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Saufnix  
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Dieses Thema hat 13 Antworten
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 Selbsthilfe und Gruppengespräche
Spieler Offline




Beiträge: 7.888

21.08.2003 12:32
RE: Auch eine SHG ist keine Garantie Zitat · Antworten

Hallo alle Miteinander,

jedem, der hier auf dem Board Hilfe sucht, wird fast immer geraten eine Selbsthilfegruppe zu besuchen. Ich selbst bin auch ein Verfechter dieser Ansicht und selbst Mitglied im Kreuzbund, wobei es völlig unwichtig ist, welcher Organisation man angehört.
Ich kann mir aber gut vorstellen, dass viele Neue gar nicht wissen, was in einer Gruppe eigentlich abläuft und warum eine Gruppe so wichtig sein kann.
Deshalb möchte ich hier eine ganz aktuelle Situation aus unserer Gruppe schildern.
Grundsätzlich möchte ich aber im Vorfeld anmerken,das eine Gruppe kein Allheilmittel ist und nur dann wirkungsvoll sein kann, wenn der Betroffene offen und ehrlich und vor allem krankheitseinsichtig ist.
Zur Vorgeschichte:
Vor ca. 1 Jahr bekamen wir zwei neue Gruppenmitglieder.
Christian und seine Ehefrau E., beide Deutsche, vor ca 12 Jahren aus Polen eingewandert.Christian ist der Abhängige und E. die Co-Abhängige. Beide Anfang 40, 3 erwachsene Kinder,stimmiges soziales Umfeld, beide arbeiten, keine finanziellen Sorgen.
Christian hatte 1 Jahr zuvor einen Unfall mit 2,8 Promille gebaut, der allerdings glimpflich ablief.
Ihm wurde natürlich der Führerschein weggenommen und aufgrund des hohen Alkoholspiegels eine MPU auferlegt mit gleichzeitigem Besuch eines Therapeuten und regelmäßiger Abgabe der Blutwerte.
Nachdem er durch die erste MPU gefallen war, obwohl er alle Vorgaben erfüllt hatte(wie er uns erzählte), fing er wieder an zu trinken.Da sich dadurch seine familiäre Situation natürlich verschärfte, entschloß er sich( auch auf Druck der Familie) unserer Gruppe beizutreten.
Wir sind eine relativ kleine Gruppe mit damals 9 Mitglieder, in der sehr viel Wert auf Offenheit und Ehrlichkeit gelegt wird.
Sowohl Christian, als auch seine Frau schienen sich wohl zu fühlen. Beide nahmen aktiv an der Gruppenarbeit teil, wobei seine Frau die eindeutig aktivere ist. Im Dezember letzten Jahres absolvierte Christian auch erfolgreich seine zweite MPU und durfte wieder Auto fahren. Alles schien zu stimmen.
Seine Familie war glücklich, er hatte gelernt sich zu öffnen und wie wir meinten, seine Krankheit zu akzeptieren.
Vor ungefähr 4 Wochen baute Christian einen Rückfall.
Nun sind wir bei uns in der Gruppe der Auffassung, dass ein Rückfall zwar richtig scheiße ist, aber auch hilfreich sein kann, wenn man danach sofort wieder aufsteht und für die Zukunft daraus gelernt hat. Das soll nicht heißen und das möchte ich ganz klar betonen, dass man jetzt Rückfälle ohne Ende bauen kann.
Es folgte dann in der Gruppe die übliche Bestandsaufnahme und die Frage, wie er sich zukünftig schützen will.
Vernünftige Antworten ist er uns bis heute schuldig geblieben. Im Gegenteil wir alle hatten nach diesem Gespräch den Eindruck, all das was er vermeintlich gelernt hatte, war wie weggeblasen.
Er fing wieder mit dem für nasse Alkoholiker typischen Verhalten an. Die Schuld bei anderen suchen, die Probleme zu verniedlichen, die gestörte Selbstwahrnehmung.
Wir waren irgendwie wie vor den Kopf gestossen. Das soll derselbe zufrieden trockene Typ sein, den wir in den letzten Monaten kennen- und mögen gelernt hatten?
Für Außenstehende mag es jetzt so aussehen, als ob wir, die anderen Gruppenmitglieder ziemlich naiv seien, das wir es nicht haben kommen sehen. Ich kann dazu nur sagen, wir, die trockenen Alkis in unserer Gruppe blicken alle auf eine lange, beschissene Laufbahn zurück, in der wir alle Tricks der Manipulation Anderer gelernt haben und trotzdem waren wir teilweise blind. Wir haben im Vorfeld jede Veränderung, die uns aufgefallen ist knallhart angesprochen und wir haben ihm eindringlich die Konsequenzen vor Augen geführt.
Es hat alles nichts genützt.
Um 20 Uhr am 20.8.03 wurden wir von seiner Frau alarmiert, das er nicht nur wieder getrunken hat, sondern jetzt auch noch aggressiv wird.
Wir sind zu zweit hingefahren. Er war angetrunken und pöbelte rum. Immer wieder fing er zwischendurch an zu heulen und zu jammern, das er Hilfe bräuchte. Als wir ihm anboten ihn ins LKH zu bringen, war es mit der Einsicht natürlich wieder vorbei. Ich war lange nicht mehr so wütend wie gestern Abend und hätte ihm, entgegen meiner Natur, am liebsten ein paar reingehauen. Alles, aber auch wirklich alles, was er sich in dem gesamten Jahr aufgebaut hat, hat er wieder zerstört. Ich könnte kotzen.
Heute,21.8.03, rief mich seine Frau gegen 11 Uhr an.
Christian sei morgens, wie üblich, zur Arbeit gefahren, aber dort anscheinend nie angekommen.
Er hätte betrunken von unterwegs angerufen und um Hilfe gefleht.Seine älteste Tochter ist jetzt gerade los, um ihn zu holen. Seine Frau hat schon mit dem Arzt gesprochen.
Wenn er es jetzt kapiert hat, dann bringen wir ihn weg.
Bei Bedarf Fortsetzung.

