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Saufnix  
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Dieses Thema hat 9 Antworten
und wurde 1.667 mal aufgerufen
 Deine eigene Alkoholkarriere
janeway2 ( gelöscht )
Beiträge:

27.10.2005 21:06
RE: Dann stelle ich mich mal vor... Zitat · Antworten

Hallo zusammen!
Ich kann jetzt einen ellenlangen Bericht schreiben, mit den ganzen Auf und Abs und weiß der Teufel was alles, aber das kennt ja Jede/r von Euch selbst - oder ich setze Euch den kurzen Artikel aus dem Kölner Stadtanzeiger hier herein - Esther Weingarten (Name wurde geändert) bin ich - und dann wisst ihr ungefähr, worum es geht!

Therapie oder Rausschmiss
VON ANGELIKA MIKUS, 30.08.05, 09:16h

Unter Alkoholismus leidet die ganze Familie.


Es ist ein sehr langer Prozess, bis Kinder wieder Vertrauen zu ihrem alkoholabhängigen Vater oder ihrer süchtigen Mutter entwickeln können. Ein Therapie-Bericht.

Hannes Weingarten ist stolz auf seine Frau. „Sie hat es alleine geschafft. Ich habe nur den Anstoß gegeben“, sagt der kräftig gebaute 44-Jährige, schaut seine Frau Esther an, lächelt. Er greift ihre Hand. Eine Geste, die nicht immer selbstverständlich war. Es gab Momente, in denen hätte er sie auch losgelassen. Losgelassen, damit er sie nicht an ihre Sucht verliert. Vor fünf Jahren hat Hannes Weingarten (Name geändert) seine alkoholabhängige Frau vor die Wahl gestellt: Entweder sie beginnt eine Therapie - oder er schmeißt sie raus.

Die zweifache Mutter hat sich für ihre Familie entschieden und eine ambulante Suchtbehandlung bei der Caritas begonnen. Eine Behandlung, bei der Patienten weiterhin zu Hause wohnen können.

Etwa 22 alkoholkranke Patienten nahmen im vergangenen Jahr an einer solchen Therapie in Bergisch Gladbach teil, bundesweit entwöhnen sich derzeit rund 40 000 von etwa 1,6 Millionen Alkoholabhängigen auf diesem Weg von ihrer Sucht. Die meisten der Männer und Frauen sind zwischen 40 und 50 Jahre alt. Nicht alle, die sich in Bergisch Gladbach zu einer ambulanten Therapie angemeldet haben, suchten von sich aus Hilfe. „Etwa ein Drittel der Leute kommt eigenmotiviert. Der Großteil, der bei uns Beratung sucht, wird von Ärzten, der Familie, dem Arbeitgeber oder dem Gericht geschickt, um sich mit der eigenen Suchtproblematik auseinander zu setzen“, sagt die Sozialpädagogin Roswitha Becker-Pütz, die auch Esther bei ihrer Entwöhnung begleitet hat. Vielen von Missbrauch und Abhängigkeit betroffenen Menschen fällt es schwer, über ihr Alkoholproblem zu sprechen. „Zu wenige“, so Becker-Pütz, „wissen, welche Beratungsangebote und Therapieformen überhaupt angeboten werden.“

Esther hat sich für eine einjährige ambulante Rehabilitation entschieden, weil sie dadurch nicht in die Klinik musste. „Ich wollte auf keinen Fall von zu Hause weg. Die Einzigen, die damals von meiner Sucht wussten, waren mein Mann und meine beste Freundin. Und dabei sollte es auch bleiben“, sagt die 42-Jährige.

Niemand hatte es ihr angesehen. Sie ist groß und schlank, ihre Zähne schimmern weiß, die Haare fast so rot wie ihre Lippen. Wenn sie lacht, lachen die großen Augen mit. Niemals hat sie sich danebenbenommen, den Haushalt und ihre zwei Kinder hat Esther Weingarten immer im Griff gehabt. Trotzdem hat sie zwei Jahre lang heimlich getrunken. Die Weinflaschen versteckte sie im ganzen Haus - im Backofen oder hinter Schrankverkleidungen. Beim Einkaufen wechselte die berufstätige Mutter regelmäßig die Supermärkte, Termine erledigte sie tagsüber. „Ich habe nur abends getrunken, wenn ich meine Aufgaben erledigt hatte und nicht mehr fahren brauchte“, sagt Esther. Sie glaubte, ihren Alkoholkonsum im Griff zu haben - und hat sich damit selbst betrogen: „Zum Schluss waren es jeden Abend etwa zwei Flaschen Wein.“

