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Saufnix  
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Dieses Thema hat 47 Antworten
und wurde 2.794 mal aufgerufen
 Deine eigene Alkoholkarriere
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Max mX Offline




Beiträge: 5.878

29.01.2007 15:04
RE: beim Lesen gefunden Zitat · Antworten

Ich forste gerade mal wieder meine ollen Klamotten durch, z.B. Artikel für eine berliner Straßenzeitung, und stieß auf einen Artikel, welcher in der Ausgabe mit der Gesamtthematik Sucht stand, unter mX - wo auch mein "mX" eigentlich herstammt:

ein vom Alkohol abhängiger Mensch

Ein vom Alkohol abhängiger Mensch wollte niemals ein vom Alkohol abhängiger Mensch werden. Zum Allgemeinwissen sollte aber ebenso die Kenntnis gehören, daß etwa 3 % der Deutschen behandlungsbedürftig abhängig sind. Diese immerhin 2.400.000 Menschen sind im anerkannt medizinischen Sinne krank, haben andererseits jedoch ihre Krankheit selbst verschuldet. Aha! Da nun niemand vorher weiß, zählt er zu diesen oder zu jenen, gibt es für die 77.000.000 Alkohol trinkenden Menschen nur eine einzige unfehlbare Methode, der Heimtücke zu entgehen: niemals auch nur 1 Schluck! Doch schon Wilhelm Busch äußerte seinerzeit bereits treffend: “Wer Sorgen hat, hat auch Likör“. Mal ganz abgesehen davon, daß Deutschland bei völliger Abstinenz des gesamten Volkes von nur wenigen Tagen wirtschaftlich hoffnungslos zusammenbrechen würde, und zwar nachhaltig. Merke daher: auch Unsereins ist nicht Mensch 3. Klasse – in Analogie zu den Menschen der 3. Welt, die ja auch nicht wissen wie’s Leben geht.
Der aufmerksame Leser bemerkt unschwer, daß sich hier ein trockener Alkoholiker äußert, welcher einst selber, mangels vernünftiger Familie im jugendlichen Alter und bar jeder Vorstellung vom künftigen Leben allzu feucht lebte. Daher werde ich niemals Künstlern wie Hans Albers, Spencer Tracy, Harald Juhnke oder Schriftstellern wie Jack London, Tucholsky, Fontane und Hemmingway oder Malern wie Tolouse-Lautrec oder den alten Jazzern und vielen Rockmusikern oder solch Berühmtheiten wie Francois Villon und Janis Joplin andichten wollen, daß sie vielleicht schräge Dinge getan oder gar das Weltkulturerbe in den Dreck getreten hätten, ganz im Gegenteil! Gerade solche Leute förderten und fördern mit ihren Werken Urkräfte zutage, auf die zumindest ich nicht verzichten möchte. Das hat mit Alkohol überhaupt nichts zu tun, obwohl so mancher der genannten ohne reichlich Sprit im Blut gar nicht hätte arbeiten können, wegen der verfluchten Entzugserscheinungen, wie sie ohne Nachschub von Schnaps mit unfehlbarer Grausamkeit eintreten.
Als ich noch trank, hielt auch ich mein Schicksal in seiner Grimmigkeit für einmalig bis unertragbar selten. Schlimm waren die primitiven, peinlichen Dinge wie Zittern der Hände. Ich konnte stocknüchtern nicht einmal mehr meinen eigenen Namen schreiben. Oder wie hätte ich meiner Familie die Verstecke für Flaschen erklären können ohne rot zu werden, z.B. zwischen dem Werkzeug? Am schlimmsten war zum Schluß die allgemeine Unfähigkeit zu einer reellen Meinung oder auch nur Einschätzung ganz banaler Dinge: die ändert sich nämlich von zehntelpromill zu zehntelpromill. Zum Schluß redete keiner mehr ensthaft mit mir, worüber denn auch? Als „Spiegel-trinker“, d.h. rund um die Uhr nicht besoffen aber auch nicht nüchtern, mag das noch gehen, weil ich im Bedarfsfall in meiner Kneipe am großen Poly-Monolog teilnehmen kann. Da reden alle durcheinander und aufeinander ein, der Inhalt jedoch wird zunehmend unwichtig. Als sog. Gamma-Trinker hingegen , d.h. säuft mehrere Tage bis zum Abwinken und fällt danach um, erlebe ich – nach 3 Tagen Erholungsphase mit physischen und psychischen Erscheinungen unterschiedlicher Dramatik – übersensibel erst recht meine scheinbar abartigen Verhaltensweisen, die an sich jeder Beschreibung spotten. In dieser nicht zu ertragenden Phase als ‚Un-betrunkener‘ gab es an sich nur eine Rettung: zurück in den Suff. ‚Komm her Bruder‘, sagt der Teufel Alkohol, ‚ich helfe dir sofort mit ein paar Schlucken‘. Das ist zwar falsch, aber es funktioniert augenblicklich. Mit zwei oder drei kleinen Schlucken bin ich doch wieder ruhig gestellt (so wie die Alten im Altersheim mit Pillen, damit sie keinen Krawall machen). Alles andere wie Therapie oder wenigstens Entgiftung erscheint nur quälend und wenig hoffnungvoll, schon deshalb weil es Ewigkeiten dauert. So gemein ist das nämlich. Der Gesamtprozeß fängt, wie die Kreuzberger Nächte, ganz langsam an, aber dann? Aber dann! Zum Schluß blieb nackt und kahl die Frage ‚Promill oder nicht Promill‘, und ‚sein oder nicht sein‘ spielte sich zwischen hellgrau und dunkelgrau auf immer schneller abwärts rasender Fuhre ab. Der Zustand war mir vertraut und verhaßt gleichermaßen.