Jörg


frankie Offline



Beiträge: 70

21.08.2003 14:52
#2 RE: Auch eine SHG ist keine Garantie Zitat · Antworten

Hi Jörg,

so was ist natürlich scheiße, aber was soll man machen?

Und natürlich ist auch die Gruppe keine Garantie dafür, dass man trocken bleibt. Sie soll ja "bloss" eine Unterstützung sein.

Wobei mich deine Schilderung an was erinnert. Du schriebst ja, dass mehr die Frau die "treibende Kraft" war, aber er dennoch einen zufriedenen Eindruck gemacht hat. Waren die beiden denn immer zusammen in der Gruppe, oder war er auch mal alleine da???

Und ob man uns trockenen Alkis was vormachen kann? Ich denke zum Teil bestimmt. Nämlich genau dann, wenn die Gruppe - geschlossen - der Meinung ist: Super, der hat´s geschafft. Da übersieht man dann schon mal ein paar Kleinigkeiten.

Aber ich hoff mal mit euch, dass er es wieder packt. Und falls nicht, weißt du ja, dass es NIE an der Gruppe liegt!!!


Frankie


Rosa Krebs Offline




Beiträge: 436

21.08.2003 15:19
#3 RE: Auch eine SHG ist keine Garantie Zitat · Antworten

Hallo Jörg,

ja das Unterbewusstsein spürt schon viel eher, dass irgendwas nicht stimmt, nur kommt es oft nicht richtig oder rechtzeitig im Kopf an. Aber im nach hinein haben wir es ja alle schon lange vorher gewusst........

Christians Rückfall, ist sehr bedauerlich, aber doch kein Weltuntergang. Er wollte / musste unbedingt noch mal ausprobieren, so zu sagen "seine Grenze noch mal abchecken um dann festzustellen dass es keine mehr gibt, sondern alles im Uferlosen endet".
Normal trinken kann er nicht mehr, inzwischen weiß er das bestimmt, denn sonst hätte er nicht um Hilfe gefleht. Dieses Erlebnis wird er so schnell nicht vergessen können. Wieder am Boden....., wieder hilflos dem Alk ausgeliefert........, wieder die Selbsttäuschung und Enttäuschung.... wieder ein Neuanfang.......

Schön wenn man Freunde hat, die helfen können, wenn man deren Hilfe benötigt.
Mich würde es sehr interessieren, ob er eure Hilfe auch angenommen hat.

Wünsche Christian alles Gute und euch den Erhalt eures "Freundes Christian".


