicher viel mehr, als es lange zeit erwartbar gewesen wäre. Nach der letzten LZT (1981) gings denn trotzdem nicht nur immer weiter aufwärts (habe auch in meiner trocken/cleanzeit auch so einige schicksalhafte Rückschläge verkraften müssen) aber davon dann wieder im nächsten Kapitel mehr. Rückfällig bin ich aber nie mehr geworden danach!



Hey Kapoen,
Hut ab und danke fürs Teilen Deiner Geschichte.

Aber - Nichts aus Deinem Leben gemacht? Sieht für mich aber nach einer Menge aus. Startkapital hattest Du ja keins, im Gegenteil.
Du hast sehr viel Glück gehabt bei dem ganzen Pech. Und es zu nutzen gewusst, meine ich mal. Die meisten überleben so etwas nicht.
Immerhin blickst Du auf 37 cleane Jahre zurück, und das die bei dem Start nicht einfach waren, kann ich mir gut vorstellen. Dieses bekloppte Eliteinternat hätte ja schon gereicht, einem das Leben gründlich zu versauen.
Du hast da so einiges geleistet. Sich nach so vielen Enttäuschungen einzulassen auf sich selbst und andere, seinen Emotionen Raum zu geben, ist groß!

Gute Besserung Deiner Grippe wünsche ich und dass Dich der Rückblick noch Offenes begreifen läßt. (bei mir tut sich dann immer mal wieder was Neues auf)

Uta

"Großer Gott, laß meine Seele zur Reife kommen, ehe sie geerntet wird!" Selma Lagerlöf


1 Mitglied findet das Top!
kapoen Offline



Beiträge: 393

01.02.2018 17:53
#130 RE: Mein Werdegang zum Alkohiliker - Reflexionen Zitat · Antworten

Zitat von Lauralisja im Beitrag #129


Gute Besserung Deiner Grippe wünsche ich und dass Dich der Rückblick noch Offenes begreifen läßt. (bei mir tut sich dann immer mal wieder was Neues auf)

Uta


Hy Uta,


ja ich gebe Dir recht, da ist schon einiges zusammen gekommen an Erfolgstory in meinem Leben! Die wichtigste Kategorie für Erfolg ist die Eigenschaft sich die Menschlichkeit zu bewahren.

Manchmal denke ich darüber nach, warum es mir bisher so gut gelungen ist mir den Rückfall vom Hals zu halten!? Ich hatte während den ganzen Jahren nicht eine Situation wo ich ernsthaft ringen musste!

Möglicherweise haben die ersten 6-7 guten Lebensjahre ausgereicht hier einen starken Schutz aufzubauen so das ich trotz widrigste Umständen eine innere Stabilität nie verloren habe. Mag aber auch sein, das ich eine gewisse innere Grundstärke - aufgrund der vielen zum Teil harten Auseinandersetzungen - im Laufe der Zeit aufbauen konnte. Oder ein Mix aus beiden Eigenschaften!

Auch war es mir stets sehr wichtig (bis zum heutigen Tage) Ziele und Perspektiven zu entwickeln. Nur so vor sich hin Leben wäre kritisch für mich gewesen und klar, wenn man so jung (mit 21) alles schon durch hat hinsichtlich seiner Sucht, hat das natürlich auch den nicht zu unterschätzenden Vorteil alles noch mal neu von der Pike an wieder aufzubauen und nochmal entsprechende Perspektiven entwickeln zu können.

Auch mal unseren zahlreichen neuen Mitgliedern sei gesagt, daß für mich Alkohol jeden Reiz verloren, selbst der oft zitierte "Lebensgenuß" in Zusammenhang mit Wein oder Änhlichem , kann ich kaum noch etwas Positives abgewinnen. Ich bin aber kein extremer, radikaler Alkoholgegener, jeder soll machen was ihm Spass bereitet und jeder trägt auch die eigene Verantwortung selbst. Ich vergleiche das Trinken mit der Situation von Kindern, die von ihren Eltern eigentlich Zuwendung, Aufmerksamkeit, Mühe und Auseinandertsetzumg erwarten könnten, stattdessen aber vorm Fernseher "geparkt" werden und mit knalligen Bonbons abgespeist werden. Wenn das einmal passiert, no problem, wenn das Erziehungsstil ist, dann prost mahlzeit! Etwas Ähnliches machen wir dann später mit uns selber (vielleicht weil wir es ja so gelernt haben!?) wenn wir uns den ALkohol/Drogen zuwenden und damit Gefühle der Ersatzbefriedigung ansteuern. Auf diese Weise bekommen wir aber nie, daß was wir eigentlich (auch schon ganz früher immer wollten) , nämlich unser Leben, bzw. die Auseinandersetzung mit unseren Gefühlen, Bedürfnisse und alles was zum Leben halt dazugehört. Wenn wir konsumieren dann parken wir uns bildlich gesprochen selber vorm Fernseher und begnügen uns mit billigen Süßzeug, das echte, wahre Leben bekommen wir auf diese Weise nicht! Also kann es wohl doch nur heißen, Schluß mit dem großen Selbst- bzw. Fremdbeschiß, wir wollen unser echtes Leben zurück, wir lassen uns nicht mehr billigen Ersatzbefriedigungen abspeisen! Wie sagte schon Adorno? In einem falschen Leben kann es kein richtiges Leben geben.