Es ist die Kälte,
die mich beugt,
sind bleiche Steine
und krummes Zeug.
Gradeaus wollt‘ ich gehen,
damit besser aussehn
als eben jetzt.

Es ist Einsamkeit,
die mich bleicht,
die ich verschuldet hab‘.
Hab‘ nicht erreicht,
daß man ansehn möchte
was zustand‘ ich brächte,
hab euch verletzt.

Ein Meer von Irrlicht,
das seitwärts lauert.
Und jeder sagt:
Er hat’s vermauert!
Muß alleine zu sich,
was geht’s mich an, mich?
Der ist wie Pest.

Nur kahles Eiesen,
von Rost benagt.
Die heißen Wünsche
Sind nicht gefragt.
Aller Anfang ist schwer,
bei mir selbst umso mehr,
doch was soll’s zuletzt.


Und jetzt glaubt bloß nicht, daß saufen Spaß macht. Das geht, nach „glücklichem“ Anfang, ganz schnell vorbei, wenn du so wie ich Alkoholiker bist. Ich glaube, daß alle Alkoholiker schwere psychische Defizite erlitten haben, derer sie sich nicht bewußt sind, z.B. wie bei mir in der frühen Kindheit durch Mangel an Liebe. Alle Mängel und Folgemängel werden wie durch einen Trichter in eine Flasche gegossen, worin sie sich auflösen. Diese Flasche enthält Alkohol und ist stationiert in meiner Seele. Die „Normalen“ sollen sich bitte nicht pharisäisch aufblasen und mit überheblicher Abscheu auf „Jene“ wie mich zeigen, von denen sie meinen darüber zu stehen. Meine Empfehlung: auch für diese Leute reicht es aus, wenn sie sich mit ihren eigenen Fehlern beschäftigen, auch sie hätten daran ein Leben lang reichlich zu tun. Wir auch !

muß nicht akut vom Alkohol abhängig bleiben

Es kam der Tag, da konnte ich nur noch ‚auf Abriß‘ saufen oder mich selbst nicht mehr ertragen. Aber ich kannte Leute aus der Trinkzeit, die dann plötzlich ‚trocken‘ waren. Das war sehr wichtig, weil ich mich zu denen in letzter Not hintraute. Die versammelten sich regelmäßig einmal in der Woche, um auszutauschen, wie man mit der Abstinenz leben kann. Ein Glas ist zu viel und eine million dann wieder zu wenig. Hier wurde ich angehört und nicht verachtet. Hier bekam ich Tee und Wasser anstatt Schnaps. Auch gaben sie mir nach der Ernüchterung („Trockenlegung“ Zeit, viel Zeit, bis ich nach den ersten Monaten langsam zu mir kam. Die Gruppe wurde mein Zuhause, die mageren zwei Stunden pro Woche mußten reichen und sie reichten tatsächlich über die Woche. Hier gab es schlaue Sätze wie: Gefühle zugeben; nichts ist peinlich; du mußt lauschen lernen, besonders in dich selber hinein; der Mensch braucht ein Gegenüber wenn er sich selbst erkennen will. Daher gehe ich zu Meinesgleichen, zu den Alkoholikern. Die wissen häufig schon vorher was ich sagen will. Mein mit größter Irrtum war wohl, mich alleine zu fühlen, obwohl ich mein Schicksal mit so sehr vielen Menschen teile. Allerdings brauche ich dazu meine Gruppe.
Mein allererstes Loslassen der großen Verkrampfung kam so nach vier Monaten, dafür hält es aber bis heute an. mX