Spieler Offline




Beiträge: 7.888

21.08.2003 15:52
#4 RE: Auch eine SHG ist keine Garantie Zitat · Antworten

Hi Frankie,

meines Wissens war er nie allein in unserer Gruppe. Aber das ist auch nicht ungewöhnlich, da es im Kreuzbund, anders als bei den AA's keine separate Angehörigengruppe gibt.
Bei unseren Gruppenabenden sind , so sie denn wollen, immer die Partner dabei.
Weißt du mich ärgert ja auch nicht sein Rückfall oder das er jetzt immer noch trinkt. Mich ärgert nur, das er nach einem Jahr trocken sein und wirklich tollen Ansätzen, jetzt alles den Bach runtergehen läßt. Wir, die Gruppe sind jetzt plötzlich die Bösen, die ihn nicht verstehen. Klar weiß ich, dass dieses schwachsinnige Gefasel Ausdruck seiner Sucht ist, aber wir alle haben ihn auf einem vernünftigen Weg gesehen.Das Verhältnis zu seiner Frau und seinen Kindern hatte sich wieder um 100% verbessert. Er war offener geworden, konnte über sich selbst lachen und konnte auch mal Fünfe gerade sein lassen. Und obwohl ich weiß, das es keinen Grund zum trinken gibt, erschrickt es mich immer wieder, wie jemand bei dem wirklich alles klappt, familiär, beruflich, finanziell und der schon relativ lange trocken ist(immerhin 1 Jahr) aus heiterem Himmel wieder anfängt zu saufen. Und dann noch nicht mal bereit ist, die ihm angebotene Hilfe anzunehmen.
Er ist jetzt übrigens wieder zu Hause. Nachdem ihn seine älteste Tochter abgeholt hat, saß er zu Hause im Garten und hat ewig rumgejault, das er Hilfe braucht. Aber weder durch einen Arzt oder die Gruppe, sondern nur von seiner Familie.
Das wird allerdings nicht mehr funktionieren. Sowohl seine Frau, als auch die Kinder haben ihm ganz klar gesagt, das sie ihn verlassen, wenn er nicht professionelle Hilfe annimmt. Das Drama geht jetzt erst mal weiter. Momentan schläft er gerade seinen Rausch aus.

Gruß

Jörg


Spieler Offline




Beiträge: 7.888

21.08.2003 15:59
#5 RE: Auch eine SHG ist keine Garantie Zitat · Antworten

Hallo Rosa Krebs,

nein unsere Hilfe will er jetzt nicht annehmen. Und ehrlich gesagt habe ich die Schnauze auch gestrichen voll. Wahrscheinlich muß er jetzt erstmal saufen, bis der Arzt kommt.
Ich habe seiner Tochter gesagt, sie sollen ihm den Alkohol nicht wegnehmen, sondern ihn saufen lassen bis er umfällt. Möglicherweise kann man ihn zwangseinweisen lassen, wenn er im Suff sich oder andere gefährdet.
Das wird jedenfalls noch eine heiße Kiste.

Gruß
Jörg


Margot ( gelöscht )
Beiträge:

21.08.2003 16:26
#6 RE: Auch eine SHG ist keine Garantie Zitat · Antworten

Hallo Jörg,
ich kann schon verstehen dass Du jetzt wütend bist.
So wie ich meine SHG noch in Erinnerung habe ging es da sehr schonungslos und ehrlich zu.
Aber eben nur deshalb weil dort nur Betroffene sprich Alkoholiker sassen.
Man hat dann mal, sozusagen probehalber die Partner mit zugelassen.
Nur es hat nicht funktioniert weil plötzlich noch nasse Alkkoholiker ganz verstummt sind und in der Gruppe kein Wort mehr gesagt haben.
Dafür gab es manche Angehörigen die gemeint habe sie müssen in der Gruppe das grosse Wort führen.

Kurz gesagt die Konstellation hat nicht funktioniert und man hat sich dann entschieden dass die Gruppe wieder nur für die Alkohliker alleine da sein soll.

Ich will darauf hinaus, dass es Alkohliker gibt die in der Gruppe solange der Angehörige mit dabei ist einfach nicht die Wahrheit sagt.
Dann gibt es die Alkoholiker die nur der Frau dem Chef oder eben Anderen "zuliebe" aufgehört haben zu trinken.
Nur erfahrungsgemäss funktioniert das nicht.

Vielleicht ist das in diesem Fall auch so?

Ich bin halt der Ansicht wenn man nicht für SICH und sonst niemand das trinken aufhört funktioniert das Ganze nicht.