Also sich auseinandersetzen mit Ursachen, Auslöser, und Lösungswege aus seiner Sucht. Alles nehmen was man kriegen kann, selbst wenn es am Anfang ein bloßes Zeitschinden ist, egal auch sowas bringt schon was. Und klaro sich viel Wissen übers Thema aneignen, wobei Wissen alleine nicht viel bringt, es muss ja auch noch umgesetzt werden (was bei weitem der Wichtigere Anteil daran ist!) Trozdem ist es nicht ganz unwichtig macht es doch das Unerträgliche manchmal erträglich. Hunger haben und nicht zu wissen, wann die nächste Mahlzeit fällig ist, kann schier unerträglich werden. Hunger haben aber zu wissen, daß es spätestens morgen wieder was zu beissen ist, macht den Hunger nicht weg, läßt es aber leichter ertragen.

Und ja alle Anfang ist schwer, das gilt überall auch bei uns. Anfänglich ist man ja noch sehr in einem Ungleichgewichtszustand, ein Ungleichgewicht, was ja nicht über nacht gekommen ist, sondern im Laufe der Zeit nach und nach eingestellt hat. Das heißt die Fähigkeiten sich auf "normalem" Wegen sich sein leben gut und angenehm einzurichten hat erheblich gelitten, unsere Suchtneigung dies unatürlich, künstlich durch Ersatzbefriedigung (wobei jeder derartiger Versuch absolut zum Scheitern verurteil ist) zu erzwingen dagegen sehr ausgeprägt.

Eine gewisse Lebensunfähigkeit steht einer gewissen Neigung zur Ersatzbefrieding diametral entgegen. Kann kaum verwundern, daß dies anfänglich eher als schmerzlicher Prozess erlebt wird, ein Prozess der voller Unsicherheiten, Ängsten einhergeht und befremdlich wirken mag. Diese Gefühle aber, sind auch Indikator dafür aufm richtigen Pfad zu schreiten. Es muß einem nicht immer schlecht gehen am Anfang der trockenheit, falls das aber mal aufkommt gehört das wohl auch in gewisserweise dazu.

Grüße Kapoen

PS: Danke!, grippemäßig habe ich alles schon wieder gotseidank überstanden, morgen oder übermorgen schreibe ich dann nocht etwas darüber, wie ich während der Zeit als Student in München über die Runden gekommen bzw. welche Problemen sich ergeben haben.


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02.02.2018 08:41
#131 RE: Mein Werdegang zum Alkohiliker - Reflexionen Zitat · Antworten

Wintersemester 87/88 ich hatte mich eingeschrieben an der LMU in München. Meine Fächer: Soziologie/Sozialpsychologie und Volkswirtschaftslehre. Übers Studentenwerk hatte ich ein Dachgeschosszimmer in einem kleinen Studentenwohnheim erhalten. Eigentlich wars eher eine grosse WG da es insgesamt nur 8 Zimmer umfasste.

Die Zeit als Student habe ich generell sehr genossen. Ein solches Leben ist in allererste Hinsicht mal ein sehr freies ohne zwängende Konventionen bestimmtes Leben. Ich hatte durchschnittlich 5-6 Vorlesungen die Woche dazu ein Grundkurz und noch 1 - 2 Seminare pro Woche. Anwesenheitskontrolle oder -plicht gabs keine! Das kam meinen damals noch ausgeprägten Freiheitsdrang bzw. meine Abneigung verbindlicher Strukturen gegenüber sehr entgegen. Abgerundet wurde es auch dadurch, dass ich dann auch Anspruch auf den Baföghöchstsatz zugesprochen bekam, das waren immerhin 700 - 800 DM!
Die Zeiten sind heute wohl anders, alles ist verschulter, es wird wohl generell mehr auf Anwesenheit etc. geachtet!

Trotzdem mussten auch wir am Ende des Semester unsere Prüfungen und Scheine abliefern, da gabs auch keinen Bonus nur wie man sich das Ganze gestaltete blieb einem weitestgehend selbst überlassen!

Neben dem Studium bin ich dann damals auch noch in unsere Fachschaft bzw. Hochschulpolitisch beim Asta aktiv geworden. 89-90 gabs ja mal wieder Studentenproteste im Wintersemster wurde teilweise gestreikte und die UNI besetzt. Bundesbildungsminister Mölemann hatte zur derzeit auch seinen legendären Auftritt im Audimax der LMU in jenen Tagen. Und in jene Zeit fiel auch die alljährliche Münchener Sicherheitskonferenz wo es dann damals zu dem beruhmt gewordenen Münchener Kessel gekommen ist. 100 von Demonstranten wurden rechtswidrig durch die Bayerischen Behörden bzw. starke Polizeikräften "eingekesselt"! Da war echt Radau im Gestrüb! Und ich mitten drin! Ich habe mich da echt pudelwohl gefühlt in jenen Tagen, kam das ganze meine rebellische, ablehnende Haltung gegen gesellschaftliche Verhältnisse sehr entgegen bzw. es bot mir die Möglichkeit diese Seiten voll auszuleben!