Friesenvolker Offline




Beiträge: 2.911

29.01.2007 15:28
#2 RE: beim Lesen gefunden Zitat · Antworten

Zitat
@Max mX: ...



... (ohne Worte)

VG
Volker

N.S. ... toll!


genaro Offline




Beiträge: 5.488

29.01.2007 16:32
#3 RE: beim Lesen gefunden Zitat · Antworten

Ich bin geplättet.
Danke, Max mx

Günter


genaro Offline




Beiträge: 5.488

29.01.2007 16:36
#4 RE: beim Lesen gefunden Zitat · Antworten

Max mx, wie alt warst Du, als Du diese weisen Sätze für Mensch/uns niederschriebst?
Hut ab,
Günter


Max mX Offline




Beiträge: 5.878

29.01.2007 18:33
#5 RE: beim Lesen gefunden Zitat · Antworten

hi Volker, "... (ohne Worte)" // also "mit" Worten wäre mir schon lieber gewesen, eh.
hi Günter, "Ich bin geplättet." // war auch nicht meine Absicht, eh.
Wann ich das aufgeschrieben habe? Muss etwa 1998 gewesen sein. Wir hatten im "Straßenfeger" immer thematische Schwerpunkte, und einer davon war eben Sucht. Da kamen die seltsamsten Aspekte zustande, dieses Exemplar Zeitung finde ich aber nicht mehr. D.h. ich war dazumal 58 Jahre alt bzw. 15 Jahre trocken.
Ich hätte aber genauso auch 48 gewesen sein können, ich sehe keinen Unterschied zu mir innen selber. Das Lied "bitter" allerdings (ach so, das ist ein Lied, zum Klavier) ist schon etwas über 24 Jahre alt, da war ich noch nass, so 1 Jahr vor meinem Wendepunkt. Und das ist wirklich ein sehr trauriges Lied. Für mich an sich untypisch, weil ich immer noch im kleinsten Scherbenhaufen irgendwas positives fand. Aber da war tatsächlich Asche.
Meine Absicht zu diesem Artikel war aber auch, den Leuten mit paar einfachen Zusammenhängen einfach darzustellen, was Alkoholismus denn ist. Die reden alle drüber, kennen alle schaurige Geschichten, und weiter passiert dann nichts mehr.
Nun ja, aber ihr könnt ja mir vielleicht doch mal etwas mehr als . . . schreiben? Grüßle Max


Juma63 Offline




Beiträge: 2.638

29.01.2007 19:32
#6 RE: beim Lesen gefunden Zitat · Antworten

Hallo Max!

Ich frage mich oft, ob ein Mensch, dessen Gehirn weder von Alkohol, noch von anderen Drogen vernebelt ist, auch solch fürchterliches Selbstmitleid entwickeln kann, wie ein berauschter.

Präzise formuliert von dir mit diesen Worten:

Zitat
Als ich noch trank, hielt auch ich mein Schicksal in seiner Grimmigkeit für einmalig bis unertragbar selten.



Auch diese Anmaßung, anzunehmen, dass das eigene Schicksal mit Abstand das härteste ist, und somit als perfekter Saufgrund herhalten muss, ist wohl doch eher der geistige Auswuchs eines benebelten Gehirnes. So vermute ich.

Toller Beitrag, Max, beeindruckend

Sei lieb gegrüßt

Sabine


suwe Offline




Beiträge: 956

29.01.2007 23:57
#7 RE: beim Lesen gefunden Zitat · Antworten

Tja Max,

was soll man da noch zu sagen?

Eigentlich spricht der Artikel für sich...

