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Saufnix  
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Dieses Thema hat 4 Antworten
und wurde 934 mal aufgerufen
 Kochrezepte aller Art
Rosa Krebs Offline




Beiträge: 436

22.11.2003 14:56
RE: Mein 1. Coronation Chicken - Erfahrungsbericht Zitat · Antworten

Ich finde es lustig! Und ist nicht von mir!


Das Rezept begann mit den Worten: "Man nehme ein großes gekochtes Huhn"
Wie vielen sicherlich bekannt ist, gibt es im Supermarkt keine gekochten Hühner. Sicherheitshalber schaute ich trotzdem nach. Ohne Erfolg.
Entschlossenen Schrittes näherte ich mich also der Tiefkühltruhe und war wenige Minuten später stolze und rechtmäßige Besitzerin eines stahlhart gefrorenen Geflügelkörpers in einer hygienischen Plastikhülle.

Als zu Hause alle anderen Einkäufe sicher verstaut waren, wendete ich meine volle Aufmerksamkeit dieser Erwerbung zu. Das Huhn sollte nun also gekocht werden. Mir war schon einmal klar, dass ich einen ziemlich großen Topf benötigen würde. Damit endeten meine Erfahrungen mit der Zubereitung von Hühnern, die nicht in Scheiben geschnitten oder als goldbraune Paniermehl-Kreationen vorlagen.

Sollte ich aber das Wasser erst zum Kochen bringen?
Musste es gesalzen werden oder mussten gar noch weitere Hilfsmittel eingesetzt werden?
Ist ein Huhn, genau wie ein Ei, mit dem es ja eng verwandt ist, in 5 Minuten gar?
Ich bin der Meinung, dass man, wenn man vor einer derart verfahrenen Situation steht, durchaus das Recht hat, seine Mutter anzurufen. Auch wenn man über 30 Jahre alt ist.

Meine Mutter riet mir dringend, zunächst die Verpackung zu entfernen. Das tat ich und sah mich unversehens mit einer nackten, eiskalten Geflügelleiche konfrontiert. Egal, wie herum ich das Huhn drehte, es sah in Rücken- wie in Bauchlage gleichermaßen tot aus.

Durch die Berührung mit der Haut des Kadavers bildete sich bald auch auf meinen Armen eine Gänsehaut, die der auf den Hähnchenschlegeln erschreckend ähnelte. Mit gesträubten Haaren und schreckgeweiteten Augen verließ ich die Küche und überließ das Huhn seinem Schicksal, das zunächst darin bestand, aufzutauen.

Einige Zeit später hörte ich aus der Küche einen Schreckensschrei. Mein Mann war nach Hause gekommen und hatte nichtsahnend die Küche betreten. Er mit einer Wasserflasche in der Hand vor dem Kühlschrank. Ich folgte seinem starren Blick zur Arbeitsplatte und sah das unselige Tier in einer blutigen Pfütze auf dem Teller liegen. Ich fing die Flasche gerade noch auf und setzte zu einer Erklärung an. Mein Mann erwies sich jedoch als erschreckend unkooperativ. "Ist mir egal, was daraus wird. Er zeigte auf das tote Huhn "Das da esse ich nicht, egal was du drüberschüttest." Ehrlich gesagt, konnte ich mir zu diesem Zeitpunkt auch nicht vorstellen, etwas von dem Vogel in den Mund zu stecken.
Es wurde Abend, das Huhn war so gut wie aufgetaut, aber ich wollte den Rest des Abenteuers lieber auf den nächsten Morgen verschieben. Daher stellte ich den Teller mit dem Körper in den Kühlschrank, wo es in Gesellschaft anderer weniger grauenerregender Lebensmittel die Nacht verbringen sollte. Mein Mann entdeckte es dort und meinte verunsichert "Meinst du, das ist so ok?"

