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Saufnix  
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Dieses Thema hat 5 Antworten
und wurde 559 mal aufgerufen
 Kuddelmuddel
Max mX Offline




Beiträge: 5.878

15.01.2004 23:41
RE: damals in der DDR Zitat · Antworten

hallo liebe Debbie,
du fragtest mich nach der DDR und wie das da war.

DDR?!
Meine „Langzeit“ war 1973. Da hatte Dr.Erik Winter, Oberarzt im Griesinger Krankenhaus zu Berlin, erst gerade man so Alkoholismus als Krankheit durchgesetzt. Auch unsere DDR hatte ja mit der UNO zu tun (wir wollten nämlich aufgenommen werden), und da konnten wir dann schlecht die Definition der WHO zum Alkoholismus negieren. Da hätte die Partei Miese gemacht.
Ansonsten war ja bis dato (Zicke Ulbricht) Alkoholismus (das musste jetzt in sächsischer Mundart lesen) „ein Überrest der im Absterben befindlichen kapitalistischen Gesellschaftsordnung“, welcher im (ruhmreichen hihi) Sozialismus daher zwangsläufig abstarb. Nun muss sich vielleicht ein mutiger Genosse trotzdem getraut haben, die Statistiken anzuschauen. Und da wird er erstaunt festgestellt haben, dass in der DDR ganz genauso viel gesoffen wurde wie im Westen. Und das das nicht unbedingt an der buntschillernden Fehlleitung der Menschheit durch die verlogene (West!!!!!!)Fernsehreklame lag. Und dann wird ebenso herausgekommen sein, dass die Trunksucht durch sämtliche Schichten zieht, vom Professor über den Handwerker bis zur Klofrau. Und!! die Genossen nicht zu vergessen. Auch die soffen im Durchschnitt akurat das Gleiche.
Es gab auch Beratungsstellen, psychische. Und für die waren Alkoholiker ganz normale Kranke. Krankheitsschlüsselnummer 303. Und es gab auch Entgiftungen und Langzeittherapien. So wie für mich.
Selbsthilfegruppen gab es nicht bis kaum. Keine Werbung d.h. Bekanntmachung. Auch dass „die Kirche“ solche Gruppen hatte Blaukreuz – die durften aber nicht Blaukreuz heißen, sondern AGAS = Arbeitsgemeinschaft zur Abwehr der Suchtgefahren – war nur durch Mund-zu Mund-Propaganda möglich. (Auch der „rudimentäre Klerus“ starb ja bekanntlich im Sozialismus ab, jedenfalls meinte das der Genosse Zickenbart.)
Aber später wurde das dann ganz normal. Ab 75?? Grund: Die staatlichen Ausgaben für die Krankheitsbehandlungen waren in etwa so hoch wie der Steueranteil aus dem Schnaps etc. So doof waren auch unsere Ökonomen nicht. Auch dieses Kapitel war, wie so vieles in der DDR, eher tragikomisch.
DDR, vorbildlich: Wer soff, bekam letztlich eine Entgiftung. Mit schweinisch langen Wartezeiten. Wer weiter soff, bekam eine Abmahnung, dann Rausschmiss. Er fiel aber nicht zu Boden, sondern man erteilte ihm niedere Arbeiten. Er wurde auch nicht aus der Wohnung geworfen (weil die Mietrückstände z.B. 2 Jahre betrugen).
Eine aus meiner damaligen Gruppe, Ines, nähte bei Rewatex abgerissene Knöpfe an die Arbeitswäsche wieder an. Wenn sie 4 Tage kam, erhielt sie für 4 Tage Lohn, entsrechend aber auch für 20 Tage, je nachdem. Ihre vom Staat gestellte 1-Zimmer-Wohnung kostete 23,40 DM Miete im Monat. Und sie musste sich 1-2mal die Woche bei ihrer Sozialhelferin melden. Es war zwar ein Scheißleben für Ines, aber sie musste nicht hungern, klauen (höchstens Schnaps) oder im Freien erfrieren.
Also im Großen und Ganzen gesehen gab es graduelle Unterschiede in Ost un d West, jedoch keine prinzipiellen.
Dieses kann ich für Berlin sagen, für woanders weiß ich nicht.

liebe Debbie, ich hoffe dir etwas behilflich gewesen zu sein, Grüße von Max


Gast ( gelöscht )
Beiträge:

16.01.2004 00:01
#2 RE: damals in der DDR Zitat · Antworten

Hallo auch

Da kannste mal sehen, wie verschieden das ist.
Ich war so um 1987 beim Arzt, weil ich es nicht ganz normal fand, dass ich im Suff durch geschlossene Türen ging, egal ob Glas oder Pappe.

Ich bekam ein Dauerrezept für Beruhigungstabletten (Faustan) - das war's - na danke auch. Ich solle mich eben bei der Arbeit nicht so aufregen.....
(Damals war ich Assi beim Betriebsdirektor eines bekannten Thüringer Unternehmens.)


Bernd48 Offline




Beiträge: 979

16.01.2004 00:03
#3 RE: damals in der DDR Zitat · Antworten

Das war ich eben


debbie Offline




Beiträge: 642

19.01.2004 08:57
#4 RE: damals in der DDR Zitat · Antworten

Hi Max,

sorry das ich erst jetzt antworte, muss mich nach dem Wochenende erstmal durchs Board lesen.

Vielen Dank für deinen ausführlichen Bericht hast meine Neugier gestillt.

Tschüss


WolframK Offline



Beiträge: 383

25.01.2004 16:30
#5 RE: damals in der DDR Zitat · Antworten

Hallo Max ,

ich habe Deine "DDR"-Auslassung eben erst entdeckt und gelesen. Für mich war Dein Text wirklich sehr interessant, weil ich schliesslich auch von "drüben" komme (geboren bei Altenburg - 1957 in den Westen).

In den 40 Jahren, die die DDR "lebendig" war, habe ich immer viel Kontakt zu Bekannten und Verwandten gehabt und bin auch zweimal ( 1964 und 1976 ) vor dem Fall der Mauer zu Besuch in meinem Geburtsort gewesen. Allerdings war ich immer sehr schockiert, wie verwahrlost und trostlos dort alles war. Berlin bildete da mit Sicherheit eine Ausnahme.

Viele liebe Grüsse

Wolfram


Max mX Offline




Beiträge: 5.878

25.01.2004 18:25
#6 RE: damals in der DDR Zitat · Antworten

hallo Wolfram,
ob Berlin da eine Ausnahme war weiß ich nicht.
Ich weiß nur, dass damals wie heute so jeder 33-ste ein Alkoholiker ist, und zwar scheißegal ob Nord oder Süd. (Außer natürlich der "ruhmreichen Sowjetunion", da war's wohl noch verschärfter. Das hatte der Zar mal versaut.) Und in meiner Klinik damals war es schon drastisch. Dennoch hatte ich in eben jener Einrichtung das erste Mal nach langer Zeit wieder Menschlichkeit gespürt.
Und dieser (subjektiv spürbare, und in trockenem Zustand auch durch mich gespürte) Unterschied ließ und lässt mir alles andere soooo klein vorkommen.
Grüße aus dem (inzwischen geografischen) Osten von Max


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