Was mir noch einfällt, in Bezug auf diverse Künstler, ist das, was mir mal ein Therapeut gesagt hat:

"Wenn Sie nicht so eine starke Persönlichkeit hätten, wären sie schon längst untergegangen und würden es nicht schaffen, so gegen Ihre Probleme und Ihre Sucht anzukämpfen!"

Konnte ich gar nicht so gut haben, aber irgendwie hatte er wohl recht...

@sabine

Zitat
Ich frage mich oft, ob ein Mensch, dessen Gehirn weder von Alkohol, noch von anderen Drogen vernebelt ist, auch solch fürchterliches Selbstmitleid entwickeln kann, wie ein berauschter.



Kann er! Kenn ich persönlich!

LG Su


genaro Offline




Beiträge: 5.488

30.01.2007 07:21
#8 RE: beim Lesen gefunden Zitat · Antworten

Hi Max,
ich danke Dir für die Antwort.
Geplättet war ich von der Heftigkeit, die ich in Deiner Geschichte spüre.
Zuerst, wie Du für alle mit Zahlen und Daten den Ausmass der Alkoholkrankheit und gleichzeitig der Alltäglichkeit herholst. Wobei mir bei der drohenden Pleite für D bei plötzlicher Abstinenz aller schon meine Zweifel kommen....

Dann, wie Du so offen und mutig von Dir selber erzählst, mit Herz und Verstand, da kommen mir die Tränen in die Augen, weil mir das herholt, wie scheisse ich mich in meiner Sucht fühle.
Fühle mich dabei ertappt, wenn Du die Verlockung des Alk als "Medizin" so drastisch, weil eben aus Deinem Erleben "beichtest".
Bei Deinem Lied weine ich, weil diese Einsamkeit, das Alleingelassen fühlen, für mich ein altbekannter Begleiter ist.
Und zugleich machen mir Deine offenen Worte ganz viel Mut, auf dem Weg weiter zu gehen, wo ich grad meinen ersten kleinen Schritt getan habe.
Und dafür danke ich Dir.

Ich hab mir Deine Posts gestern im Büro ausgedruckt, damit ich das zu hause nochmal in Ruhe lesen konnte, und nochmal drüber schlafen.
Ich, als durch und durch schizoid-narzisstisch geprägter Mann habe es natürlich gestern schon zuerst etwas auf mich bezogen, Dein Reinstellen von diesem Artikel....
Fragte mich: habe ich Max geärgert, als ich so über "Altersweisheit" frotzelte? Weil er nun eine so gewaltige Duftmarke setzt, in einer Höhe, wo ich mich auf meinen Hinterläufen gewaltig strecken muss, um auch nur dran schnuppern zu können?

Für mich ein Donnerschlag, Dein Post, eine Glocke, die mich wiedermal aus meinem Trott reisst.

Thanks, Max!



Günter

edit: Mein "Trott" ist meine Selbstgefäliigkeit zu der ich schon sehr neige...

[ Editiert von genaro am 30.01.07 7:43 ]


genaro Offline




Beiträge: 5.488

30.01.2007 07:32
#9 RE: beim Lesen gefunden Zitat · Antworten

Zitat
Gepostet von Juma63
Hallo Max!

Ich frage mich oft, ob ein Mensch, dessen Gehirn weder von Alkohol, noch von anderen Drogen vernebelt ist, auch solch fürchterliches Selbstmitleid entwickeln kann, wie ein berauschter.



Hi Sabine!

Oh ja, Sabine, das Selbstmitleid, die damit verbundenen Scvhuldgefühle und die somit selbst auferlegte Lähmung kenn ich von mir auch aus Zeiten, als ich noch nicht soff.
Ich kenn es auch von meiner Mutter, die nicht trank, dafür sich ahlt der Arbeitssucht hingab, um dieser beängstigenden Leere zu entkommen, was genau so wenig nutzt....

Zitat
Gepostet von Juma63

Auch diese Anmaßung, anzunehmen, dass das eigene Schicksal mit Abstand das härteste ist, und somit als perfekter Saufgrund herhalten muss, ist wohl doch eher der geistige Auswuchs eines benebelten Gehirnes. So vermute ich.