Ich zuckte die Schultern. "Es wird schon nicht an deinen Nussjoghurt gehen."
"Sicher ist sicher!" sagte mein Mann und stellte seinen Joghurt in ein anderes Fach.
Am nächsten Morgen steckte ich das Huhn aufrecht stehend in den Spargeltopf. Das war der einzige Topf, in den es hineinpasste, ohne neckisch über den Rand zu lugen. Ich bedeckte es mit Wasser und gab reichlich Salz dazu. Das Huhn tauchte immer wieder auf. Von Bleigewichten an Hühnerleichen hatte ich aber noch nie etwas gehört. So kam ich zu dem Schluss, dass es wohl in Ordnung sein müsste. Nach einer halben Ewigkeit, begann das Wasser zu kochen und ein ziemlich leckerer Geruch zog durch unsere Wohnung. Selbst mein Mann begann das Huhn plötzlich mit ganz anderen Augen zu sehen.

Meine Mutter hatte die Zeit, bis so ein Tier durch ist, ganz exakt angegeben: "Bis es eben gut ist, das merkt man dann".
Ich saß im Wohnzimmer, eine dreiviertel Stunde war um, ich merkte gar nichts. Daher ging ich in die Küche, und stach mit einer Gabel an vielen Stellen in das Huhn. Es fühlte sich jetzt nicht mehr wie ein rohes, sondern wie ein gekochtes Huhn an. Sicherheitshalber ließ ich es noch eine Weile weiterköcheln. Nach etwa einer Stunde wollte ich es endlich herausholen.

Ich packte es an einem Bein. Das Huhn wog mehr als ich dachte. Ich zog noch etwas kräftiger und hatte plötzlich eine Hühnerkeule in der Hand. Der Rest des Huhnes rutschte mit einem Platsch zurück ins Wasser. Ich schloss die Augen, atmete tief durch, griff mir ein paar Werkzeuge und hievte das nun leicht verstümmelte Viech aus dem Topf. Eine Stunde im kochenden Wasser und immer noch Gänsehaut! Und genau die sollte ich, laut meiner Mutter, noch im heißen Zustand entfernen. Ich nahm ein scharfes Messer und ging ans Werk. Ich fühlte mich wie Jack the Ripper. Nur dass Jack the Ripper sich sicher nicht ständig an seinen Opfern die Finger verbrannte.

Mein Mann näherte sich uns, dem Huhn und mir, von hinten. Er schaute mir mit einer Mischung aus Grauen und Lust, mit der manche Leute Verkehrsunfälle begaffen, über die Schulter. " Huuuuu" sagte er und schüttelte sich. Er konnte aber die Augen nicht von der mittlerweile gehäuteten Hühnerleiche wenden. Ich wedelte mit einem Stück der schwabbeligen Haut vor seinem Gesicht herum, so dass er fluchtartig den Ort des Geschehens verließ. Trotzdem musste ich ihm ganz und gar zustimmen. "Huuuuu" war wirklich treffend. Mit diesem Wort warf ich die Haut in den Mülleimer und ließ das Tier zum Abkühlen alleine.

Das Schlimmste stand aber meiner Meinung nach noch bevor: Das Zerfleddern des Huhnes in mundgerechte Häppchen. Um meine Nerven zu beruhigen suchte ich Ablenkung vor dem Fernseher. Als ich gerade ganz vertieft in eine dieser wirklich anspruchsvollen Talkshows auf der Couch saß, und zuhörte, wie Mütter mit ihren Töchtern darüber diskutierten ob man mit 12 schon die Pille bräuchte, kam mein Mann aus der Küche. Er kaute! "Schmeckt gar nicht so übel" sagte er. "Was schmeckt nicht übel?" Ich dachte, er macht einen seiner makaberen Witze und stürzte in die Küche. Das Huhn war auf den Rücken gedreht worden und ein Stück Brustmuskel fehlte. Schon griff mein Mann wieder zu seinem Tatwerkzeug, einer gewöhnlichen Gabel. Er wollte sich erneut an dem gehäuteten Geflügelkadaver zu schaffen machen. Mir sträubten sich die Nackenhaare. "Igitt, du Ungeheuer, wie kannst du das nur essen?" Mein Mann zuckte nur die Schultern. "Schließlich willst du das heute Abend unseren Gästen vorsetzen. Die sollen es ja auch essen."