Zum Ende meines Studiums hin hatte ich dann auch wieder Kontakte zu der Klinik, wo ich ja zuletzt 7-8 jahre zuvor selber Therapie gemacht hatte. Ich habe dann mit Abend- bzw. Wochenenddienste dort angefangen, auch mal ein Praktikum dort geleistet, so das ich Therapie auch von der anderen Seite kennengelernt habe.
Zum Schluss dann habe ich im Rahmen meiner Diplomarbeit in Zusammenarbeit mit insgesamt 6 Day-Top Kliniken versucht herauszufinden, ob die Wahl des Suchtmittels eher zufällig erfolgt oder ob bestimmte Persönlichkeitstypen eher zu diesen oder jenen Suchtmittel tendieren! Die Ergebnisse meiner Untersuchung wurden dann auch in Fachzeitschriften veröffentlicht und diskuttiert!

Nachdem die Diplomarbeit geschrieben war ind die Dipmomprüfungen alle erfolgreich abgelegt habe, gings um die Frage, ob ich dem Thema Suchtkrankheiten verhaftet bleiben wollte, was ich denn damals allerdings für mich gegenteilig entschieden habe. Ich war an einem Punkt angelandet, wo ich nicht mehr mein ganzes Sein, meine ganze Identität mit dem Thema Sucht verknüpfen wollte! Das war dann der Zeitpunkt, wo ich ein ganz normales Leben leben wollte, ohne jeyen Tag zu reflektieren, das ich Abhängig bin!

Also gings ab jetzt darum mich dem ganz normalem reellen Leben zu stellen und dieses auch zu meistern. Ich war zu dem Zeitpunkt 12 jahre trocken, hatte ein Uni-Diplom in der Tasche und als nächstes musste es darum gehen, einen Einstieg in die Berufswelt zu finden. Davon denn wieyer mehr im nächsten Kapitel!


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02.02.2018 19:46
#132 RE: Mein Werdegang zum Alkohiliker - Reflexionen Zitat · Antworten

Frühjahr 1993 hielt ich mein Uni-Diplom in Händen. Und jetzt also sollte auch für mich der Ernst des Lebens Einzug halten. Die Jahre vorher, die 5 Jahre zum Abitur sowie die 6 Jahre auf der Uni waren ja doch irgendwie unverbindlich-spielerisch gewesen. So richtig Verantwortung hatte ich ja bisher noch nicht übernommen, obwohl es sicherlich trotzdem eine großartige Leistung war, die ich in diesen Jahren vollbrachte. Ich bin dann aber ziemlich schnell in der Realität hart aufgeschlagen. Musste ich doch feststellen, daß die Welt keineswegs auf einen Soziologen gewartet hat. Soziologie ist zwar ein wirklich interessantes Fach, aber für die meisten Absolventen eine brotlose Kunst. In guten Zeiten kann man aber trotzdem aufgrund der erworbenen Schlüsselqualifikationen Quereinstiege in vielen Berufsfeldern hinbekommen, sind jedoch die Zeiten schwierig, wie damals, wird es für Soziologen und generell für die Absolventen der Sozial/Geisteswissenschaften zum Teil richtig schwer adäquate Berufspositionen zu belegen, zumal für jemandem wie mich, der ja auch vom Alter her schon spät dran war.

Diverse Jobs im wissenschaftlichen Umfeld, sowie Aushilfe in Datenerfassung, Auswertung alles schlecht bezahlte, ausbeuterische Geschichten, ein richtige guter Job war anfangs nicht in Sicht. Durch Zufall bin ich dann doch endlich zu einem halbwegs akzeptablen Beschäftigung gelangt. Die Firma Maatwerk, spezialisiert darauf schwervermittelbare Langzeitarbeitslosen wieder in Arbeit einzugliedern, wurde auf mich aufmerksam und bot mich sogleich ein Arbeit als Personalvermittler an. Naja warum nicht, und so fing ich vertraglich festgelegt am 1 August 1997 dort an. Noch nicht mal halbwegs eingearbeitet erlitt ich nach nur 6 Wochen beim Bergwandern einen offenen Trümmerbruch meines rechten Unterschenkels. Ich wurde dann in Murnau eingeliefert, wo ich auch etwa 2 Wochen verbrachte. Nach der OP und der Nachbehandlung dürfte ich dann nach Hause gehen, und mit dem Nagel im Bein könne ich wohl schon eine Woche Später wieder arbeiten gehen. So war das denn auch, daß ich dann bald danach fleißig auf meinen Krücken in die Arbeit fuhr (Gott sei dank, war alles mit der Ubahn zu erreichen). Allerdings nach wenigen Tagen fing mein Bein wieder an zu schmerzen, schwoll rötlich an, und als ich mal etwas fester auf diese geschwollene Stelle drückte, platzte gleich das Bein auf, und richtig zähes Blut lief aus, ohne das ich die Blutung wieder richtig beenden konnte.
Der Besuch beim Facharzt wo ein Sintigram gemacht wurde ergab dass das Bein völlig infektiöse war, ich müsse sofort wieder nach Murnau, um den Nagel entfernen zu lassen! Am nächsten Tag war ich schon wieder in Murnau, wo ich sofort wieder in die OP kam. Ergebnis der Untersuchung, Infektion im Knochengewebe. Das bedeutet, dass ich eine längere intensive Behandlung dort auf mich nehmen musste, und ob das Bein dran bleiben kann, würde die Zeit zeigen.