An einem Abend hatte sie es nicht geschafft, wie gewohnt vor ihrem Mann im Bett zu liegen. Ihr Mann bemerkte, dass etwas nicht stimmte. Doch die Einsicht, dass seine Frau alkoholabhängig sein könnte, überforderte auch ihn. „Als klar wurde, was los ist, habe ich zwei Tage darüber nachgedacht. Dann war mir klar, dass es keine Alternative für mich gibt. Ich habe ihr gesagt, dass sie entweder eine Therapie beginnt oder sie ihre Familie das letzte Mal gesehen hat. Und ich meinte das ernst. Sie hätte sich eine Wohnung suchen müssen. Ich habe nicht eingesehen, dass ich mich mit meinen Kindern zurückziehe“, sagt Hannes mit fester Stimme und streicht sich über seinen dunklen Schnäuzer. Für ihn wurde das Helfenwollen zu einem Kampf, weil er sich zum Ziel gesetzt hatte, seine Frau von ihrem Suchtverhalten abzubringen. Ihm war klar, dass er dazu „Druck machen musste“, sagt Hannes heute. Die Reaktion des 44-Jährigen ist nicht exemplarisch. Vielen Angehörigen fällt es schwer, ihren alkoholabhängigen Partnern gegenüber konsequent zu handeln. „Häufig werden Partner und Kinder in einen familiären Verleumdungsprozess einbezogen“, sagt Professor Michael Klein, Dozent und Sprecher der „Kompetenzplattform Sucht“ an der Katholischen Fachhochschule in Köln und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Suchtpsychologie (DG SPS). „Sie sind aber diejenigen, die alles mit klarem Kopf mitkriegen, und leiden dadurch noch viel mehr als ihre alkoholabhängigen Familienmitglieder“, sagt der Psychotherapeut. Die Angehörigen müssen zusätzli che Aufgaben und Verantwortung übernehmen. „Viele, besonders Frauen, fühlen sich sogar für das Fehlverhalten ihrer Partner schuldig“, sagt Klein. Das Familiensystem richtet sich auf die Sucht ein. Wichtige und lieb gewonnene Rituale werden aufgegeben. Die Partner entschuldigen ihren Mann oder ihre Frau sogar beim Chef und kümmern sich aufopferungsvoll um die Betrunkenen, um die „Fassade“ der heilen Familienwelt aufrechtzuerhalten. Doch vor einer solchen „Zusammenarbeit“ warnt der Sucht-Experte: „Durch diese Verhaltensweisen fördern Angehörige ungewollt das Verhalten der Suchtkranken. Zudem werden sie durch den Stress und die persönlichen Erniedrigungen häufig selbst krank.“

Auch Kinder bekommen mehr mit, als ihre Eltern denken. Das kann sogar so weit führen, dass sie Verhaltensweisen entwickeln, die etwas mit der Sucht zu tun haben. „Zum Beispiel küssen manche Kinder ihre Eltern, nur um abzuchecken, ob diese eine Fahne haben“, sagt Klein. Es ist ein sehr langer Prozess, bis Kinder wieder Vertrauen zu ihrem alkoholabhängigen Vater oder ihrer süchtigen Mutter entwickeln können. Klein empfiehlt einen offenen und ehrlichen Umgang mit Kindern: „Es ist wichtig, mit ihnen über die Suchtproblematik zu sprechen. Sie brauchen die Liebe und das Solidaritätsgefühl ihrer Eltern.“ Die Betroffenen sollten aber kein sofortiges Verständnis für ihr Verhalten erwarten. Selbst nach einer erfolgreichen Entwöhnungstherapie könne es „Jahre dauern“, die emotionale Sicherheit und Bindung zu den Eltern wiederherzustellen.

Esther Weingarten konnte ihren Kindern erst nach sieben Monaten Therapie sagen, dass sie alkoholabhängig ist. „Die Zeit brauchte ich einfach. Das war der schwerste Schritt“, sagt die zweifache Mutter. Sie hatte Angst davor, sich vor ihren Kindern „vom Sockel zu stürzen“. Heute ist sie froh, dass sie in ihrer Familie offen über das Thema Alkoholismus und ihre Schwächen sprechen kann. Und auch darüber, dass ihr Mann sie damals vor die Wahl gestellt hat.


polar Offline




Beiträge: 5.749

27.10.2005 21:29
#2 RE: Dann stelle ich mich mal vor... Zitat · Antworten

hallo janeway

hut ab !!!