Toller Beitrag, Max, beeindruckend

Sei lieb gegrüßt

Sabine



Gilt das gleiche, wie eben gesagt.
Nur dass der Alk sabei noch regelrecht autistisch, unfähig zum Mitteilen und echtem Zuhören macht, was mich bei Maxens Artikel auch sehr erschreckt hat, weil ich es genau so erlebt habe. Meine Stummheit und Vernageltheit im Suff und auch im Trockenen, wenn ich ganz ehrlich bin.
Hier übe ich, wie es auch anders gehen könnte. Im RL tue ich mich schwerer, doch bin ich guten Mutes, doch noch etwas wachsen zu können.
Und genau das spüre ich bei Dir auch, Sabine.



Günter


Friesenvolker Offline




Beiträge: 2.911

30.01.2007 07:38
#10 RE: beim Lesen gefunden Zitat · Antworten

Zitat
@Max mX: hi Volker, "... (ohne Worte)" // also "mit" Worten wäre mir schon lieber gewesen, eh.



... mein Post sollte zum Ausdruck bringen, daß ich schwer beeindruckt bin und eine Steigerung zu üblichen Kommentaren suchte, da fiel mir das mit "... (ohne Worte)" ein. Kurz und gut: Ich bin sprachlos! Den Beitrag habe ich auch gleich ausgedruckt, er wird sicher bei geeigneter Gelegenheit vorgetragen (SHG u. a.) werden - ich nehme an, daß Du nichts dagegen hast - unter Angabe der Fundstelle (... also Forum "saufnix", Themenbeitrag "Max mX").

VG
Volker


minitiger2 ( gelöscht )
Beiträge:

30.01.2007 08:05
#11 RE: beim Lesen gefunden Zitat · Antworten

Zitat
Gepostet von Max mX
Ich glaube, daß alle Alkoholiker schwere psychische Defizite erlitten haben, derer sie sich nicht bewußt sind, z.B. wie bei mir in der frühen Kindheit durch Mangel an Liebe.



nur das ist mir ein bissel zu einseitig.

Nicht, daß ich bezweifeln möchte, daß das auf viele zutrifft.
Nur, der Vollständigkeit halber, es besteht halt unter Leuten, die den Alkoholismus wissenschaftlich untersuchen, ne ziemliche Einigkeit drüber, daß jemand auch ohne jede besonderen anfänglichen Probleme (und gibt es solche Menschen überhaupt, da müssten doch alle...:gruebel zum Alkoholiker werden kann.

Die ganz normale Beobachtung bestätigt das übrigens auch, ausser Du kennst nur Alkoholiker aus nem bestimmten Milieu.

Ein sehr wesentlicher Ansatz ist nämlich die Erkenntnis, daß manche Leute den Alkohol als sehr viel angenehmer empfinden wie andere, und das ist keineswegs nur ne Folge irgendwelcher Probleme, die sie mit sich rumtragen, sondern auch davon, daß ihr Metabolismus, wie es das bei anderen Giften, Medikamenten und Nahrungsmitteln auch gibt, einfach anders reagiert. Diese Leute erleben die negativen Folgen des Alkoholkonsums erst mal besonders wenig und die positive Verstärkung dafür um so mehr.

Insofern betrifft Alkoholismus auch ne Menge Leute, denen es ursprünglich sogar verhältnismässig gut ging, während nicht jeder, der unter widrigsten - auch zwischenmenschlichen - Bedingungen aufwächst, zum Alkoholiker wird.

Mir scheint, es wird gelegentlich vergessen, daß Alkohol eine Droge ist, und ein Zell- und Nervengift dazu, die rein durch ihre regelmässige Aufnahme zu einigem von dem führt, was man dann als Ursache ansieht.

der minitiger


genaro Offline




Beiträge: 5.488

30.01.2007 08:14
#12 RE: beim Lesen gefunden Zitat · Antworten

Hi minitiger,

und wo kommt denn dann Deiner Meinung nach die gefühlte Leere her, die es dann mit Alk aufzufüllen gilt?

Der Tiger scheut wohl den Gang in den dunklen (Seelen-)Keller?

Günter


minitiger2 ( gelöscht )
Beiträge:

30.01.2007 08:30
#13 RE: beim Lesen gefunden Zitat · Antworten

Ums mal kurz und dreckig zu formulieren, ich hab heut Morgen nicht so wahnsinnig viel Zeit:

Wenn Du das Trinken als sehr angenehm empfindest, brauchst Du - zum Beispiel als Pubertierender, der sich ausprobiert - keine Alternativen zu entwickeln, um gut drauf zu kommen, folglich hast Du auch keine, wenn Du damit aufhörst. Und daß Du mit dem Alkohol in Kontakt kommst und Erfahrungen machst, ist in unserem Kulturkreis nunmal das normale, liegt also weniger an Deinem persönlichen Umfeld oder Deiner Person.