Das war natürlich extrem scheiße, ich war so niedergeschmettert wie nur was! Ich der soviel Wert auf seine Mobilität und seine Freiheit legte, jetzt womöglich auch noch ein Bein verlieren, ich kann nicht beschreiben wie ich fühlte. Es wäre ja nicht nur das Bein, es wäre wohl meine gesamte Existenz gewesen, wer hätte einen einbeinigen noch eingestellt? Welche Frau bekommt man so noch?
Noch nicht genug, dass ich das erstmal verdauen musste, bekam ich dann auch bald die Kündigung meiner Firma, weil ja damit zu rechnen wäre, dass ich längere Zeit ausfallen würde. Ja so ist das oft im Leben, wenn es kommt, dann aber richtig dicke! Wie ich diese 2-3 Monate dort trocken überstanden habe, ich weis es nicht, denn alle meine Mitpatienten, denen alle ein ähnliches Schicksal drohte habe von morgens bis abends gesoffen wie die Löcher und es war wirklich nicht einfach mich immer dieses Drängen dieser Leute zu widersetzen. Wie oft in meinem Leben hatte ich wieder Glück im Unglück, nach drei Monate hatte ich die Infektion tatsächlich auskuriert und das Bein war noch dran. Zwar auf Krücken aber überglücklich verlies ich das Krankenhaus, wieder ohne Job, gehandicapt aber immerhin mit noch beiden Beinen.

Ich hab dann noch einige Monate gebraucht bis ich ohne Hilfsmittel gehen konnte, dann war wieder die Suche nach einem Job angesagt. Wieder hatte ich etwas Glück und ich konnte schon bald als zeitlich befristete Aushilfsadministrator bei der Hypovereinsbank anfangen. Die Arbeit war nicht soweit okay in einem interessanten Umfeld. Das habe ich fast ein Jahr gemacht und erneut bekam ich ein Angebot von der Firma Maatwerk als Personalvermittler einzusteigen(also bei der Firma, die mich vorher so gnadenlos gekündigt hatte) wählerisch, eingeschnappt sein, war ein Luxus den ich mir nicht leisten konnte in dieser Zeit, also sagte ich wieder zu. Beim zweiten Male hat es dann immerhin schon etwa 6 Monate gedauert bis der nächste gesundheitliche Hammer sich angemeldet hat. Aufgrund einer vorhergehende Gürtelrose würde ich mal genauer unter der "Lupe" genommen und es stellte sich heraus, daß meine Leberwerte doch einiges erhöht waren!? Weitere Nachforschungen ergaben dann schließlich die Diagnose "Chronische Hepatitis C, und Ergebnis der Leberuntersuchung: Leber im Fibrose-Grad 4, unmittelbares Stadium bevor die Leber sich zur Leberzirrhose umbaut!
Damals war die Hepatitis-C längst nicht immer heilbar und viele Leute sind auch daran verstorben. Ich muss ehrlich sagen, mir ist aber auch einfach gar nichts mehr eingefallen, als ich dies hörte.
Meine gemessene Virenlast war sehr hoch, allerdings ein Quentschen Hoffnung baute sich auf, als sich herausstellte das mein Sub-Typ wohl derjenige ist, der noch am Besten auf eine Therapie anspringt und auch schon damals eine 50% Heilungschance versprach.
Jahreswechsel 1999/2000 ein 10 tägiger Aufenthalt im Klinikum Grosshadern in München markierte der Begin meine 11 monatige Hochdossis Interferon-Amantadin-Ribavirin-Therapie!
Puuhhh, hochdossis Interferon, das haut einen aus den Socken und zwar ganz übel, und das 11 Monate durchziehen!? Aber so war das nun einmal, ständig ist einem Übel und schlecht, fühlt sich schlapp mit starken Kreislaufbeschwerden, kaum Appetit, Lebensfreude tendierte gegen Null. Und trotzallem bin ich da immer noch arbeiten gegangen! Naja mal wieder ganz schön übel zu geschlagen das Schicksal. Die Schlimme an einer solchen Therapiezeit ist, das man sich ja auch starkt isoliert, man hat einfach keine Lust mehr sich mit irgendwem zu treffen oder zu unternehmen, die Angst man könne den Kampf gegen die Viren verlieren war ja auch all gegenwärtig! Und auch diese Zeit geht irgendwann vorbei und ja nach 11 Monate galt ich als geheilt und das stimmte wohl so, ist doch das Virus bis zum heutigen tag nie wieder aufgetaucht.