Kann es sein dass der jetzt Rückfällige einfach nicht so recht mit der Wahrheit rausgerückt ist, angesichts seiner ihn begleitenden Ehefrau?

Und die Gruppe, bzw. die trockenen Mitglieder können die Trockenheit nur vorleben.Vom trinken wirklich abhalten können sie meiner Ansicht nach nicht, das halte ich für eine Illussion.

Vielleicht braucht Christian diese Lektion jetzt?
Und wenn die Familie konsequent bleibt hat er die Chance zu erkennen dass er etwas tun muss gegen seine Sucht.

Mit Zwangseinweisung ist das so eine Sache.Dies geht nur wenn er eine Gefährdung für sich und/oder Andere ist.
Ansonsten kann er sich wenn er seinen Rausch ausgeschlafen hat selbst aus dem Krankenhaus entlassen.

Therapie findet sowieso nur auf freiwilliger Basis statt.
Der zu Therapierende muss unterschreiben dass er die Therapie freiwillig macht.

Ich nehme an dass die Gruppe nur signalisieren kann dass sie gesprächsbereit ist, mehr aber auch nicht.

LG
Margot


Rosa Krebs Offline




Beiträge: 436

21.08.2003 17:36
#7 RE: Auch eine SHG ist keine Garantie Zitat · Antworten

Hallo Jörg,

deine Wut und Enttäuschung kann ich verstehen.

Ja die Frage bleibt...... warum, weshalb.......

Das "blöde" ist halt, es kann einem auch zu gut gehen. Alles "lästige" ist so weit weg und wir sind frei, frei..... (sind wir aber nicht – leider) .....alles verdrängt!

Also Jörg, Kopf hoch – zum Glück zwingen kann man niemanden.


tommie Offline




Beiträge: 10.595

21.08.2003 18:14
#8 RE: Auch eine SHG ist keine Garantie Zitat · Antworten

Hallo Jörg ,

"Auch eine SHG ist keine Garantie" . Natürlich nicht.

Was hast du denn erwartet von einer Gruppe, in der sich Alkoholiker und deren Angehörige treffen ? Heile Welt und immer währende Ehrlichkeit ?
Das wäre eine fatale Einstellung, denn in den SHG's wird genauso viel gelogen und Dinge vorgetäuscht wie das im Bundestag des öfteren passiert . In "meiner" Gruppe wurde/wird ca. jeder 2. rückfällig - also alles im normalen Bereich.

Ich glaube auch nicht, dass du von Christian 'enttäuscht' bist; es liest sich für mich so, als ob ihr (die Gruppe) glaubt, nicht richtig funktioniert zu haben, nicht erkannt zu haben, dass Christian doch wieder trinken könnte. Ja Mensch, was denkst du, woher die hohe Rückfallquote kommt ? Bestimmt nicht von schlechter Gruppenarbeit. Habt ihr geglaubt, dass jeder in eurer Gruppe für's Leben trocken ist ? Dann bereite dich in Gedanken schon einmal auf das nächste Gruppenmitglied vor, das wieder anfängt zu trinken - denn passieren wird das. Ganz sicher. Und es wird nur aus einem einzigen Grund passieren: derjenige will trinken, dagegen ist jede, wirklich jede Gruppe absolut machtlos.
Niemand kann sich in den Kopf eines anderen 'beamen' und seine wahre Gedanken lesen - wäre ja auch noch schöner .

Ob Christian es wirklich ernst gemeint hat und wenigstens ein paar Sachen kapiert hat werdet ihr daran merken, ob er sich wieder an euch oder an andere - als Gruppe -wenden wird (nicht seine Frau !). Falls er das tun sollte, nehmt ihn einfach mit offenen Armen auf ,ihr werdet schnell merken, dass er eine Bereicherung sein kann.

Dass so eine Gruppe gut ist zeigt doch alleine die Tatsache, dass sich seine Frau an euch gewandt hat. Das ist ganz und gar nicht selbstverständlich.