Seine Argumentation war nicht völlig von der Hand zu weisen. Vielleicht würde es unseren Gästen auffallen, wenn ich meine eigene Kreation nicht anrührte. Ich kniff also die Augen fest zu und nahm den dargebotenen Happen von der Gabel. "Hmmmmmm" Tatsächlich, es schmeckte ziemlich gut.
Ich vergaß die keifenden Teenager und ihre Mütter, die im Fernsehen mittlerweile im Stadium des gegenseitigen Anspuckens angelangt waren und machte mich daran, das Hühnerfleisch abzupräparieren. Nach einer Weile verlor ich meine anfänglichen Hemmungen. Ich ließ mein Operationsbesteck fallen und ging mit bloßen Händen zu Werke. Am Rumpf hatte das Tier jetzt eine ziemlich angenehme Temperatur. Die Füße waren jedoch schon ziemlich kalt.

Bald häufte sich auf einem Teller appetitliches weißes Fleisch. Der Rest des Huhnes, das gestern noch so adrett in der Tiefkühltruhe gelegen hatte, sah jedoch immer desolater aus. Die leckeren Häppchen mussten vor den immer gierigeren Attacken meines Mannes geschützt werden. Deshalb stellte ich ihm eine Frage, die ihm den Appetit verderben sollte: "Erinnerst du dich noch an die Ausstellung ‚Körperwelten' mit den präparierten Leichen?" Doch bei dem Menschen, der mir das Jawort auf Lebenszeit gegeben hatte, hatte inzwischen die blanke Gier über jede ästhetische Grundhaltung gesiegt. Er warf einen abschätzenden Blick auf den Teller mit dem Skelett und meinte: "Stimmt, sieht so ähnlich aus." Mit diesen Worten verschwand das nächste Stück Huhn in seinem Mund. Ich musste wohl deutlicher werden. "Ich wette, die Präparatoren haben nicht ständig genascht." Die Kiefer meines Mannes erstarrten. "Du Ekel!" Meine zugegebenermaßen etwas brutale Strategie hatte gewirkt. Das Hühnerfleisch war immerhin solange sicher, bis ich meinen Salat fertig hatte.
Als ich meine verfressenere Hälfte später bat, den Müll wegzubringen, überlegte er, ob wir das Gerippe nicht in der Mitte des Esstisches aufbauen sollten. Er wäre auch bereit, jedem, der Fragen zur Anatomie des Huhnes hätte, Rede und Antwort zu stehen. Wir einigten uns dann aber doch darauf, das Beinahe-Kunstwerk fachgerecht zu entsorgen. Der Geflügelsalat mit dem wunderschönen Namen Coronation Chicken war der Hit des Abends. Die Schüssel leerte sich in rasender Geschwindigkeit, sehr zum Leidwesen meines Mannes. Als sich einer unserer Freunde der fast leeren Schüssel mit ziemlich eindeutigen Absichten näherte, fragte mein Angetrauter ihn plötzlich: "Erinnerst du dich noch an diese Ausstellung in Mannheim, wo wir zusammen die Leichen angeguckt haben?" Unser Bekannter blieb etwas verwirrt stehen. Ich stieg dem Mann, mit dem ich Tisch und Bett teile, mit dem Absatz meines hochhackigen Schuhes auf die Zehen. Er sog zischend die Luft ein. "Ja ich erinnere mich. Ziemlich schaurige Angelegenheit, aber sehr interessant. Was ist damit?" Unser Freund kratzte den letzten Rest des Geflügelsalates aus der Schüssel auf seinen Teller. "Genial, das Zeug. Ich muss das Rezept haben." Dann wendete er sich wieder meinem Mann zu, der plötzlich sehr unglücklich wirkte. "Was wolltest du gerade sagen, wegen der Ausstellung in Mannheim?" Ich knallte meinem Ehepartner den Ellenbogen zwischen die Rippen, so dass er die eingesaugte Luft wieder ausstieß. "Nichts," sagte mein Mann. "Ist mir einfach so eingefallen. " Er nahm sich etwas Tzaziki "Ich weiß auch nicht wie ich darauf gekommen bin."