Es ergab sich dann auch, dass fast zeitgleich zum Ende meiner Interferontherapie die Firma Maatwerk ihre Büro hier in München schliessen mußte, so dass erneut arbeitslosigkeit drohte. Mit nur einer Bewerbung schaffte ich es dann eine neue und diesmal auch wirklich gute Arbeit zu ergattern. Beim größten Marktforschungsunternehmen Deutschland fand ich eine gut bezahlte Stelle in der Statistik/Stichprobenabteilung. Eine meinen Qualifikationen angemessene Arbeit, endlich schien auch für mich beruflich die Sonne aufzugehen. Hier war ich etwa 8 Jahre beschäftigt. Wobei ich in der Rückschau eher ambivalente Empfindungen dominierend sind. Die Arbeit war anspruchsvoll, abwechselungsreich und gut entlohnt. Allerdings war der ständiger Druck, die ständige enormen Anforderungen auf Dauer meiner Psyche nicht gewachsen. Ich habe da teilweise richtig große nationale Projekte betreut. Zum Beispiel das jährlich von der Bundesregierung in Auftrag gegeben IAB-Panel. es geht darum in einer Studie die wirtschaftliche Lage/Aussichten der Betriebe zu erfassen. Eine höchstoffizielle und entsprechend prestigeträchtige Studie, die absolut 100% stimmen und absolut fehlerfrei abgearbeitet werden muss. Wer sich mal mit Stichprobenstatistik und mit Programmieren beschäftigt hat, weis wie komplex solche Aufgaben werden können. Jedenfalls am Ende meiner Zeit dort, war ich dem Burn-Out wohl sehr nahe. Aufm Weg zur Arbeit hatte ich gefühlt so ne Art grauschleier vorm Gesicht, fühle micht wie ein Roboter und Automaten. Da alles andere (Zum Beispiel Gespräche die Entlastung im Arbeitsablauf hätten bringen sollen) nichts half, musste ich - davon bin ich noch heute überzeugt - diese sichere, gut entlohnte Arbeit notgezwungen kündigen. Hätte ich dies nicht gemacht, hätte ich es nicht überlebt so meiner Überzeugung. Ich habe dann anschließend eine längere Auszeit genommen, bin längere Zeit vereist um dann doch noch mal die Kurve zu bekommen sowohl beruflich als auch privat mit meiner Frau. Wie ich dann doch endlich ein Stück Glück fand erzähle ich dann im nächsten, letzten Kapitel!


Grüsse

Kapoen


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03.02.2018 19:08
#133 RE: Mein Werdegang zum Alkohiliker - Reflexionen Zitat · Antworten

Mitte 2007 war klar, dass ich meine Arbeit aufgeben würde. Ich hatte das absolute Gefühl mich voll in einer Sackgasse hinienmanövriert zu haben. Mein Leben drehte sich nur noch um den Job, alles wurde dem untergeordnet aber nicht weil ich das wollte, sondern weil die Stelle so gestrickt war! Soziale Kontakte, andere Hobbys, überhaupt Freude am Leben sowie soziale Beziehungen, Freundschaften etc. waren völlig auf Null runtergefahren bzw. gänzlich abhanden gekommen, stattdessen spürte ich nur noch Leere und Sinnlosigkeit in mir. Mitte des Jahres habe ich dann die Reißleine gezogen und mich längere Zeit krank schreiben lassen (burn out!), ich habe dann auch noch mit der Firma verhandelt, so dass am Ende auch noch eine kleine Abfindung heraussprang und ich auch keine Sperre bei der Agentur zu befürchten hatte. Endlich wieder frei! Allerdings eine Freiheit mit der ich zunächst kaum etwas anfangen konnte, war ich doch jahrelang völlig in der Trettmühle gefangen gewesen und entsprechend dürftig sah mein sozial Umfeld dann auch aus.

Ich habe mich dann entschlossen zunächst einmal zu vereisen, länger ausgestellt war ich ja noch, so könne es bestimmt nicht schaden etwas von der Welt zu sehen. Ich hatte die Wahl zwischen Mexiko und Thailand und mehr zufällig denn geplannt entschied ich mich für Thailand. Hier bin ich dann mehrere Monate mit nem Rücksack unterwegs, ich war da auch schon fast 50 aber okay das ging alles noch sehr gut (übrigens selbst heutzutage vereise ich so am liebsten, weil man am meisten von einem Land auf diese Weise mitbekommt) Die inneren Gefühle von Lethargie, Leere und Sinnlosigkeit waren aber auch nicht sofort weg da, sondern haben mich noch einiger Zeit begleitet, so war ich dann auch froh zum Teil wocchenlang ohne richtige Gespräche/Unterhaltungen so vor mich her treiben zu lassen. Viel nachgedacht habe ich, und mir ist klar geworden, das ich noch einiges mehr ändern muss im Leben! Sagt sich einfach ist aber dann doch nicht so einfach, immerhin fast 50 jahre alt, wie soll man da nochmal nem gescheiten Job herbekommen und fast noch wichtiger endlich sollte mal ne wirklich gescheite und auch dauerhafte Partnerschaft her, aber wie?