Ich wünsche euch eine 'glückliche' Hand und dir noch etwas schönes für heute .

tommie


Spieler Offline




Beiträge: 7.888

21.08.2003 18:52
#9 RE: Auch eine SHG ist keine Garantie Zitat · Antworten

Hi Tommie,

nein natürlich habe ich nicht geglaubt, das mit dem Gruppenbesuch die Garantie für lebenslanges "trockensein" gegeben ist. Wenn das so rübergekommen ist, dann habe ich mich wohl ziemlich mißverständlich ausgedrückt.
Ich bin schließlich selbst einer, der in der Vergangenheit genug Rückfälle hingelegt hat. Ich glaube auch nicht, das die Gruppe " versagt" hat.
Ich wollte zunächst einmal die Ohnmacht zum Ausdruck bringen mit der ich auch heute noch solchen Fällen gegenüberstehe. Das ist es was mich immer noch wütend macht, das man gar nichts, aber auch wirklich gar nichts machen kann, wenn der andere saufen will. Mir ging es darum all denen, die sich daran klammern, das man nur eine Gruppe besuchen muß, um trocken zu bleiben,aufzuzeigen, das noch viel mehr dazu gehört.

Tschüss

Jörg


ameise Offline




Beiträge: 1.110

22.08.2003 06:44
#10 RE: Auch eine SHG ist keine Garantie Zitat · Antworten

Hallo Jörg,

Garantie gibt es für gar nichts. Weder fürs Trockenbleiben, weder für das Gelingen einer Beziehung noch fürs Glücklichsein an sich.

Eigentlich sollten doch gerade wir wissen, daß es überhaupt nichts bringt, sich so um diesen Menschen, der ja nun wieder trinkt, zu bemühen.
Ich dachte "Nichthelfen" ist die richtige Hilfe.

Mit der Gruppe als solche hat dieser Rückfall mit Sicherheit nichts zu tun. Dieser Christian ist ja nebenbei auch noch sein eigener Mensch.
Und wie Tommie schon sagt: Niemand kann in den Kopf des anderen hineinsehen.

Daß Dich die Geschichte persönlich mitnimmt, kann ich gut verstehen -
aber ich würde mich da doch lieber auf mich selbst besinnen und mich daran erinnerin, warum ich in die Gruppe gehe: nämlich für MICH SELBST und nicht, um andere auf den richtigen Weg zu bringen.

Sicher sind wir bis zu einem gewissen Grad auch mit für unsere Mitmenschen verantwortlich - aber in erster Linie doch für uns selbst.
Wenn der Christian trinken und jammern will -
dann laßt ihn das tun.
Es nützt doch überhaupt nichts, ihn mit Gewalt zurück in die Gruppe zu schleppen - womöglich im Auftrag seiner Frau.

Er weiß doch, wo die Gruppe sich trifft.
Wenn er es will, kann er doch hingehen.
Und wenn nicht, bleibt er halt weg.
Nur so geht es.

Die Gruppe funktioniert schon gut - für die, die
sie für sich selbst nutzen.
Genauso gibt es Menschen, die auch ohne Gruppe
zufrieden trocken bleiben, weil sie in ihrem Innersten wirklich etwas erkannt haben.
Es gibt nicht nur schwarz oder weiß.

Reg Dich nicht mehr auf - Du kannst eh nichts daran ändern. Nur er selbst kann etwas ändern.


Beachen Offline




Beiträge: 3.654

22.08.2003 11:38
#11 RE: Auch eine SHG ist keine Garantie Zitat · Antworten

Hallo Jörg !

Zuerstmal zur Anmerkung, ich gehe auch in eine Gruppe des Kreuzbundes .

Eine Gruppe funktioniert nur so gut, wie jeder einzelne.
Was ich damit sagen will, es liegt am Willen jedes einzelnen mit dem Trinken aufzuhören.
Vielleicht ist bei deinem Gruppenmitglied der Verstand noch nicht in den Bauch gerutscht. So wie ich das rausgelesen habe - ich kann mich natürlich auch täuschen - war der damalige Grund in die Gruppe zu gehen der Führerscheinentzug. Das trifft die Menschen meist hart und sie wollen sich bestätigen das es bei ihrem Trinken "doch nicht so schlimm ist" und guck mal wie ich damit aufhören kann. Ist nur so ne Vermutung von mir.

Es wird uns in einer Gruppe immer wieder passieren, das Mitglieder davon weitertrinken. Manche sogar sterben.
Das ist schlimm, aber ein Teil der Erkrankung.
Ich finde gut, das du das hier geschildert hast, ich denke das kann man verallgemeinern.