Ein zweiter Punkt ist der, daß Alkohol, wie andere Drogen auch, das sogenannte Belohnungszentrum im Hirn so überstimuliert, daß am Ende das, was der Körper selbst kann, ein fahler Abklatsch dagegen ist. Für Dich fühlt sich das dann so an, daß Du Dich ohne Droge nicht mehr wohl fühlen kannst. Solange die Entwicklung nicht zu sehr fortgeschritten ist, reguliert der Körper das aber nach ner Zeit der Abstinenz wieder, bei vielen ist es sogar so, daß es nach ein paar Tagen Nüchternheit zu ner Überkompensation und daraus folgender Nüchternheitseuphorie kommt, die aber meist nicht von Dauer ist.

Und selbst diesen Abklatsch kann der Körper mit zunehmender Suchtentwicklung nicht mehr leisten, weil einerseits die Eigenleistung durch die Droge - ab nem bestimmten Stadium sogar unwiderruflich - ersetzt wird und weil andererseits einfach ne Menge Hirnzellen erst mal duch den Alkohol geschädigt werden und im weiteren Verlauf absterben, und alle möglichen Regelkreise im Hirn aus dem Ruder laufen, zum Beispiel die Stresstoleranz - die zu erheblichen Teilen ne biologische Angelegenheit ist - komplett zusammenbricht.

Alkohol ist ein Gift, das wirkt, glaubs mir. Damit kannst Du Dich auch vergiften, wenn Du vorher ganz gesund warst.

Ansonsten gibt es dazu ne Menge Fachliteratur, denn Alkoholismus ist als Massenerkrankung durchaus Gegenstand aktueller Forschungen.



PS: und mach Dir mal keine Sorgen um meinen Seelenkeller, ich hab lange genug in der Überzeugung gelebt, daß es tiefer wie bei mir gar nicht runtergehen kann. Vieles erwies sich bei nüchterner Betrachtung aber als durchaus durchschnittlich und auch als nüchtern bewältigbar. Also als Saufgrund eigentlich nicht geeignet, ausser ich würde einen suchen. Und warum sucht man einen Saufgrund - siehe oben - weil sichs mal gut angefühlt hat.

[ Editiert von minitiger2 am 30.01.07 8:48 ]


Friedi Offline



Beiträge: 2.617

30.01.2007 09:03
#14 RE: beim Lesen gefunden Zitat · Antworten

Hallo Genaro,

ich habe mit Alkohol keine gefühlte innere Leere gefüllt. Ich bin während der Zeit meiner Ausbildung, zusammen mit vielen Gleichaltrigen und fernab von zu Hause, ans Vieltrinken gekommen. Hat einfach Spaß gemacht.

Später sah es anders aus. Ich war geschieden, alleinerziehend, berufstätig und hatte mich um meine kranke Mutter zu kümmern, das allerdings mit weiterer Hilfe. Der Alkohol ließ mich über meine Überforderung hinwegsehen und machte mir mein Leben erträglich, sogar einigermaßen angenehm. Ich war stolz, dass ich das alles so bewältige und hielt mein 'stilvolles' Trinken am Abend für einen verdienten Ausgleich für alle Mühen. Hat lange gedauert, bis ich mich als Alkoholikerin annehmen konnte.

Gruß

Friedi


genaro Offline




Beiträge: 5.488

30.01.2007 09:28
#15 RE: beim Lesen gefunden Zitat · Antworten

Hi minitiger!

Ich hatte heut morgen das Gefühl: "uih! Da ist einer aber arg im Kopf!"

Deine jetzige Antwort kann ich prima so haben, für mich weder "kurz" noch "dreckig".

Sorgen mache ich mir um Dich keine, meine frotzelige Frage bewirkte eine umfassende Antwort von Dir.

Danke, dass Du da für mich noch mehr Fleisch dran gibst, wie Alk so medizinisch betrachtet wirkt... und dafür, dass Du Dir dafür soviel Mühe gibst, es verständlich rüberzubringen!



Günter


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