Das hat dann auch alles einige Järchen gedauert bis sich - mit gewissen Abstriche - ich das doch alles in gewünschte Richtung lenken konnte. Zunächst aber bin ich ersteinmal längere Zeit so vor mich her gesandelt. Hab versucht mich selbständig zu machen, was aber eher eine Notlösung entsprang und Geschäftsideen, die aus der Not geboren sind, sind selten wirklich gut! Jedenfalls viel verdient habe ich nicht damit, glücklicherweise war aber auch der Einsatz eher gering, so dass ich auch nicht direkt ein risiko eingegangen bin damit. In der Folge habe ich dann so einiges anderes auch noch ausprobiert um wenigstens etwas Einkommen zu generieren, denn es war klar, meine Rücklagen waren nicht unbegrenzt und ewig hätte ich das nicht durchziehen können. Tiefpunkt - relativer Tiefpunkt war dann, dass ich dann als Komparse und Statist mich verdingt habe. München ist Filmstadt und es gelingt einem durchwegs 2 - 3 mal die Woche irgendwo am Set unterzukommen. "Marienhof" und "Sturm der Liebe" war ich "Stammkomparse", viel eingebracht hat es zwar nicht, aber mal hinter den Kullisen zu schauen, berühmte Schauspieler aus der Nähe zu erleben und auch sonst einige durchwegs interessante Zeitgenossen kennenzulernen war schon nicht ganz so schlecht, trotzdem natürlich kein langfristige Lösung. m noch mehr Geld herein zubekommen habe ich dann auch noch einen 450€ Job als Security mitarbeiter für Konzertveranstaltungen angenommen. Das war teilweise auch ganz spannend, war ich doch meistens im Backstagebereich eingesetzt, also die Zugangskontrolle zu den "Stars" übernomemn. Da gabs durchwegs einige lustige Geschichten und sehr interessante Einblicke, wie die so drauf sind, aber okay, das gehört nun wirklich nicht hierhin.

Jedenfalls ist mein Leben so dahingeplätschert etwas ziellos, was ich auch unbefriedigend empfand, da lernte ich meine Frau in Thailand kennen, weil ich inzwischen fast jedes Jahr dort oder in einem Land Asien unterwegs war. Beim ersten Aufeinander treffen hatte ich aber keinen Kontakt zu ihr, später wieder zu hause dachte ich immer an sie. Ich fasst also dann den etwas irrwitzigen Plan sie kennenzulernen, allerdings wußte ich gar nichts über meine spätere Frau. Obs sie verheiratet ist oder ab sie Kinder hat, ob sie überhaupt eine Farang kennen lernen wollte, gar niks war klar oder voraussehbar. Naja trotzdem flog ich vier Monate später wieder nach Thailand, und verbrachte fast die ganze Zeit damit meine (spätere) Frau überhaupt ersteinmal ausfindig zu machen (Thaifrauen sind extrem mobil und ziehen schnell irgendwo anders hin, wenns da einen besseren Job gibt). Drei Tage bevors wieder zurück ging, ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben sah ich ihre Freundin draussen an der Strasse sitzen vor dem Schönheitssalon, wo sie arbeitete. Und es war klar das Korn (der Name meiner Frau) dort auch arbeitete. Da ich ja nicht einfach sagen konnte, hierbin ich bitte hole mir doch mal Die korn her (ich kannte ja meine Frau noch überhaupt nicht) fing ich mit ihrer Freundin ein Gespräch an und konnte mich sogar mit ihr (die Freundin) für den nächsten Tag verabreden, weil ich hoffe, dass ich so mehr über meine spätere Frau erfahren würde.

Am nächsten Abend, oh Got wunder, was für ein Glücksfall, die Freundin war da und auch meine spätere Frau war dabei, weil die ihre Freundin meinte eine Verabredung/Ausgehen könnte sie nur in Begleitung ihrer Freundin(meine spätere Frau)! Komischerweise hatte ich dann gleich eine absoluten Draht zu meiner späteren Frau, wir haben dann auch gleich Email etc. ausgetauscht, allerdings haben wir uns dann während dieser Urlaub nicht mehr getroffen denn schon am nächsten tag musste ich wieder nach Bangkok!