Meint
Bea


Reiner Offline




Beiträge: 1.036

22.08.2003 21:07
#12 RE: Auch eine SHG ist keine Garantie Zitat · Antworten

Jörg

Ich kann Deine Wut und Enttäuschung sehr gut verstehen und auch nachvollziehen wie es ist, wenn man von einem Menschen so getäuscht worden ist.
Denn das hat Christian nun mal …er hat Euch( die Gruppe) verschaukelt.
Denn wäre da Vertrauen und Offenheit dagewesen so hätte er sicher über seine Probs gesprochen!?
Ich persönlich besuche keine Gruppe und habe auch noch nie eine besucht……habe aber im privaten und seit kurzem auch im beruflichem Umfeld soviel trockene und auch nasse Alkis, das es gut für zwei Gruppen reichen würde…grins..
Ich denke mir Christian ist ein sehr guter Schauspieler was wir Alkis doch alle einmal waren oder noch sind.
Beim zweiten Anlauf ist es Ihm gelungen die Psychologen der MPU zu täuschen und Euch hat er die ganze Zeit was vorgemacht.
Wohin ich immer wieder zurückkehre ist dieser Dein Satz:

Zitat
, entschloß er sich( auch auf Druck der Familie) unserer Gruppe beizutreten.



und dieser in Deiner Antwort an Frankie:

Zitat
meines Wissens war er nie allein in unserer Gruppe.


Ich persönlich habe mir seit ich trocken bin zum Vorsatz gemacht:
„Mache nur das was Du auch wirklich willst!“
Natürlich muss ich auch Kompromisse eingehen ..lach ..wer muss das nicht, aber über ein Jahr …wow…da würde ich nicht mitspielen.
Denn, wenn ich schon eine Gruppe besuche, will ich auch mal mit Betroffenen über Probleme und unsere Krankheit sprechen oder zu deutsch …mich mal richtig auskotzen…ohne die „sich sorgende und helfende“ Frau im Nacken zu spüren.
Und wenn wir ehrlich sind gibt’s da ne ganze Menge Dinge die ich lieber mit nem Kumpel der auch die fucking-Krankheit am A……hat besprechen, als mit meiner Frau,
So geht es mir jedenfalls!!!
Das sind natürlich nur Spekulationen meinerseits Jörg.
Vielleicht wäre es eine Überlegung wert Eure Gruppenabende mal so zu gestalten das sich die Betroffenen und auch die CO-s mal allein treffen???

Schönen Abend wünscht Euch Reiner


Spieler Offline




Beiträge: 7.888

22.08.2003 22:24
#13 RE: Auch eine SHG ist keine Garantie Zitat · Antworten

Hallo ihr da draußen,

vielen Dank zunächst für eure zahlreichen Antworten.
Eure Denkansätze und unterschiedlichen Betrachtungsweisen sind für mich wirklich sehr hilf-und lehrreich. Es ist doch wirklich erstaunlich, wie mir durch die unmittelbare Nähe zu den Geschehnissen einige naheliegende Dinge verborgen geblieben sind. So nach dem Motto " den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen zu können".
Ich habe Christian 's Zurückhaltung und seine mangelnde Kommunikationsfähigkeit, sein fehlendes sich Öffnen können,
völlig falsch interpretiert bzw. nicht die richtige Bedeutung beigemessen. Ich habe gedacht, er hat Probleme sich zu artkulieren, weil er meint(übrigens völlig zu unrecht) dass er noch Probleme mit der Sprache hat.
Völliger Quatsch. Er hat seine Krankheit weder akzeptiert, noch überhaupt ansatzweise begriffen. Das wird jetzt im Nachhinein viel deutlicher. Und wie Tommie schon schrieb, er wollte weitersaufen.
Das letzte was ich jetzt gehört habe ist, das er mit der Gruppe nichts mehr zu tun haben will. Na gut.
Da ich weiß, wie empfindlich er in Bezug auf seine Krankheit ist,habe ich ihm ausrichten lassen, das er bei Bedarf seine Geschichte nebst euren Antworten hier nachlesen kann.
Man gönnt sich ja sonst nichts.

