Sie sind vermutlich noch nicht im Forum angemeldet - Klicken Sie hier um sich kostenlos anzumelden Impressum 
Saufnix  
Sie können sich hier anmelden
Dieses Thema hat 3 Antworten
und wurde 1.322 mal aufgerufen
 Nass und Trocken
Teichmann Offline




Beiträge: 173

08.05.2007 14:43
RE: Neulich im Dorf Zitat · Antworten

Wo kann ich es denn mal reinsetzen?
Vielleicht hier?

Neulich im Dorf

Es ist zwar schon ein wenig her, dennoch möchte ich es hier zum Besten geben. Der Donnerstag vor Ostern in diesem Jahr war es, der das Dorf, in dem ich lebe, ein wenig veränderte.

Es gab ein Dorffest. Der Anlass war das alljährliche Osterfeuer mit abschliessendem Dorfbesäufnis. Ausrichter war wie immer die Freiwillige Feuerwehr des Orts. Passt ja, handelt es sich doch schliesslich um Feuer. Die FFW bietet nicht nur den Brandschutz sondern liefert auch gleich Bier und Korn, das wäre dann wohl der Bereich Löschen. Mit dem Verkauf wird die sonst nicht üppig ausgestattete Haushaltskasse der Wehr etwas aufgebessert. Nun ja.

Das Event begann bereits um 18 Uhr, die Kinder sollten auch ihren Spass haben. Zu dem Zeitpunkt war es zwar noch hell, aber egal. Gegen 21.30 Uhr hatte ich mich mit meiner Frau dazugesellen wollen, spätentschlossen, denn ich mag derartige Sauftreffen nicht so sehr (versteht sich) und zögerte unseren Gang nach Osterfeuer-Bierland hinaus. Uns mag man auch nicht so sehr dabei (versteht sich?), saufen wir doch nicht mit. Doch wenigenstens mal sehen lassen wollten wir uns.

Es war wie bereits vorher geahnt. Das Feuer heruntergebrannt, die Kinder im Bett, der harte Kern sternhagelvoll. Dieser Kern sind nicht wenige, etliche kennen uns und wir sie. Nur in dem Zustand, in dem sich manche befanden, wurde es nichts mehr mit Sehen und Grüssen. Wir wurden nicht registriert. Das fahle Licht der restlichen Glut und die getrübten Augen der Osterfeuer-Feierer verhinderten dies. Man war auch viel zu sehr mit der Sorge um flüssigem Nachschub beschäftigt. Das armseelige Restfeuerchen dagegen war egal. Es sei entschuldigt.

Wir verzogen uns sofort wieder und kehrten ein ins Dorfrestaurant. Da waren wir allein mit Wirt, ansonsten keine Seele. Wir liessen uns einen Kaffee schmecken und trottenen alsbald zurück ins kuschelige Heim. Nüchtern und zugleich ernüchtert. Zwei "Nicht noch einmal"-Gedankenwölkchen umschwebten unserer beider Köpfe.

Ostersonntagmorgen dann ein Getöse. Ein Polizeihubschrauber schwebt in niedriger Höhe keine 200 Meter von unserem Haus entfernt über der Weide. Ich habe Teleaufnahmen davon, da sähe man das Antlitz des Piloten drauf, hätte er nicht einen Helm auf dem Kopf und Funksprech-Geschirr vor dem Gesicht. Er schwebte so ca. 10 Minuten auf der Stelle mit der Nase in Richtung See. Mit kleinen Schwenks nach rechts und links, mehr nicht.

Dann zog er wieder ab, kam aber Ostermontag nochmals wieder, nur kürzer und nicht so dicht vor unseren Nasen. Wir machten uns Gedanken, wie das nun mal so ist. Schutzmassnahmen für den G8-Gipfel vielleicht, denn der Einflussbereich ist nicht weit von uns entfernt (Rostock-Laage, Heiligendamm). Oder eine Übung, denn in der Nähe hat es eine Polizeihochschule? Aber doch nicht feiertags. So Dörflergedanken halt, die einem lärm- und verkehrsgeübten Städter bestimmt nicht in den Kopf kämen.

Der Städter hätte nun seine Zeitung, wir haben dafür die Dorftrommeln, und die funktionierten schneller und direkter und verkündeten Schreckliches. Zum Ausklang der Osterfeuer-Feierei, dessen Ende immerhin erst auf ungefähr nachts um halb eins fiel, fehlte ein Dorfbewohner in seinem Heim und Bett. Am nächsten Tag begann die Suche, denn der Vermisste wurde zuletzt als Volltrunkener gesichtet. Man fand aber lediglich seine Brille, ein Kleidungsstück und umgestossene Mülltonnen auf einem fremden Grundstück in einer ganz anderen Richtung und nahe dem See.