Als wir abends nach der Party die Küche aufräumten, dachte ich über die letzten zwei Tage nach. Mit der Zubereitung eines Tiefkühlhühnchens hatte ich den Sprung in die wirkliche Küchenwelt geschafft. Auf der Einkaufsliste für den nächsten Tag notierte ich mir einen Schweinerollbraten.


Sternfaenger Offline



Beiträge: 81

22.11.2003 15:12
#2 RE: Mein 1. Coronation Chicken - Erfahrungsbericht Zitat · Antworten

Hi Rosa Krebs,
einfach genial die Geschichte von deinem Kampf mit dem Hühnchen, ich habe schallend gelacht, als ich sie gelesen habe.

Super, wenn du noch mehr solche Geschichten hast, immer her damit.

Hat sich wirklich leckern angehört, jetzt habe ich auch noch Hunger bekommen,sowas.

Danke für die Klasse Geschichte

Liebe Grüße


Schneefrau Offline




Beiträge: 2.958

22.11.2003 15:34
#3 RE: Mein 1. Coronation Chicken - Erfahrungsbericht Zitat · Antworten

Jau!
Hab auch schallend gelacht
Mehr von dieser Sorte fände ich auch genial-
das schick ich gleich meiner kochmuffeligen Schwester zu

Gruss Schneefrau


Ameise Offline




Beiträge: 1.110

22.11.2003 16:58
#4 RE: Mein 1. Coronation Chicken - Erfahrungsbericht Zitat · Antworten

- ja, das war schön!

Mit Schrecken mußte ich gleich daran denken,
daß ja bald wieder Heiligabend ist (man, das kommt
immer so plötzlich ).
Heiligabend gibt es im Hause Ameise immer traditionell Ente mit Rotkohl - auf Wunsch der
Mini-Ameise diesmal ohne Rotkohl.
Und ich sage nur: H A L S !!!!
Ihr wißt schon: Dieses eklige lange, rote Ding, das
an den Enten immer mit rumbammelt.
Warum? Warum bleibt der immer dran?
Damit ich mich wie ein Leichenfledderer fühle, wenn
ich stundenlang daran rumsägen muß?
Schon mein Ex-Mann sagte damals immer zu mir:
"Daß Du das so kannst!"
Heute hat meine Tochter diesen traditionellen Spruch übernommen.
Ich will Euch was verraten:
Ich kann das gar nicht. Ich leide dabei.
Ich hasse all diese Enten mit ihren langen Hälsen -
kann man keine mit angewachsenen Köpfen züchten, oder ganz ohne Kopf?

Ihre Eingeweide tragen sie doch auch schon in
Plastiktüten. Seltsame Tiere.

Bald ist es wieder soweit.
Naja- schmecken tut es ja dann doch.
Diesmal zum zweiten Mal ohne Rotwein
in der Soße


Grüße


Gitti Offline




Beiträge: 314

23.11.2003 05:44
#5 RE: Mein 1. Coronation Chicken - Erfahrungsbericht Zitat · Antworten

Hi Ameise!
Sei froh das Du nicht in meiner Nähe wohnst
Ente bekommste hier nicht nur mit Hals sondern es bammelt auch noch der Kopf daranbei mir gibt es Rolladen
basta.
Ein einschneidendes Erlebnis hatte ich allerdings mit Hühnersuppe hier, hmmm die roch gut, da hatte ich Hunger darauf, eine Portion bitte, die Frau rührte einmal um, Hunger weg, es schwammen die Krallen die hier als Delikatesse gelten mit in der Suppe.
Gruß Gitti


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