LG

rolf


Depri Offline



Beiträge: 1.848

27.10.2005 21:35
#3 RE: Dann stelle ich mich mal vor... Zitat · Antworten

Herzlich willkommen an Board!


Bakunin Offline




Beiträge: 1.596

28.10.2005 01:27
#4 RE: Dann stelle ich mich mal vor... Zitat · Antworten

moin janeway

auch von mir ein herzliches willkommen.

erik


Andy1 Offline




Beiträge: 1.389

28.10.2005 07:37
#5 RE: Dann stelle ich mich mal vor... Zitat · Antworten

Moin Janeway,

auch von mir ein herzliches Willkommen an Bord,

Und um dich gleich mit Fragen zu überschütten; ich bekomme voraussichtlich ab Dezember einen Platz in einer ambulanten Gruppe. Ich habe zwar Langzeittherapieerfahrung, aber das ist schon eine Weile her, (1993) und ich freu mich drauf aber manchmal grauselt es mich auch bei dem Gedanken an diese Gruppe. Ich meine damit, dass es da mit Sicherheit mehr zur Sache geht, als in einer SHG und so richtig das innere nach außen gekehrt wird, was man ja nicht immer will.
Tja und dann habe ich mir auch sagen lassen, dass in dieser Gruppe überwiegend (2/3 tel) Frauen behandelt werden. Ist schwer für einen Mann sich da öffnen zu können/müssen. Ist ja überhaupt auch schon so schwer!
Wie geht es dir da dabei? Welche Erfahrungen hast du gemacht? Bist du immer noch dabei?

Liebe Grüße

von

Andy


janeway2 ( gelöscht )
Beiträge:

28.10.2005 07:43
#6 RE: Dann stelle ich mich mal vor... Zitat · Antworten

Guten Morgen rundherum,
vielen Dank für Eure Willkommensgrüße - am frühen Morgen kann ich leider nicht viel schreiben, derweil mich mein Auto gleich Richtung Arbeit chauffiert.

ANDY1: Ich antworte Dir heute abend mal ausführlicher, im Moment nur soviel - bei mir war es in den diversen Gruppen gerade andersherum - 2/3 Männer, zeitweise waren wir in einer Gruppe von 12 Leuten nur 2 Frauen - ich kenne also diese "Minderheitsgefühl". Aber, wie gesagt, jetzt muss ich erst mal flitzen...
Einen schönen Tag
janeway


Seelchen ( gelöscht )
Beiträge:

28.10.2005 08:19
#7 RE: Dann stelle ich mich mal vor... Zitat · Antworten

Hi Janeway

der Artikel ist sehr anschaulich.

Für mich klingt nur der Ablauf sehr perfekt. Hast du bereits nach dem ersten Ultimatum deines Mannes begriffen, was mit dir los ist? Wie sieht's mit Rückfällen aus?

Ist das bei dir wirklich so alles "in einem Guss" vonstatten gegangen?

Wenn's so war - Glückwunsch!

Erzähl doch mal von deiner ambulanten Therapie!

Liebe Grüße von einer ebenfalls alkoholkranken Mutter von zwei Kindern.

Seelchen


Peregrine Offline



Beiträge: 1.056

28.10.2005 11:02
#8 RE: Dann stelle ich mich mal vor... Zitat · Antworten



Auch von mir ein welcome on board. Hut ab, das du es geschafft hast. in dem Bericht hört es sich ganz einfach an, war es doch bestimmt nicht, oder?

Liebe Grüße
Peregrine


Tina72 Offline



Beiträge: 533

28.10.2005 19:29
#9 RE: Dann stelle ich mich mal vor... Zitat · Antworten

Hallo Janeway,

möchte Dich auch herzlich begrüßen.

Mich würde mal interssieren, wie es dazu kam das Deine Geschichte in der Zeitung gestanden hat?
Mir ist auch aufgefallen, das es sich sehr reibungslos liest. Aber ich denke, daß das normal bei einem Zeitungsartikel ist, da so etwas immer in eine gewisse Kurzform gepackt wird.

VLG Tina


janeway2 ( gelöscht )
Beiträge:

28.10.2005 23:58
#10 RE: Dann stelle ich mich mal vor... Zitat · Antworten

Guten Abend, zusammen,

möchte doch die Zeit nutzen, um Eure Fragen etc. zu beantworten.