Nur mit Email in der Tasche (aber immerhin) wieder zurück nach Deutschland. Wir hatten dann in der Folgezeit recht intensiven Emailkontakt, so dass die Verbindung nie mehr wieder eingeschlafen ist. Jobmässig wurde mir dann auch schnell klar, wenn das längerfristig etwas werden soll zwischen Korn und mir, ich einen halbwegs gescheiten Job mit regelmäßigen Einkommen brauchen würde. Über einen Freund erfuhr ich, dass am Flughafen München die Stelle als Supervisor im Security-Bereich offen war. Nun wirklich nicht der Traum meiner Nächte, aber Finanziell besser als man es sich denkt und natürlich eine sehr sichere Arbeit. Nicht zuletzt habe ich diese Arbeit deswegen angenommen, weil ich wußte, wenn ich irgendwann meine Frau nach Deutschland holen möchte, muss ich als abosolute Grundvoraussetzung ein ausreichendes, regelmäßiges Einkommen nachweisen. So bin ich schließlich zu meinem jetzigen Job gekommen, okay besser als niks ist es schon, das wars dann aber eigentlich auch schon.

Ich bin dann in den der Folge noch einige Mal nach Thailand geflogen, wir haben dann mal zusammen Urlaub gemacht (Philipinnen) und dann war klar, entweder ich gehe aufs Ganze (heirat) oder ich vergesse alles. Fürs letztere habe ich mich dann entschieden und auch nie bereut bisher. Warum es in Thailand geklappt hat mit der Frau fürs Leben aber nicht in Deutschland? Warscheinlich weils erstmal so weit weg war kulturell und räumlich, Weite bedeutet auch viel Abstand zu haben und das es lange Zeit dann doch eher unverbindlich war, und genauso was habe ich wohl gebraucht, damit ich auch genug Zeit hatte mich zu gewöhnen und auch Vertrauen aufzubauen.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie heute nocht....Ersteres wäre mir dann auch noch fast passiert vor zwei Jahre. Meine Frau lebt nun schon seit fünf Jahre hier bei mir, und es klappt wirklich alles sehr gut zwischen uns beiden, gelegentlich gibts auch mal Zoff, aber das gehört wohl dazu! Vor zwei Jahre zeigt sich dann trotzdem wieder, daß mein Leben auch immer wieder noch unangenehme Ereignisse für mich bereit hält. Schon während unseres Indonesienurlaubs spürte ich gelegentlich leicht ziehen Schmerzen in der Brust, dachte mir aber nichts dabei, den beim Jogging später war alles ganz normal. So ging das einige Monate, bis ich eines Tages wegen stärkere Brustschmerzen zum Arzt begab. Der konnte aber nichst feststellen, Puls normal, EKG normal, Blutdruck normal...hmm??? Er überwies mich dann zu einem Radiologen, der mal mein Brust röntgen sollte, Termin gabs aber erst drei Wochen später. Nachmittags dieses Tages dachte ich dann, okay wenn der Arzt nichts findet, kann ich ja eigentlich auch joggen gehen. Das war (k)eine gute Idee, jedenfalls kam ich diesmal keine 500 meter weit mehr. Wieder nach hause habe ich dann genau gespürt (obwohl es eigentlich gar nicht so dramatisch anfühlte) das da irgendetwas Grundlegendes nicht stimmt. Ich beschloss dann zum Krankenhaus zu fahren, damit das sofort abgeklärt wird. Also zusammen mit meiner Frau zum Krankenhaus, habe dann noch Scherze gemacht, vonwegen wenn ich dableiben musste...etc. Jedenfalls im Krankenhaus, nachdem ich meine Beschwerden geschildert habe in nullkommanix ins Untersuchungszimmer, Diagnose Herzinfarkt! Ich wurde dann sofort ins Herzkathederlabor geschoben, Engstelle mitlles Ballon aufgeblasen, Stent verpasst! Alles gar nicht so angenehm aber viel schlimmer waren die Sorgen und Ängste darüber, was ist eigentlich passiert, gibt es Schädigungen am Herzen und ja wie groß sind diese? Ich wurde dann, wie jeder andere auch in so einem Fall auf der Intensivstation verlegt. An gefühlten 100 Überwachungschläuche, die ständig ringeln und klingeln, absolute Horrotrip!

Als ob es alles noch nicht reichen würde, ist dann neben mir eine relativ junge Frau mit der gleichen Diagnose verstorben. Mitten in der Nacht kam der Priester, die schluchzenden Angehörigen......das Leben ist machmal nur noch grausam! Naja ich habe dann viel rumgegoogelt mit dem Ergebnis die schlimmsten Statistiken im Zusammenhang mit HI alles im Kopf zu haben. Zum Beispiel versterben gleich 1/2 aller HI-Patienten und 2/3 im Laufe der ersten 4 Jahre! Aber auch wer das krankenhaus lebendig erreicht (so wie ich), selbst von denen stirbt noch einer von fünf innerhalb der ersten tage. Einer von fünf, das ist dann nicht mehr so unwarscheinlich genau dieser einer zu sein. Ich muß ehrlich gestehen, so extrem hat mich noch nie etwas runtergezogen, wie dort die ersten Tage. Aber - anscheinend ist das wohl eine feste Größe in meinem Leben - hatte ich mal wieder Glück im Unglück. Schon bei der ersten Ultraschall - Herzuntersuchung staunten die Ärzten bzw. fragten mich, ob ich wirklich ein HI gehabt habe? Jedenfalls so die untersuchenden Ärzten, könne man nicht den geringsten Hinweis auf einem solchen Ereignisse bei meinem Herzen feststellen! Und okay jetzt anderthalb Jahre später bei meiner letzen Herzuntersuchung beim Kardiologen hat man mich wieder völlig von der Leine gelassen, ich darf absolut alles wieder machen was ich möchte, es gibt keinerlei Einschränken mehr, das Herz arbeitet 100% normal ist absolut belastbar, sogar im gegenteil hätte ich hervorragende Werte für einen 59 jährigen wie er es eher selten wäre.