Die Polizei wurde eingeschaltet, Suchhunde eingesetzt, der Hubschrauber scannte also mit Wärmebildkamera und sonstiger Technologie den See und die nahe Umgebung nach dem Vermissten ab. Erfolglos. Bis Ostermontag. Jugendliche, die auf eigene Faust weitersuchten, hatten ihn gefunden. Ertrunken in einer entlegenen grossen Güllegrube schwamm er nun an der Oberfläche. Dort hatte man zwar auch schon vorher nachgeschaut, nur treibt eine Leiche nicht sofort nach oben. Der arme Mensch ist im Vollsuff völlig orientierungslos über den nur 1,20 Meter hohen Rand in die vier Meter tiefe, halbgefüllte Falle gestürzt. Der Rand war von innen unerreichbar, eine Leiter gab es nicht. Die Grube war auch nicht, wie vorgeschrieben, durch Gitter gesichert. Rufen konnte niemand hören, weil zu abgelegen. Gestürzt oder gestürzt worden? Vermutungen.

Tja, die örtliche Freiwillige Feuerwehr als Ausrichter und Nutzniesser des vorangegangenen Festes war nun diejenige, die den Leichnam bergen musste, was sich als sehr schwierig erwies, denn das hatte nach Vorschrift der Kripo und unversehrt zu geschehen. Von wegen etwaiger Spuren, die auf ein Verbrechen schliessen lassen könnten. Kein leichtes Unterfangen bei dem Ausmass der Grube von der Grösse eines Tennisfeldes.

Der arme Mensch (37 Jahre alt wurde er nur) liegt nun unter der Erde, ein Verbrechen konnte nicht nachgewiesen werden. Sorgen hatte er, weil er seine Arbeit verlor, Schulden hatte er, weil er seine Raten für das Haus nicht mehr bezahlen konnte. So haderte er mit sich und seinem Schicksal und wollte wohl einfach nur mal alles vergessen. Er legte seine Sorgen in Alkohol - ein letztes Mal.

Rob.Teichmann

Der Fluss, in dem dein Jammer treibt, entspringt beim Öffnen deiner Flaschen.:sprachlos:
Verzicht - weckt Verlangen, Enthaltung - weckt Träume.
Entscheidung dagegen - gibt den Weg frei nach vorn.
(Rob.Teichmann)


relaunch ( gelöscht )
Beiträge:

08.05.2007 15:14
#2 RE: Neulich im Dorf Zitat · Antworten

Das ist 'der' hautnah erlebte Zeitungsbericht, wie man in tagtäglich liest und nicht wahrhaben will.

So gings uns vor einigen Monaten auch, als mir meine Mutter erzählte, der Sohn ihrer Jogafreundin sei bei Renovierungsarbeiten tödlich verunglückt...

Die 'Dorftrommeln' haben uns dann auch von ganz anderem in Kenntnis gesetzt.

Der Vater hatte im Suff seinen Sohn hingerichtet, weil dieser bei seinen Renovierungsarbeiten dessen Mittagsruhe gestört hatte...

Selbst wenn sowas im Bekanntenkreis oder unmittelbaren Umfeld passiert, ich werde es nie begreifen, es wird mich jedesmal und immer schütteln, es ist absolut abartig und nicht von dieser Welt, wozu Menschen im Alkoholrausch fähig sind...


Teichmann Offline




Beiträge: 173

08.05.2007 15:27
#3 RE: Neulich im Dorf Zitat · Antworten

Da gebe ich dir absolute Zustimmung, relaunch.

Der Fluss, in dem dein Jammer treibt, entspringt beim Öffnen deiner Flaschen.:sprachlos:
Verzicht - weckt Verlangen, Enthaltung - weckt Träume.
Entscheidung dagegen - gibt den Weg frei nach vorn.
(Rob.Teichmann)


Seyell Offline




Beiträge: 338

08.05.2007 17:09
#4 RE: Neulich im Dorf Zitat · Antworten

Hallo Teichmann,

eine wahrlich erschütternde Geschichte. Mir lief es beim Lesen einkalt den Rücken runter.

Es tut mir sehr leid für den Mann und seine Familie. Was für ein schreckliches Ende!
Mein tiefstes Mitgefühl geht an seine Familie.

Schockierte Grüsse von

Gina


Wieder da »»
 Sprung  
disconnected Saufnix-Chat Mitglieder Online 1
Xobor Einfach ein eigenes Forum erstellen
Datenschutz