Danke nochmal für Euren Zuspruch, wo fange ich denn jetzt an? - Es kann sein, dass das jetzt ein bisschen länger wird....

Also - zum Einen war ich vor ca. 1 1/2 Jahren (?) hier schon mal ein bisschen aktiv, konnte mein Mitgliedskonto aber nicht mehr aktivieren - warum auch immer. Deshalb steht hinter meinem Nick jetzt einfach eine 2. (huhu tommy!)

Zu dem Interview kam ich ähnlich wie die Jungfrau zum Kinde. Meine ehemalige Therapeutin bei der Caritas, die ja auch zitiert wird, fragte in unserer SHG bei einem Wochenendseminar einfach mal an, ob ich nicht Interesse hätte, zusammen mit meinem Mann ein Interview zum Thema "Alkoholismus - und die Zeit danach" oder so ähnlich, zu geben für die Familienredaktion des KStA. Okay, nach Rücksprache mit meinem Mann, warum nicht? Irgendwann kam dann ein Anruf, Das Gespräch dauerte 2 Stunden und war auch für mich eine interessante Erfahrung - wie ich bei dieser Themenstellung auf einen mir völlig fremden Menschen wirke - erstaunt hat mich, wie sehr mich das Thema rund um unsere Kinder noch berührt, sie waren damals 12 und 8 Jahre alt. Als ich von unserem Familiengespräch erzählen wollte, ging nach 2 Sätzen nicht mehr viel, ich musste einfach heulen - nicht, weil es so schlimm war, sondern einfach in Erinnerung daran. Aber das Faß mach ich heute abend nicht auf, ich bleib ja noch eine Zeitlang hier.

Was ich noch sehr erstaunlich fand, war die Reaktion der Redakteurin auf mich. Ich habe das auch offen angesprochen, denn bei vielen Menschen bestehen halt immer noch andere Bilder, wie ein Alkoholiker aussieht etc. "Nein, Alkoholiker sind nicht nur die, die auf der Domplatte leben - Nein, es muss nicht die ganz große Katastrophe oder Lebenskrise vorausgegangen sein, dass Mann/Frau anfängt zu trinken. Nein - ich hatte keinen prügelnden, fremdgehenden Ehemann im Nacken, der mich in den Suff getrieben hat. Ich bin ein ganz normaler Mensch und habe auch nur keine 2 Köpfe auf dem Hals".

Ja, so war das. Von dem ganzen Gespräch ist natürlich sehr viel "geglättet" worden.

Stimmt, in dem Artikel hört es sich teilweise an, als wäre der Weg ganz easy gewesen - oh jeeh. Das war es beileibe nicht. In den Jahren (seit 21.4.2001) gab es einige Situationen, in denen es ganz eng wurde. In den ersten Wochen habe ich noch keine Gruppe o.ä. zur Unterstützung gehabt, sondern alleine entgiftet und mich über die ersten 2 Monate gebracht. Oft fühlte ich mich, als kratze ich gleich den Kalk von der Wand, wenn ich nicht sofort.... Abgelenkt habe ich mich, zum Teil exzessiv, mit Nähen, Laufen, Lesen, irgendwann klappte es auch mit Schlafen. Ich habe die Zeit herumgekriegt.

Mit Gruppe und Einzelgesprächen wurde es dann sehr viel einfacher. Nach etwas über einem Jahr konnte ich die Motivations- und danach RehaGruppe beenden, in den letzten Monaten habe ich parallel dazu mit ein paar anderen Frauen eine Frauen - SHG gegründet, mittlerweile sind wir 9 Frauen, treffen uns jeden Montag und das ist auch gut so.

Rückfälle hat es bislang nicht gegeben, Situationen, in denen es zu einem Rückfall kommen könnte, hatte ich etliche - aber sie werden weniger. Tückischerweise kommen sie aber häufig dann, wenn ich kaum damit rechne, so richtig gemein, oder geht es euch anders?

Ich weiß nicht, ob ich den Weg wieder so gehen würde, oder ob ich bei einem heftigen Absturz in eine Klinik ginge - wahrscheinlich würde ich das wieder nach Gefühl entscheiden.

Jetzt treibts mich langsam in Richtung Bett, ja, ja, so ist das im Alter, Nächte durchmachen - DAS WAR EINMAL ....

Euch allen eine Gute Nacht
Janeway


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