Gute Nacht

Jörg


Spieler Offline




Beiträge: 7.888

23.10.2003 15:30
#14 RE: Auch eine SHG ist keine Garantie Zitat · Antworten

Hallo,

es ist manchmal recht tröstlich und aufbauend, wenn man auch mal positive Nachrichten verbreiten kann.
Ich habe an dieser Stelle vor ca. 2 Monaten die Geschichte von Christian gepostet. Der Ausgang war damals ja völlig offen.
Christian besucht seit ungefähr 5 Wochen wieder unsere Gruppe und macht auf mich persönlich einen völlig veränderten Eindruck. Hatte man früher das Gefühl, dass er alles in erster Linie für Andere macht, das ihm sein ganzes Alkoholproblem überhaupt nicht richtig klar war, so sitzt dir heute ein Mann gegenüber, der aufgehört alles zu beschönigen und zu verniedlichen. Jemand, der sich seiner Problematik stellt und damit auch sehr offensiv umgeht. Das ist nicht mehr der sich selbstbemitleidende, unbeherrschte, ungerechte und von allen mißverstandene Säufer, der grundsätzlich Andere für seine Situation verantwortlich gemacht hat. Man soll den Tag zwar nicht vor dem Abend loben, aber meiner Auffassung nach ist Christian auf einem guten Weg.
Vielleicht haben wir als Gruppe einen kleinen Anteil daran, aber richtig auf den Weg gebracht hat ihn seine Frau.
Sie hat ihm nämlich knallhart jegliche Unterstützung entzogen und ihn ihm Regen stehen lassen.
Sie hat nicht, wie oftmals üblich, ihm die Wege aufgezeigt( Therapie, Gruppe, Einzelgespräche etc.)sondern hat zu ihm gesagt:" Mein lieber Christian,die Kinder und ich werden dich verlassen. Es interessiert uns gar nicht ob du jetzt noch Hilfe brauchst, sieh zu, wie du dein Problem löst.Denn es ist dein Problem,nicht unseres.Solltest du noch einen Tropfen trinken, sind wir weg.Und belästige uns nicht mit irgendwelchen, fadenscheinigen Maßnahmen. Wir wollen sehen, dass du etwas tust. Wir werden dich erst dann unterstützen, wenn wir sehen, dass du es ernst meinst."
Christian, der normalerweise ein Mann ist, der sich am liebsten von vorne bis hinten bemuttern läßt, stand plötzlich ganz allein da.
Und er fing an zu kämpfen.
Als erstes ist er zu seinem Chef gegangen und hat ihm gebeichtet, dass er Alkoholiker ist. Zum ersten Mal hat er sein Problem also außerhalb eines ganz kleinen Kreises öffentlich gemacht.
Dann hat er sich völlig selbständig einen Arzt gesucht, für den Alkoholismus keine eingeschleppte Krankheit von den Philippinen ist. Er hat sehr offen über sein Problem gesprochen. Das weiß ich, weil seine Frau auch mit dem Arzt gesprochen hat. Ihr wißt ja, einem Alki darf man in dieser Phase gar nichts glauben.
Desweiteren will er dieses Jahr noch freiwillig ins LKH, obwohl er ja nicht mehr entgiftet werden muß. Diejenigen unter uns, die schon mal Entgiftung gemacht haben, wissen ja, das da teilweise das geballte Elend rumläuft. Christian, der so etwas ja überhaupt nicht kennt, erhofft sich davon eine nichtendende Mahnung. Ich weiß, das das ein ungewöhnlicher Weg ist und auch keine Therapie ersetzt, aber meinetwegen kann er auch anfangen sich bei Vollmond die Fußnägel zu schneiden, Hauptsache es erzielt Wirkung.
Weiterhin informiert er sich über die Krankheit, sei es im Internet oder über Bücher, als auch im Fernsehen. Alles Dinge, die er früher kategorisch abgelehnt hat.
Er nimmt neuerdings sogar an Seminaren, die der Kreuzbund anbietet, teil und ist begeistert.
Lat but not least besucht er natürlich auch wieder die Gruppe. Ich glaube, dass ihn das am meisten Überwindung gekostet hat. Zwar hat ihm niemand von uns den Kopf abgerissen, aber Muffenhausen hatte er ohne Ende. Und das zu recht.
Nachdem er das erstemal wieder bei uns war, sagte er sinngemäß zu mir: " Ich hatte Angst, das es die Hölle würde.Und ich hatte recht".
Ja, da mußte er durch und er hat es mit Bravour gemeistert.

Also, ich bin überzeugt, dass der Weg, den er jetzt geht, recht vielversprechend ist.
"Lieber Christian, solltest du das hier lesen und deinen eingeschlagenen Weg wieder verlassen, so versichere ich dir, dass ich für dich persönlich die Büchse der Pandora öffnen werde.

Ich hoffe, dass gerade die CO's, die hier oft verzweifelt posten, aus diesem Bericht etwas Zuversicht schöpfen können.

Jörg


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