Also ist auch diese Krise mal wieder überstanden, ich freue mich sehr auf unseren demnächst stattfindenden Thailandurlaub mit meiner Frau, in zwei Wochen ist es soweit, das Leben kann auch immer wieder mal wunderschön sein!

Grüße

Kapoen


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Virgil Hilts Offline




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10.10.2018 13:54
#134 RE: Mein Werdegang zum Alkohiliker - Reflexionen Zitat · Antworten

@kapoen,

Ich hab mir deinen Werdegang mal zum Großteil zu Gemüte geführt, ist ja wirklich eine spannende Biographie. Vor allem die Zeit bis mitte 25. Bin "nur" etwa 15 Jahre jünger als du, trotzdem ist auch für mich einiges kaum vorstellbar (Internat und Jugendbande z.B.). Da bin ich ja vergleichsweise kleinstädtisch behütet aufgewachsen.

Was ich aber sehr gut nachvollziehen kann ist dieser ständige finanzielle Druck. Meine Eltern waren auch lange Zeit selbstständig mit einem Uhren- und Schmuckgeschäft, finanziell ging es seit ich 6 war eigentlich kontinuierlich Berg ab bis sie dann, als ich 17 war, die Insolvenz hinlegten. Geschäft ausverkauft, Elternhaus verkauft, Scheidung, Sozialamt. Alle Freunde hatten ihren Führerschein mit 18 bezahlt bekommen, ich mußte mein Schülerbafög dafür zusammensparen. Zu der Zeit hab ich das erste mal mein Einzelkinddasein verflucht, ich stand damals wirklich völlig alleine da. Ohne den geringsten finanziellen Background.

Dieser ständige Geldmangel zog sich eigentlich bis vor 2 Jahren kontinuierlich durch mein Leben. Trotz ständigem Arbeiten. Gut, ich hab natürlich auch erheblich meinen Teil zu der Situation beigetrage, nie viel gespart, was übrig war entweder in Motorräder und Urlaube "investiert", am ärgerlichsten aber die Unmengen an Kohle die ich in die Kneipe getragen oder für Alk in den Supermarkt getragen habe. Grob überschlagen hab ich bestimmt die letzten 20 Jahre 100.000€ versoffen, wohl ehr 140.000. Folgekosten für verlorene Sachen, Geldstrafen, Taxifahrten, etc. nicht mitgerechnet.

Diese ständige Sorge woher das Geld für die letzte Woche bis zum Gehalt kommt, der Vorschuß, der wieder am Gehalt fehlt, das Weihnachtsgeld, was nur zum Schulden begleichen reicht. Ständig Leute anpumpen müssen, monatlich zum Gerichtsvollzieher und zum Schluß die ernsthafte Überlegung im Supermarkt den Sprit zu klauen, weil kein Geld mehr zu bekommen war und man den Stoff inzwischen haben mußte.

Was ich damit eigentlich sagen will, die Geldsorgen sind nicht Ursache meines Alkoholismus gewesen, haben ihn aber bestimmt durch den ständigen Druck und die Finanzsorgen begünstigt.

Ich kann auch ohne Alkohol traurig sein. (Simon Borowiak)


kapoen Offline



Beiträge: 393

12.10.2018 09:48
#135 RE: Mein Werdegang zum Alkohiliker - Reflexionen Zitat · Antworten

Hy Virgilhilts


so ein lang anhaltender Niedergang der in einem "grossen Finale" endet können sicherlich gerade Heranwachsende erheblich belasten und desorientieren. Die finanzielle Not ist das eine, die damit einhergehende soziale Ausgrenzung das andere. Gerade letztere kann wohl dazu führen das Identifikation mit gesellschaftlichen Werten und Normen unzureichend gelingt mit den entsprechenden Auswirkung auf die Persönlichkeit. Die Folge mag Flucht in bzw. Kompensation duch Konsum sein. Und Konsum kostet, deswegen dann die fortwährende finanzielle Schieflage. Ich denke auch nicht, dass so etwas "die Ursache" für Deine Sucht ist, aber sicherlich ein weiteres Mosaiksteinchen in diesem Geflecht! Was sind eigentlich Deine Pläne Deine Zukunft zz gestalten?


Grüsse Kapoen


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